"Unsere Songs funktionieren ohne Drogen“ Interview mit Slade-Mitgründer Dave Hill

Rheinbach · Am Freitag, 14. Juli, rocken Slade die Rheinbach-Classics-Bühne unter freiem Himmel am Himmeroder Wall. Keine Band verkaufte in den 70er Jahren mehr Singles als Slade.

 Im Jahre 1973 landeten Slade mit Cum on Feel the Noize einen ihren größten Hits. Von der ursprünglichen Band sind heute noch Don Powell (2. von links) und Dave Hill (rechts) mit dabei.

Im Jahre 1973 landeten Slade mit Cum on Feel the Noize einen ihren größten Hits. Von der ursprünglichen Band sind heute noch Don Powell (2. von links) und Dave Hill (rechts) mit dabei.

Foto: Polydor Records

Sie haben mir einen unglaublichen Ohrwurm beschert: Nachdem ich zur Vorbereitung auf dieses Gespräch „Merry Xmas Everybody“ hörte, ließ mich der Weihnachtshit das ganze Wochenende über nicht mehr los. Ist diese Eingängigkeit das Geheimnis des Slade-Erfolgs?

Dave Hill: Wir taten einfach das, was wir uns immer erträumt hatten: Wir wollten spielen und spielten anfangs in kleinen Clubs und Kneipen. Als wir dann so richtig merkten, was wir dort taten, entdeckten wir, dass es etwas Besonderes sein muss. Wir brachten Leute dazu, sich gut zu fühlen. Wir möchten die Zuhörer tanzen lassen – und lachen. Unser Anspruch war es immer, eine gute Band zu sein und immer besser zu werden. Ich werde nicht müde, für unser Publikum zu spielen: Jeden Abend, in jeder Show, spielen wir für ein neues Publikum. Als ich 26 Jahre alt war und wir unseren ersten Nummer-1-Hit hatten, hätte ich niemals gedacht, dass wir in 40 Jahren noch diese Lieder spielen. Die Menschen lieben es. Die Fans sagen mir: Wir hören euch zu und fühlen uns wieder wie mit 15.

Wer hat Sie als junger Mann inspiriert, Musik zu machen? Waren es die Beatles oder Elvis...?

Hill: Es war tatsächlich Elvis Presley. Als ich in den 50er Jahren anfing, Musik zu hören, war das die Musik von Elvis – oder Buddy Holly. Die Eltern mochten diese Musik nicht: Elvis sah großartig aus, sang großartig und bewegte sich großartig. Für uns englische Kinder waren auch die Motown-Songs sehr wichtig und sehr prägend. Die Supremes, Diana Ross, die Jacksons hatten so viel Einfluss auf uns. Wir lernten auch von den Beatles, den Stones und The Who, aber dann legten wir Wert darauf, eine eigenständige Band zu sein und eigene Songs zu schreiben.

Ihre deutschen Fans gelten als sehr treu. Was geschieht mit den Fans, wenn sie Slade-Songs hören?

Hill: Als wir 1991 wieder auf Tournee gingen, tourten wir mit Suzi Quatro, und 60 000 Menschen kamen in Deutschland in unsere Konzerte. Ich dachte mir: Das ist ein großes Publikum. Sie kamen entspannt mit der ganzen Familie. Wenn die Fans unsere Lieder hören, unternehmen sie eine Zeitreise. Sie erinnern sich, was sie taten, als dieses Lied herauskam. Musik besitzt auch eine Art heilende Kraft. Es ist keine politische Musik, es geht um Spaß und darum zu tanzen. Und ich mag Deutschland, insbesondere die schönen alten Städte. Und ich habe zwei deutsche Autos (lacht)...

Dann willkommen in Rheinbach: Sie spielen in einer schönen alten Stadt und finden während der Classics 700 alte Autos vor. Wie fühlt es sich an, so lange auf Reisen zu sein – weit weg von zu Hause und den Enkelkindern?

Hill: Viele fragen: Was war deine längste Tournee, und ich antworte darauf: Ich bin mittendrin (lacht). Was wir nur versuchen, ist, zwischen den Auftritten ein wenig Raum für freie Zeit zu haben. Im Juli haben wir etwa drei Shows in drei Wochen: Das heißt: Wir reisen an, können uns die Stadt anschauen, spielen und dann wieder abreisen. Das ist sehr angenehm.

Reisen Sie gerne?

Hill: Grundsätzlich finde ich es angenehm zu reisen, weil du nie weißt, wen du triffst. Es ist schwer, in meinem Job die Balance zu finden. Manchmal spielen wir zwei Monate gar nicht. Das bringt mich in die Lage, mit meiner Familie viel Zeit zu verbringen, was sehr wichtig ist. Wenn ich auf Tour bin, ergeben sich fantastische Gespräche mit den Fans. Sie erzählen: Als ich euch 1973 zum ersten Mal gehört habe, habe ich mir meine erste Gitarre gekauft. Wir haben Oasis und Duran Duran inspiriert, so haben sie es uns berichtet.

Wie viele Konzerte haben Sie in Ihrem Leben schon gegeben?

Hill (lacht): Ich habe sie nie gezählt. Wir haben in kleinen Clubs genauso gespielt wie auf großen Festivals. In kleinen Jugendzentren fingen wir an. Mitunter ist es inspirierender, vor ein paar Hundert Leuten in einem kleinen Club zu spielen als etwa vor 100 000 Menschen in Donington, weil man näher an den Fans dran ist – und die Fans näher an uns.

Gibt es in der Band ein Ritual, bevor ihr auf die Bühne geht?

Hill: Ja, das Wichtigste ist, bevor du auf die Bühne steigst, dass du genügend trinkst – aber nur Wasser. Du schwitzt, und ich bewege mich viel auf der Bühne. Das wichtigste Prinzip ist: Trink keinen Alkohol, wenn du arbeiten musst – also vor einer Show. Du kannst nach dem Auftritt einen Drink nehmen, aber nicht davor – da sind wir streng. Das Magische am Auftritt ist der Moment, wenn wir die Zuschauer hören, die auf den Auftritt warten. Dann wirst du angesagt und wartest darauf, wie das Publikum reagiert: Sie schreien und applaudieren. Gut, heute sind unsere Fans über 50 und schreien etwas weniger. Aber magisch ist es noch immer, wenn sie applaudieren und du hoffst, dass deine Ausrüstung funktioniert, wenn du den ersten Ton spielen willst.

Wie viel Sex, Drogen und Rock'n'Roll sind heutzutage noch Begleitumstände einer Tour?

Hill: Ich will ehrlich sein: Es gab immer Sex – aber das ist Jahre her (lacht). Als wir jung waren. Rock'n'Roll ja, Drogen nie. Das ist etwas, das wir sehr streng gehandhabt haben: keine Drogen. Weil wir erlebt haben, was die mit Menschen angestellt haben, die wir kannten. Viele von damals sind heute nicht mehr unter uns. Wir sind Slade: Drogen helfen uns nicht. Unsere Songs funktionieren auch ohne Drogen. Und es sind die Langzeitfolgen, die Drogen so gefährlich machen. Als ich ein Kind war, hatten wir noch nicht mal ein Telefon oder einen Fernseher – viele können sich das heute nicht vorstellen. Die Welt der Vorstellung war darum unsere Welt als Kinder. Vielleicht sind darum viele Kreative meiner Zeit so kreativ und erfolgreich geworden, weil sie dieses Maß an Vorstellungskraft besaßen.Ich bin ein Kind der Seventies, geboren 1973. Ich liebe die Mode der Glam-Rock-Ära. Aber es gibt da eine Sache, die ich gerne wissen möchte: Wie war es möglich, in diesen Plateauschuhen zu laufen?

Hill: Tatsächlich war es nicht möglich. Ich kann auch nicht sagen, dass wir gelaufen sind. Ich würden sagen (lacht): Wir sahen aus wie Raumfahrer in Raumfahreranzügen, die auf dem Mond herumspazierten. Aber, um ehrlich zu sein: Die Schuhe sahen großartig aus, besonders im Fernsehen, waren aber nicht so praktisch wie beispielsweise flache Turnschuhe. Weil ich so klein war, halfen mir die Plateauschuhe dabei, mich ein ganzes Stück größer zu fühlen.

Zusammen mit Slade auf der Bühne werden die „Dirty Deeds“ spielen – eine laute, brillante, örtliche AC/DC-Tributeband. Slade ist mit Black Sabbath, ZZ Top, Kiss und Aerosmith getourt. Habt ihr auch mit AC/DC gespielt?

Hill: Bei einem Riesenfestival in Donington war das. Ich denke, es waren 100 000 Menschen dort. Es war irgendwann in den 80er Jahren, und es fiel sehr sehr viel Regen. Aber das tat der Stimmung keinen Abbruch. Es war toll, Angus (Angus Young, Gitarrist von AC/DC) zu treffen, und wir kannten Brian (Sänger Brian Johnson) von einer früheren Band. AC/DC waren der Haupt-Act, und sie waren großartig. Es wird toll sein, ihre Lieder zu hören.

Trotz meines Ohrwurms vom Wochenende muss ich fragen: Werdet Ihr „Merry Xmas Everybody“ bei den Rheinbach Classics spielen?

Hill: Wir denken darüber nach. Manchmal glaube ich, es ist schon ein bisschen hart, wenn wir ein Weihnachtslied im Sommer singen. Aber es ist lustig, es als letztes Lied zu spielen. Wenn die Leute einen Song von uns kennen, dann ist es dieser Song. Sie lieben ihn. Viele waren noch gar nicht geboren, als der Song Nummer eins war, aber sie lieben ihn.

Wir kommen Sie mit dem anstehenden Brexit klar?

Hill: Das ist eine gute Frage (atmet schwer). Das Votum hat uns alle sehr überrascht. Ich war eher der Meinung, dass es besser ist, in der Europäischen Union zu bleiben. Aber viele in unserem Land waren da anderer Ansicht. Ich denke aber, dass unsere Freundschaft zu Europa sehr stark ist. Ich bin mir sicher: Würde dieses Votum heute noch einmal stattfinden, wäre das Resultat nicht dasselbe. Viele Länder Europas sagen, dass sie den Ausstieg des Vereinigten Königreichs aus der EU nicht wollen – ich kann das verstehen. Aber das ist Demokratie: Die Mehrheit entscheidet. Wir brauchen uns gegenseitig in Europa – vor allem bei der Sicherheit. Aber lasst uns sehen, was passieren wird. Was immer sein wird, wird sein (lacht).

Bei den Rheinbach Classics gibt es während des Wochenendes über 700 Oldtimer zu erleben...

Hill: Tatsächlich.

Viele davon sind im Vereinigten Königreich gebaut worden. Werden Sie die Zeit haben, sich davon etwas anzusehen, oder sagt der Tourplan: Wir müssen weiter?

Hill: Wir müssten die Zeit aufbringen können. Das interessiert mich sehr, wenn wir die Chance dazu haben, werden wir sie nutzen. Es ist wie so oft: Lasst uns sehen, was der Tag zu uns spricht. Das kann ich heute noch nicht sagen. Letztlich ist unsere Show der Hauptgrund, warum wir vor Ort sind (lacht).

Karten für den Auftritt von Slade und Dirty Deeds'79 bei der Classics Rocknacht am Freitag, 14. Juli, 20 Uhr, gibt es für 28 Euro (plus Gebühren) in den Geschäftsstellen des General-Anzeigers, unter www.bonnticket.de, www.rheinbach-classics.de, im FIRST-Reisebüro und in der Raiffeisenbank Voreifel, beide im Raiffeisenhaus, Rheinbach, Hauptstraße 36-46.

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