Vermisstenfälle in Rheinbach Hungrige Sau hilft dem mordenden Landwirt

Rheinbach · Mit seinem neuesten Werk „Der ferne Sommer“ legt der Rheinbacher Autor Paul Schaffrath seinen bisher stärksten Krimi vor. Am Samstag ist er in der Rheinbacher Buchhndlung Kayser zu Gast.

 Der Bikertreff „Zu den vier Winden“ in Kurtenberg ist Schauplatz von Paul Schaffraths neuem Roman „Der ferne Sommer“, den Winrich C.-W- Clasen unter Pseudonym geschrieben hat.

Der Bikertreff „Zu den vier Winden“ in Kurtenberg ist Schauplatz von Paul Schaffraths neuem Roman „Der ferne Sommer“, den Winrich C.-W- Clasen unter Pseudonym geschrieben hat.

Foto: Mario Quadt

Kindheitserinnerungen sind unbezahlbar. Die prägenden Momente frühester Jugend brennen sich unauslöschlich auf der Festplatte eines Heranwachsenden fest – Gerüche, Gaumenfreunden, Gedanken, Geniemusik und vieles mehr. Ein wahres Füllhorn an Referenzen an die 60er und 70er Jahre schüttet Paul Schaffrath in seinem fünften Kriminalroman „Der ferne Sommer“ aus.

Winrich C.-W. Clasen vom Rheinbacher cmz-Verlag lässt seinen Kriminalhauptkommissar Krüger, den spleenigen Ermittler ohne Vornamen, wieder ermitteln, aufgeschrieben von Paul Schaffrath, seinem ausersonnenen Pseudonym mit dem zeitlosen Vornamen und dem Familienzusatz, der „nach einem Eifeldorf“ klingt.

Dichte Spannung erzeugt Schaffrath, indem er in 41 Kapiteln dramaturgisch durch die Jahrzehnte wandelt. Die literarische Zeitreise beginnt 1969 auf dem Feuerwehrball in Merzbach. Nach der Festivität, bei das ganze Dorf auf den Beinen ist, verschwindet ein junger Mann spurlos – genau zehn Jahre später im Nachbarort Neukirchen ein zweiter. Erst als 2016 ein betuchter Landwirt aus Neukirchen ermordet im Rheinbacher Wald gefunden wird und eine Bonner Buchhändlerin ihren schallplattensammelnden, mit reichem Familienerbe gesegneten Lebensgefährten vermisst, überstützen sich die Ereignisse für die Ermittler aus dem Bonner Polizeipräsidium.

Einen 318 Seiten starken Kriminalroman in der überschaubaren Kulisse eines Ortes von der Größe Neukirchens spielen zu lassen, birgt auf den ersten Blick ein gewisses Risiko. „Ich hatte große Lust, den Krimi in einem kleinen Kosmos spielen zu lassen“, sagt Clasen. Die mögliche Sorge, dass ein eher kleiner Höhenort auf den Ausläufern des Ahrgebirges nicht als Schauplatz für einen eindrücklichen Roman dienen könnte, zerstreut Schaffrath jedoch mit der ihm eigenen Sprachgewalt, den Wortspielen und Augenzwinkereien und der Vielzahl an fein gezeichneten Protagonisten, den meisten davon Neulingen im Krügerkosmos.

„Unterschiedliche Zeiten bringen unterschiedliche Figurentypen hervor“, sagt der 1955 in Hamburg geborene Autor, der die Gabe besitzt, die augenscheinlichen Absurditäten und liebenswerten Alltäglichkeiten des Lebens am Rhein mit großer Akribie und feinem Humor zu beschreiben. Wenn etwa seine Hauptfigur ohne Vornamen „verstimmt verstummt“, dann ist ein Könner seines Fachs am Werk, der keine Blutrünstigkeiten braucht, um prickelnde Spannungsperlen zu erzeugen. Dass das erste Opfer von „Der ferne Sommer“ im Sommer 1969 in Merzbach verschwindet, ist keinem Zufall geschuldet. „Ich war selbst mal in meiner Jugend auf dem Feuerwehrball in Merzbach – eine Jugenderinnerung“, sagt Clasen.

Da sein Vater eine Beamtenstelle in Bonn findet, zieht die Familie von Norddeutschland an den Rhein und baut in Merzbach. Somit lässt Schaffrath seine Leser an Clasens Kinder- und Jugenderinnerungen teilhaben – dem Renault R 4 mit Revolverschaltung oder an dem landauf und landab „besten Kartoffelsalat der Welt“ im Kurtenberger Bikertreff „Zu den vier Winden“ etwa. Ihm sei die selbst gemachte Melange aus Knollengemüse, Fleischwurst, Mayonnaise und ganz viel Geheimnis nachhaltig in Erinnerung geblieben. Da Clasen umringt von Bauernhöfen aufwächst, verwundert es nicht, dass sein Krimiautor Schaffrath hungrige Muttersäue zur Beseitigung von Leichen in Erwägung zieht.

Referenzen an Bob Dylan, H.G. Wells oder die Musik der Rheinbacher Schülerband „The Troop“, in der der spätere BAP-Gründer Wolfgang Niedecken mitspielt, ziehen sich wie ein roter Faden durch das Buch. Es sei zwar nicht überliefert, dass „The Troop“ beim Feuerwehrfest in Merzbach aufgetreten sind, wie im Buch beschrieben. Möglich sei es aber, wie Schaffrath vom Troop-Gitarristen Hein Pelzer erfahren hat. „Mir han üvverall jespillt“, lautet Pelzers Antwort.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort