Festtage im Gefängnis JVA-Gefangene in Rheinbach feiern Weihnachten

RHEINBACH · Die Weihnachtsfeier der Gesellschaft für soziale Eingliederung zaubert eine besinnliche Stimmung im Rheinbacher Gefängnis. Etwa 60 Gefangene dürfen mitmachen.

 JVA-Leiter Heinz-Jürgen Binnenbruck begrüßt Ehrenamtler und Insassen zu gemeinsamen Weihnachtsfeier.

JVA-Leiter Heinz-Jürgen Binnenbruck begrüßt Ehrenamtler und Insassen zu gemeinsamen Weihnachtsfeier.

Foto: Axel Vogel

„Tochter Zion, freue dich“ steht zweifellos auf einem der oberen Ränge in der Reihe emotionaler Advents- und Kirchenlieder. Der Gänsehauteffekt kann aber auch ohne Trompeten noch getoppt werden. Dann, wenn mehr als 60 Gefangene das Lied zur Orgelbegleitung von Hans Achenbach in der Anstaltskirche der Justizvollzugsanstalt (JVA) Rheinbach singen. Die Stimmen von rund 20 Männern und Frauen „von draußen“ fügten sich in den Gesang ein. Sie sind die „Brücke nach draußen“ für viele Insassen. Ein paar Tage vor Weihnachten hatten die ehrenamtlichen Betreuer unter dem Dach der Gesellschaft für soziale Eingliederung wieder zum Weihnachtstreffen in die Rheinbacher JVA eingeladen.

Anders als früher, sei dies nicht mehr ein Weihnachtsmeeting der Suchtgruppen im größeren Kreis, wie Anstaltsleiter Hans-Jürgen Binnenbruck sagte. Anstelle der großen „Befindlichkeitsrunde“ aus der Tradition der Suchtgruppen gibt es inzwischen eine Weihnachtsfeier, bei der die persönliche Kommunikation im Mittelpunkt stehe. Geblieben aber ist die Tradition, dass Rheinbachs Bürgermeister Stefan Raetz ebenso zu den Gästen „von draußen“ gehört wie die Pfarrer der christlichen Kirchengemeinden, Superintendent Mathias Mölleken, Gudrun Schlösser, Bernhard Dobelke und Klaus Haubold. Und im Kreise der ehrenamtlichen Betreuer, deren Dienstälteste Ingeborg von Westerman ist, die sich bereits seit 1974 engagiert.

Nachdenkliches hat seinen Platz. So sprach der neue Vorsitzende der Gesellschaft für soziale Eingliederung, Christoph Renner, über die Würde des Menschen. „Ein Kind muss wissen, dass es von Anbeginn der Welt nie einen solchen Menschen wie es selbst gegeben hat und dass es einen solchen Menschen nie wieder geben wird“, sagte er. Aus eigener Erfahrung wisse er, wie schwer es ist, sein eigenes Ich zu finden. In Richtung der Gefangenen sagte er: „Unsere Aufgabe in den Gruppen ist es, Sie alle als Wunder und als einzigartig zu begreifen. Wenn ich mein Ich liebe und wertschätze, kann ich auch dein Ich wertschätzen.“ So wünsche er jedem einzelnen, sein eigenes Ich annehmen zu können.

Bevor es ans Büfett ging, das die Ehrenamtlichen der Gruppen um die Sprecherinnen Deborah Rupprecht und Cornelia Stark mitgebracht hatten, sangen Gäste und Gefangene besonders inbrünstig „ein Lied, das jedem Anstaltsleiter die Haare zu Berge stehen lässt“, wie der evangelische Gefängnisseelsorger Pfarrer Hans-Christian Heine augenzwinkernd sagte: „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit!“

Zur Weihnachtsfeier haben die Gefangenen Zugang, die an den Gruppenangeboten der Ehrenamtlichen unter dem Dach der Gesellschaft für soziale Eingliederung teilnehmen, wie Suchtgruppen, Malgruppen oder Gesprächsgruppen. Darüber hinaus kann nach entsprechender Anmeldung jeder Gefangene teilnehmen, der keine Sicherungsmaßnahme hat. Dass muslimische Gefangene die Weihnachtsfeier in der Anstaltskirche gemeinsam mit christlichen Gefangenen besuchten, ist nichts Außergewöhnliches. „Umgekehrt waren beim muslimischen Zuckerfest mit rund 40 muslimischen Gefangenen in der Anstaltskirche eine Handvoll Christen. Die Muslime haben das als Bereicherung empfunden“, sagte Pfarrer Heine.

Gemeinsam mit seinen katholischen Kollegen Pfarrer Stefan Schwarz und Gemeindereferent Gregor Heuer betreut er zurzeit auch die muslimischen Gefangenen, stellt ihnen auf Wunsch Gebetsteppiche zur Verfügung und klärt per Kompass die Gebetsrichtung zur Kaaba in Mekka. Schon länger sei die Anstalt auf der Suche nach muslimischen Geistlichen gewesen, aber bei Moscheegemeinden nicht fündig geworden, so Pfarrer Heine. Jetzt sei es aber gelungen, mit einem Ehepaar zwei Religionspädagogen und Islamwissenschaftler des gemeinnützigen Vereins ANqA – Verein für transkulturelle Bildung – auf Honorarbasis zu gewinnen, die ab Mitte Januar 2019 wöchentlich islamische religiöse Gruppenstunden und an einem Vormittag Einzelgespräche anbieten. „Wir wollen mit diesen Angeboten einer Radikalisierung entgegenwirken“, sagte Binnenbruck.

Im Ausblick auf das kommende Jahr nannte er die voraussichtliche Fertigstellung des sogenannten C-Flügels etwa Mitte 2019. Dann wird die JVA Rheinbach 614 Gefangene aufnehmen anstelle von derzeit in der Umbauphase 375. Die Neubauten von Küche und Wäscherei haben schon begonnen, der Neubau der so genannten Werkhalle 4 gehe gerade an den Start. Voraussichtlich werden diese Bereiche 2020 in Betrieb genommen werden, so der Anstaltsleiter. „Wenn alles fertig ist, sind wir fit für die nächsten 100 Jahre. Hier steht was Solides“, sagte er. Insgesamt beschäftigt die JVA 250 Bedienstete, davon rund 160 im allgemeinen Vollzug, 30 in der Werkstatt sowie weitere in den Fachdiensten wie Sozialarbeiter, Pfarrer, Lehrer und Verwaltung.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort