Denkmal auf dem Bürgersteig Stolpersteine erinnern an Rheinbacher Juden

Rheinbach · Der Künstler Gunter Demnig verlegt zwölf Messingtafeln, mit denen Rheinbacher Juden gedacht wird, die 1942 von den Nazis nach Weißrussland deportiert und dort ermordet wurden. Stadtarchivar Dietmar Pertz hat die Biographien der Nazi-Opfer recherchiert.

Bewegende, ungemein traurige, aber stets mahnende Geschichten erzählen die kleinen, zehn mal zehn Zentimeter großen Stolpersteine, die Aktionskünstler Gunter Demnig seit dem Jahr 2000 in ganz Europa zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus verlegt. Am Freitag, 25. Mai, ist der 70 Jahre alte Mahner gegen das Vergessen zum dritten und vorerst letzten Mal in Rheinbach zu Gast. Ab 9 Uhr lässt Demnig an der Straße „Vor dem Dreeser Tor“ den ersten von zwölf Gedenksteinen aus Messing vor dem letzten selbst gewählten Wohnort der einstigen jüdischen Nachbarn in den Bürgersteig ein. Es sind die letzten von 36 Stolpersteinen, die an ermordete Juden Rheinbachs erinnern.

Mit den Schicksalen der zwölf Menschen, derer mit einem Stolperstein gedacht wird, hat sich Rheinbachs Stadtarchivar Dietmar Pertz intensiv beschäftigt. Unter der Verwendung von Recherchen des Hobbyhistorikers Peter Mohr, von akribischen eigenen Forschungen sowie der Bücher „Sie waren Nachbarn“ und „Habt ein besseres Gedächtnis“ von Horst Mies hat Pertz Kurzbiografien erstellt: Diese zeigen eindrucksvoll, dass die Nachbarn jüdischer Konfession voll integrierte Bestandteile der Rheinbacher Gesellschaft und keinesfalls in einen sozialen Raum zu Hause waren, der heute als Parallelgesellschaft beschrieben wird.

„Alexander Geisel Nachfolger Joseph David und Co.“

Elisabeth „Elise“ David, geborene Geisel, an die der Stolperstein an der Straße „Vor dem Dreeser Tor“ erinnert, entstammt einer in Rheinbach sehr angesehenen Kaufmannsfamilie. Ihr Mann Joseph David übernahm im Zentrum Rheinbachs das Geschäft der Eltern seiner Frau und führte die Manufakturwarenhandlung unter dem Namen „Alexander Geisel Nachfolger Joseph David und Co.“ weiter. Als im Winter 1923/24 eine große Hungersnot drohte, so berichtet Pertz, war Joseph David zusammen mit dem Bürgermeister und den örtlichen Pfarrern Mitglied im elfköpfigen Arbeitsausschuss gewesen, der eine Gemeinschaftsküche für die ärmere Bevölkerung eingerichtet hatte.

Auch stattete David jährlich nach Rücksprache mit dem Pfarrer die zwei ärmsten Kommunionkinder zu ihrer Erstkommunion mit hochwertiger Kleidung aus. Als Teile der Familie im Frühjahr 1939 nach England flohen, blieb Elisabeth David, laut Recherchen „damals schon 67 Jahre alt und gebrechlich“, zusammen mit ihrer Tochter Klara im Rheinland zurück. Im Bundesarchiv dokumentiert ist, dass sie am 19. September 1942 in das Vernichtungslager Treblinka deportiert und dort vermutlich kurz nach ihrer Ankunft ermordet wurde.

Sechs Stolpersteine an der Kriegerstraße 7

An Fanny und Frida Sommer, an Moritz und Karoline Salm sowie an Ilse und Hugo Schwarz erinnern die sechs Stolpersteine, die Demnig anschließend an der Kriegerstraße 7 ins Trottoir einlässt. Seit den 1840er-Jahren waren die Sommers in Rheinbach nachgewiesen. Lazarus Sommer betrieb eine Viehhandlung. Während der Geschäftsinhaber 1940 in einem Kölner Krankenhaus stirbt, werden seine zweite Frau Fanny und die Tochter Frida 1942 deportiert, voneinander getrennt und in Treblinka, beziehungsweise der Tötungsstätte Maly Trostinec nahe Minsk ermordet. Auch das Leben der weiteren Bewohner dieses Hauses endet in Maly Trostinec.

An der Polligstraße 10 erinnert einer der fünf dort zu verlegenden Stolpersteine an Max Wolf. Der war im Ersten Weltkrieg noch mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet worden und schwer verwundet als Kriegsinvalide nach Hause gekommen, wie Dietmar Pertz recherchierte. In Rheinbach führte Wolf einen kleinen Laden, der unter anderem Zigaretten und Scheuermittel führte. Er verdiente sich laut mündlicher Überlieferung etwas dazu, indem er in Privathaushalten vor allem Schafe, Ziegen und Kälber schlachtete.

Seine beiden Söhne besuchten in Rheinbach die Volksschule, Otto zudem bis 1935 das Gymnasium. „Er war der letzte jüdische Schüler am Städtischen Gymnasium Rheinbach“, berichtet Pertz. Alle Familienmitglieder der Familie Wolf sowie der ebenfalls in dem Haus lebende Walter Eis wurden deportiert. Zunächst brachte man sie am 17. Februar 1942 in ein Sammellager nach Endenich, nach dem Transport nach Minsk verliert sich ihre Spur. Mit großer Wahrscheinlichkeit sind auch sie in der nahe gelegenen Tötungsstätte Maly Trostinec von Nazi-Schergen ermordet worden.

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