Gefängnis in Rheinbach Baustelle hinter Mauern und Stacheldraht

Rheinbach · In der Rheinbacher Justizvollzugsanstalt entsteht für 31 Millionen Euro der neue C-Flügel. Der Zugang zur Baustelle erfolgt über einen eigenen, gut gesicherten Eingang. Reste des alten Gebäudeflügels wurden recycelt und werden beim Neubau mit verarbeitet.

 JVA wird vergrößert und bekommt einen Anbau. Die Vergitterungen für die fenster werden in der Schlosserei der JVA hergestellt

JVA wird vergrößert und bekommt einen Anbau. Die Vergitterungen für die fenster werden in der Schlosserei der JVA hergestellt

Foto: Axel Vogel

Ein meterhoher „Berg von Arbeit“ türmt sich vor Silvio Theissen und seinen Arbeitskollegen auf. Rund 3500 Kubikmeter umfasst die Anhäufung, die mit Hilfe großer Baumaschinen fast so hoch angewachsen ist wie die fast sechs Meter hohe Mauer daneben, die die ungewöhnliche Baustelle an der Aachener Straße in Rheinbach umgibt. Dass auf der Umwehrung noch allerlei Stacheldrahtrollen, Kameras und Sensoren verbaut sind, lässt erahnen, wo Silvio Theissen gerade die Kanzel seines gelben Baukrans in rund 32 Metern Höhe erklimmen will: in der Rheinbacher Justizvollzugsanstalt (JVA). Für 31 Millionen Euro entsteht der neue C-Flügel des Gefängnisses.

„Ich habe in meinem Leben schon viele Baustellen gesehen – Flughäfen, Einkaufszentren. Aber ein Gefängnis war noch nicht darunter“, berichtet der Kranführer, der sich an diesem kalten Oktobermorgen freut, dass es eine Heizung in seiner Krankanzel gibt. Dass einige der Sicherheitskameras auf den provisorischen Außenwänden direkt auf die Baustelle gerichtet sind, um auch das in der Region einzigartige Baufeld hinter hohen Mauern permanent in Augenschein zu nehmen, stört die Bauleute keineswegs.

Der Zugang zur Baustelle erfolgt über einen eigenen, gut gesicherten Eingang. Für diese Zusatzschleuse waren im Februar dieses Jahres eigens zwei Mauerstücke aus der Außenumwehrung mit Spezialsägen gelöst und von Schwerlastkränen angehoben worden (der GA berichtete). „Wenn alle Bauleute und Lastwagen über die Schleuse der JVA kommen würden, ginge in der Anstalt gar nichts mehr“, sagt Werner Mohr, Projektverantwortlicher beim Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) NRW für das Großprojekt, im Gespräch mit dem GA.

Der große Hügel ist übrigens nichts anderes als der Überrest des jüngst abgerissenen, 102 Jahre alten C-Flügels – frisch recycelt und von Schadstoffen und Wiederverwertbarem befreit. „Wir schmeißen nichts weg“, berichtet Paul Pruß, Leiter der Bauverwaltung der JVA Rheinbach. Immerhin bestanden die alten Mauern dieser Gefängnissektion aus gutem „Preußischem Feldbrandstein“, weiß Pruß. „Viel zu schade zum Wegwerfen.“ Die 3500 Kubikmeter an Überresten der alten Mauern dienen somit zum Neubau der neuen Hafträume. „Das brauchen wir alles“, sagt er beim Anblick der stattlichen Anhöhe.

„Es war für die Bediensteten ein wehmütiger Tag, als der alte C-Flügel abgerissen wurde“, berichtet Annette Emschermann, stellvertretende Anstaltsleiterin der JVA. „Schließlich war er für viele Kollegen ein berufliches Zuhause. Den Gefangenen war es eher egal“, berichtet die Vizechefin über die Gefühlswelten hinter den hohen Mauern, als die Abrissbagger bis vor wenigen Tagen ihre Arbeit taten.

Die Sanierung des 102 Jahre alten Gebäudeteils hätte „nicht viel Sinn ergeben“, findet Mohr. Dass jetzt 31 Millionen Euro für den neuen Gefängnisflügel verbaut werden, hat Folgen: Die Kapazität der Rheinbacher Anstalt erhöht sich von rund 545 auf 601 Gefangene. Während der Bauarbeiten leben allerdings nur 343 Insassen in der JVA, schließlich fehlen die Hafträume der abgerissenen Gebäudesektion. „Um die Auslastung unserer Anstalt machen wir uns keine Sorgen“, berichtet Emschermann. „Das Land kann gut neue Haftplätze brauchen.“ Im neu entstehenden Zellentrakt sind die Hafträume mit bis zu 11,5 Quadratmetern bemessen, anstatt wie bisher 7,7 Quadratmetern. Die installierte Nasszelle ist vom eigentlichen Haftraum ein wenig abgetrennt. Die Fenster sind größer und eher in Augenhöhe angebracht. „Die Sanitärzelle besteht aus einer Toilette und einem Waschbecken – keine Dusche oder Extras“, sagt Emschermann.

Die Baukosten seien auch deswegen so hoch, da im Justizvollzug nun ganz andere Vorgaben vorherrschten – etwa beim Brandschutz oder der Zellengröße. „Es freut mich, dass es heute undenkbar ist, Gefangene so unterzubringen, dass sie nicht aus dem Fenster schauen können“, so die Vizeanstaltsleiterin. Das sei „gut fürs Klima“ in der Anstalt.

Ende 2018 sollen die neuen Hafträume „bezugsfertig“ sein, hoffen Emschermann, Mohr und Pruß. Die drei hätten nichts gegen einen milden Winter. „Der brächte uns schneller voran“, sagt Werner Mohr. Allerdings entstehe der neue Gefängnisbau zum Teil aus Fertigbauteilen. „Da sind wir nicht so ganz von der Witterung abhängig.“

Zwischenzeitlich ist Silvio Theissen in seiner Kanzel hoch oben auf dem Kran angekommen. Aus dieser Position hat er etwas, was den Häftlingen nicht möglich ist: Er kann in 32 Metern Höhe über den Rand der sechs Meter hohen Baustellenmauer und acht Meter hohen Gefängnisumwehrung blicken – ein Blick in die Freiheit.

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