Rheinlandtaler des Landschaftsverbands Rheinland Auszeichnung für engagierten Rheinbacher

Rheinbach · Peter Mohr aus Rheinbach erhält am Donnerstag den Rheinlandtaler des Landschaftsverbands Rheinland. Der pensionierte Soldat hat mit dazu beigetragen, dass es in der Stadt "Stolpersteine" gibt.

Beharrlichkeit zeichnet Peter Mohr aus. Wenn dem früheren Kapitän zur See der Bundesmarine eine Sache missfällt, mag sich der 82 Jahre alte Rheinbacher mit diesem Zustand nicht abfinden. Acht Jahre dauerte es etwa bis sich der Rheinbacher Rat mehrheitlich dazu durchrang, dass Stolpersteine zur Erinnerung an ermordete Rheinbacher Juden vor den Häusern verlegt werden dürfen, in denen die Mordopfer vor ihrer Deportation lebten. „Meine Frau sagt einfach: Komm hoch aus dem Sessel“, berichtet Mohr im Gespräch mit dem General-Anzeiger. Er kommt aus dem Sessel: Immer wieder steht er auf, um dafür zu werben, die Erinnerung an die Gräueltaten der Nationalsozialisten – vor allem in der Region – nicht mit einem Schlussstrich versehen zu wollen. Für sein vielfältiges Engagement gegen das Vergessen erhält er jetzt den Rheinlandtaler des Landschaftsverbands Rheinland.

Mancher mag eher gedankenverloren die kleine Tafel an der Schweigelstraße, die an den Standort der früheren Rheinbacher Synagoge erinnert, passieren. Dass Ende der 80er Jahre dort ein Schild angebracht werden soll, das eher auf das zerstörte Gebäude Bezug nimmt und weniger auf die ermordeten jüdischen Mitbürger, ist für den in Kiel geborenen Marinesoldaten Anlass, sich intensiv mit der Historie Rheinbachs zu befassen. „Ich wollte den ermordeten Menschen, ihren Namen wiedergeben“, berichtet Mohr. Zusammen mit Gymnasiallehrer Horst Mies beginnt Mohr damit, über das Leben der Rheinbacher Juden zu forschen.

50 Zeitzeugen aus Rheinbach befragt

Obgleich die Nazis kurz vor Kriegsende das Rathaus in Brand stecken, um möglichst viele Dokumente zu vernichten, entdecken Mies und Mohr – dank preußischer Genauigkeit des Beamtenapparates – im Bundesarchiv die gesuchten Geburts- und Sterberegister. Etwa 50 mittlerweile größtenteils verstorbene Zeitzeugen aus Rheinbach befragen sie.

Ihre Forschungen sind Grundlage dafür, dass auch die Geschichte der 36 Juden aufgearbeitet werden kann, derer nach zähmen Ringen und langem politischen Streit mit Stolpersteinen gedacht wird. 2008 lehnt der Rat das Vorhaben mehrheitlich ab, 2013 kommt es bei der Abstimmung zum Patt. „Wer ein Unentschieden erzeugt, hat schon verloren“, findet Mohr. Doch: Beharrlichkeit zahlt sich aus. Das Engagement der Initiative „Rheinbacher Bürger für Stolpersteine“ führt dazu, dass sich 2016 im Rat eine „hinreichende Mehrheit“, wie Mohr es nennt, findet, die der Verlegung zustimmt. Für Freitag, 25. Mai, ist vorgesehen, dass Künstler Gunter Demnig die letzen 14 Stolpersteine in Rheinbach verlegt – erneut allesamt mittels Patenschaften finanziert.

Bereits 2002 gehört Mohr zu den prägenden Initiatoren einer Gedenkstätte im Lichthof des Rathauses für die von Nazis deportierten und getöteten Juden. Diese gestaltet er ebenso mit, wie die im Juni 2017 eingeweihte Gedenkstelle für drei kurz vor Kriegsende hingerichtete Zwangsarbeiter aus der Ukraine im Stadtpark – dem Ort, an dem die wegen Nichtigkeiten zum Tode verurteilten Minderjährigen öffentlich gehängt wurden.

"Wer das Gestern nicht kennt, weiß nicht, was morgen kommen kann"

Ein wichtiges Anliegen ist dem steten Mahner gegen das Vergessen, dass bei den Gedenkstunden in Rheinbach, etwa zum Holocaust-Gedenktag am 27. Januar, nicht nur „Redner mit grauen Haaren“, wie er sagt, sprechen, sondern vor allem Jugendliche, die sich mit der Historie vor ihrer Haustüre beschäftigt haben. Oft erzeugen die von Rheinbacher Schülern vorgetragenen Gedanken und Theatersequenzen eine nachhaltige Gänsehaut bei den Zuhörern.

Sein eigenes Handeln richtet Peter Mohr stets an einem Satz aus, den er bei dem Philosophen Ernst Bloch vorgefunden hat: „Wer das Gestern nicht kennt, weiß nicht, was morgen kommen kann“, zitiert Mohr den Philosophen. Wenn auch Dinge wie die Errichtung eines Ukrainerdenkmals oder dem positiven Votum für Stolpersteine geschafft sind, denkt Mohr nach eigenem Bekunden noch nicht daran, die Stimme zur Mahnung nicht mehr zu erheben. So möchte er zur Erforschung eines Erschießungsplatzes im Stadtwald ebenso seinen Beitrag leisten, wie der weiteren Aufarbeitung des Schicksals von Friseurmeister Karl Anton Degen, dem einzigen Nicht-Juden aus Rheinbach, der in ein KZ deportiert und dort ermordet wurde.

Den Rheinlandtaler bekommt Peter Mohr am Donnerstag, 19. April, um 16 Uhr im Rathaus überreicht. Die Feierstunde ist für geladene Gäste.

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