Stolpersteine in Rheinbach Der jüdische Metzger verschwand eines Tages

Rheinbach · Insgesamt 14 Stolpersteine für Juden, die in Rheinbach lebten und während der NS-Herrschaft deportiert und ermordet wurden, verlegt der Aktionskünstler Gunter Demnig am Mittwoch, 21. Dezember, in Rheinbach.

Josef „Jupp“ Geisel gilt als „Prototyp des integrationswilligen deutschen Juden“, wie Horst Mies in seinem Buch „Sie waren Nachbarn“ aus dem Jahr 2002 schreibt. Der Rheinbacher Josef Geisel betreibt mit seiner Schwester eine Metzgerei an der Hauptstraße 50, in dem Gebäude, wo heute das Raiffeisenhaus zu finden ist. Er ist Mitbegründer des Rheinbacher Turnvereins (RTV) und Mitglied in dessen Vorstand. Er gehört dem Krieger- und Junggesellenverein, dem Männerchor, der Feuerwehr sowie dem Elferrat der Narrenzunft an. Eines Tages ist der Metzger verschwunden. In ein Arbeitslager nach Minsk deportiert, verliert sich im Sommer 1943 die Spur seines Lebens.

Am Mittwoch, 21. Dezember, verlegt Künstler Gunter Demnig unweit der früheren Geiselschen Fleischerei vier Stolpersteine für Regina, Hermann Josef, Selma und Max Geisel, die an der Hauptstraße 44 lebten.

Insgesamt 14 der zehn mal zehn Zentimeter großen Gedenksteine lässt der 68 Jahre alte Aktionskünstler ab 13.45 Uhr in den Bürgersteig ein. Die Verlegung beginnt mit einer kleinen Gedenkfeier, die um 13 Uhr im Foyer des Rheinbacher Rathauses losgeht. Schüler des Städtischen Gymnasiums bereiten einen Impuls vor.

Jupp Geisel ist bis heute im Stadtbild lebendig

Der Name von Jupp Geisel ist bis heute im Stadtbild lebendig, im Wohngebiet am früheren Jahn-Sportplatz trägt eine Straße seinen Namen. Weil sich die Kommune Ende der 20er-Jahre nicht in der Lage sieht, den Vereinen das Gelände für einen Sportplatz zur Verfügung zu stellen, geben Geisel und andere wohlhabende Rheinbacher dem Turnverein „erhebliche private Geldmittel“, damit dieser das Gelände dort kaufen kann. „Dat wor eijentlich jar keene richtige Jüd, dat wor en halwe Chris“, berichtete eine ehemalige Nachbarin über ihn.

Nach dem Ersten Weltkrieg bekommt er das Eiserne Kreuz als Auszeichnung. Und noch im September 1934 heftet der damalige Rheinbacher Bürgermeister Joseph Wiertz ihm eine Verdienstmedaille für 25-jährige Mitgliedschaft in der Feuerwehr ans Revers. Es ist der gleiche Bürgermeister, der sich im März 1942 damit brüstet, dass Rheinbach „wieder rassenrein“ geworden sei, weil die Juden alle fort seien.

Insgesamt ist für 36 Juden, die in Rheinbach ihren Wohnsitz hatten und während der NS-Herrschaft deportiert und ermordet wurden, die Verlegung von Stolpersteinen vorgesehen. Erst im September hatte der Rat mehrheitlich dafür gestimmt, Stolpersteine zu verlegen (der GA berichtete). Acht Jahre sind seit dem ersten politischen Vorstoß, auch in Rheinbach diese Form des Gedenkens an die Opfer des Naziregimes zu etablieren, ins Land gegangen. Mit 19 Ja- zu zehn Nein-Stimmen bei drei Enthaltungen hatte sich der Rat im dritten Anlauf nach 2008 und 2013 für die Verlegung entschieden.

Die Ablehner von Stolpersteinen hatten argumentiert, dass man Hausbesitzer nicht zwingen dürfe, Gedenksteine im Bürgersteig vor deren Gut und Boden zu installieren. Außerdem könnte ein Bezug hergestellt werden, dass der jetzige Besitzer, oder dessen Familie, vom Schicksal der jüdischen Vorbesitzer profitiert haben könnte.

36 Spender für die 36 Steine

Alle 36 Steine, die in der Glasstadt zu verlegen sind, haben übrigens bereits einen Spender gefunden, der die Finanzierung übernimmt, berichtet Peter Mohr, Rheinbacher Heimatforscher und einer der Triebfedern für die besondere Form des Gedenkens, im Gespräch mit dem GA. „Der Stadt Rheinbach entstehen somit durch die Verlegung der Stolpersteine keine Kosten“, weiß Mohr. Die Spender stammten nicht nur aus Rheinbach selbst, sondern etwa auch aus Bornheim oder sogar aus Kiel, sagt der frühere Marineoffizier und Kenner der Rheinbacher Historie.

Neben dem Haus der Familie Geisel sind am Mittwoch noch weitere Stationen vorgesehen. Vor dem Haus Hauptstraße 52 werden zwei Gedenksteine für Clementine und Hermann Klaber, den engagierten Sozialdemokraten und Kreistagsmitglied, in den Bürgersteig eingelassen. Von der Hauptstraße geht es dann ein paar Schritte weiter in die Langgasse. Am Haus Langgasse 11 verlegt Demnig acht weitere Steine für Josef, Else und Julie Oster sowie Otto, Ida, Ruth, Edith und Günther Marx.

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