Besuch im Gefängnis So feiern die Gefangenen der JVA Rheinbach Weihnachten

Rheinbach · Die Häftlinge der JVA Rheinbach feiern mit ehrenamtlichen Helfern und Gästen Weihnachten. Seit zwei Jahren gibt es eine eigene Abteilung für Gefangene, die älter als 60 Jahre sind.

Für Michael I. ist die Weihnachtszeit die schönste Zeit des Jahres. „Es sind besinnliche Wochen. Es ist eine Zeit der Liebe“, sagt der 61-jährige, der das Weihnachtsfest nicht mit seinen Lieben zuhause verbringt, sondern – und das bis 2020 – hinter Gittern.

Seine „Hütte“, so nennt er seine Zelle in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Rheinbach, ist dennoch adventlich hergerichtet. Er und 16 andere Mitgefangene haben aufgrund ihres Alters mehr Freiheiten als die übrigen 345 Strafgefangenen. Denn sie bewohnen Zellen in der 2015 eingerichteten Lebensälterenabteilung. Rheinbach ist neben Detmold die einzige JVA in NRW den separaten Bereich für Insassen ab 60 Jahren hat.

Weihnachten im Rheinbacher Gefängnis
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Weihnachten im Rheinbacher Gefängnis

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Im Flur sorgt ein geschmückter Tannenbaum für eine heimelige Atmosphäre. Voller Stolz schließt Michael seine Zelle mit dem eigenen Schlüssel auf und zeigt auf die gemütliche Inneneinrichtung. Mit einer Lichterkette über dem Tisch, Weckmännern und Laternen an der Wand sowie den aufgestellten Kerzen hat sich Michael ein wenig adventliches Flair geschaffen. Er nutzte das traditionelle Weihnachtsmeeting der anstaltseigenen Suchtgruppe der Anonymen Alkoholiker, um Bürgermeister Stefan Raetz den Gemeinschaftsraum samt Kühl- und Gefrierschrank zu zeigen.

„Den großen Adventskranz hier habe ich gebastelt“, erzählt Michael zufrieden. Er hat im November 2016 in der JVA seine langjährige Lebensgefährtin, die auf der Insel Fehmarn wohnt und nur selten zu Besuch kommen kann, geheiratet. Deshalb hat er auch einen Antrag auf Verlegung nach Schleswig-Holstein gestellt, damit es „für sie einfacher wird“. Michael sitzt wegen Steuer- und Versicherungsbetrugs eine Haftstrafe ab. 2003 wurde er verurteilt, die Haftzeit wurde wegen mehrerer Herzinfarkte unterbrochen. Nun will er die restlichen Jahre hinter sich bringen.

Weihnachten ohne die Kinder (27, 23, 16, 13 Jahre) und seine Frau fällt dem gelernten Kfz-Meister schwer. „Wir läuten die Bescherung mit den Kindern immer noch mit einem Glöckchen ein“, erzählt Michael. Die häusliche Tradition vermisst der Strafgefangene schmerzlich. Umso mehr freut er sich auf den Besuch seiner Frau, die zum Familiengottesdienst am zweiten Weihnachtstag anreisen wird.

Häftling Fabian Sch.

Seine Frau und den fünfjährigen Sohn vermisst auch Fabian Sch. Für ihn ist es das fünfte Jahr, das er in Rheinbach einsitzt. „Ich bin ein Familienmensch und freue mich jetzt schon darauf, dass ich im nächsten Jahr in den offenen Vollzug komme, wenn ich in Bochum eine Ausbildung zum Maurer beginne.

Dann kann ich jedes Wochenende zu meiner Familie nach Siegburg fahren“, hofft der 32-Jährige, der 2012 für elf Jahre wegen eines Gewaltdeliktes hinter „schwedische Gardinen“ wanderte. Um in weihnachtliche Stimmung zu gelangen wird der junge Familienvater sich an Heiligabend Weihnachtsfilme im Fernsehen anschauen. Weihnachtspäckchen von der Familie wird es keine geben. „Das ist nicht erlaubt. Man hat wohl Angst, dass etwas reingeschmuggelt werden könnte“, bedauert Fabian.

Häftlinge Detlev W. und Janusch S.

Als Detlev W. und Janusch S. mit Mundharmonika und Gitarre Weihnachtslieder anstimmten, singen Insassen und Gäste lauthals mit. Über die musikalische Einlage freut sich auch Moderator Karl Seifert, der die Sucht- und die Malgruppe seit Jahren leitet. Verschiedene Gruppen in den Bereichen Gespräch, Malen oder Sucht bieten Ehrenamtliche unter dem Dach der „Gesellschaft für soziale Eingliederung“ Rheinbach an.

Im Mittelpunkt der jährlichen Weihnachtsveranstaltung stehen beim reichhaltigen Büffet, das die Gäste mitgebracht haben, der Austausch zwischen Insassen, Ehrenamtlichen und Gästen „von draußen“. Zu den Gästen zählten neben zahlreichen Ehrenamtlichen auch der Pastor der Freien Evangelischen Gemeinde, Klaus Haubold, sein Kollege von St. Martin, Pfarrer Bernhard Dobelke, sowie die Vorsitzende der „Gesellschaft für soziale Eingliederung“ und seit 44 Jahren „dienstälteste Ehrenamtliche“ Ingeborg von Westermann (88). „Für mich ist es hier ein ganz besonderes Erlebnis vor den Feiertagen. Man kommt ins Nachdenken, wenn man Leute kennenlernt, denen es nicht so gut geht. Wenn ich hier rauskomme, weiß ich, dass ich auf der Sonnenseite stehe“, sagt Bürgermeister Raetz.

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