Jürgen Becker in Rheinbach Kulturgeschichte der Fortpflanzung

Rheinbach · Nicht nur verbal, auch visuell ging es bei Jürgen Beckers neuem Soloprogramm „Volksbegehren“ heiß her. So gewährte der Kölner Kabarettist in Rheinbach bei seinem Blick durchs Schlüsselloch auf Volkes Gelüste auch aufschlussreiche Dia-Einblicke in erotische Szenen.

 Jürgen Becker.

Jürgen Becker.

Foto: Axel Vogel

Kaum erwachen draußen die ersten Bienen und Blümchen aus dem Winterschlaf, gerät auch das Stadttheater mächtig in Wallung. Nicht nur verbal, auch visuell ging es bei Jürgen Beckers neuem Soloprogramm „Volksbegehren“ nämlich heiß her. So gewährte der Kölner Kabarettist bei seinem Blick durchs Schlüsselloch auf Volkes Gelüste doch aufschlussreiche Dia-Einblicke in erotische Szenen quer durch die Jahrhunderte von Meisterwerken der bildenden Kunst über Werbeplakate aus verschiedenen Dekaden bis hin zum Blattlausporträt.

Letzteres freilich kühlte die aufgeheizte Stimmung im voll besetzten Saal schlagartig herunter, denn „grün und lästig – wer außer Joschka Fischer könnte damit wohl Erfolg beim anderen Geschlecht haben?“, fragte Becker. Nun sind Blattläuse eine Spezies, die auf den erotischen Zuspruch ihrer Artgenossen nicht angewiesen ist: Wenn ihnen nach Fortpflanzung zumute ist, gebären die Lausmädels ohne Zutun eines Lausbuben bis zu zehn Töchter am Tag.

So einfach kann das Leben sein. Sex dagegen ist Aufwand. Und doch muss irgendwas dran sein, sonst hätte sich der Austausch von Körperflüssigkeiten zwecks Fortpflanzung nicht bei 99 Prozent der Tierarten durchgesetzt. Ganz im Tenor der Wissenschaft erklärte Becker den Sex zum Jungbrunnen: Sich vielfältig zu mischen, statt die eigenen Gene immer nur zu kopieren, das sei ein Selbstschutzverfahren der Natur. „Denn immer nur Deppen unter sich wie bei Pegida und der AfD – das will die Natur nicht“, sparte Becker nicht mit Seitenhieben auf Gesellschaft und Politik. „Jeder Jeck ist von woanders“, variierte der Morenhovener Lupen-Träger das beliebte kölsche Sprichwort „Jeder Jeck ist anders“ als Plädoyer für die Völkervielfalt.

Vor lauter politischer Korrektheit schien Becker den erotischen Faden zuweilen gar zu verlieren, doch holte ihn der mächtige Gott Eros immer wieder zurück zum alles umfassenden Thema, das die Männer statistisch gesehen zu immerhin 60 Prozent des Tages gedanklich beschäftige – der Fußball folglich offenbar nur zu 40 Prozent.

Und so nehme es auch nicht wunder, dass sich ein Drittel der gesamten Internetnutzung dem Thema Sex widme, und zwar durchaus auch zwischen 9 und 17 Uhr: Becker: „Da bekommt der Begriff Gleitzeit eine ganz neue Bedeutung.“

Wie sich die Spielarten des Begehrens trotz oder wegen der Leibfeindlichkeit der Kirche immer wieder durchsetzen – das sei wie schon in der Mythologie mit der Büchse der Pandora oder wie in der Bibel mit Eva und dem Apfel: „Etwas ist verboten, einer macht’s trotzdem – und damit ist das Böse in der Welt. Höchste Lust und tiefster Abgrund liegen eben nah beieinander“, erläuterte Becker. Dem können allenfalls die Ehe und die Steuererklärung als Totengräber der Leidenschaft Einhalt gebieten. Und wer wie seinerzeit der Philosoph Sokrates eine streitsüchtige Xanthippe zu Hause hat, der hat gute Chancen, mangels Ehefreuden immerhin bahnbrechende Theorien zu entwickeln.

Trotzdem hält sich der Zauber der Erotik hartnäckig schon seit der enthemmten bunten Götterwelt, und ein Picasso scheut sich nicht, den Liebenden ganz plakativ Tierköpfe auf die Körper zu pflanzen. Nur ein paar Tabus haben sich gehalten: „Sex in der Öffentlichkeit ist verboten. Probieren Sie es doch nachher mal aus“, meinte Becker. Fortpflanzung folgt.

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