Kinoklassiker in Rheinbach Auf Zeitreise mit dem müden Tod

Rheinbach · Sie spielen alles live: Komponist Wilfried Kaets, der Musiker Norbert Krämer und der Stummfilmtechniker Joachim Steinigeweg präsentierten einen Stummfilmklassiker von Fritz Lang in der Rheinbacher Pfarrkirche Sankt Martin.

Mit standardisiertem Filmkonsum in modernen, klimatisierten Kinopalästen hat die Aufführung eines Stummfilmklassikers ohnehin nicht viel gemein. Noch größer werden die Unterschiede, wenn das Lichtspielhaus in Wahrheit eine Kirche ist und die Musik nicht vom Band kommt, sondern live gespielt wird. Ein solches Kinoerlebnis haben der Komponist Wilfried Kaets, der Musiker Norbert Krämer und der Stummfilmtechniker Joachim Steinigeweg einem begeisterten Publikum in der Rheinbacher Pfarrkirche Sankt Martin beschert.

Die Bilder von Fritz Langs „Der müde Tod“ wurden per Orgel, Marimbaphon und Schlagwerk vor Ort vertont. Dabei beeindruckte, neben einer bemerkenswerten Synchronität von Musik und Bild, vor allem die Kraft der Akustik, die durch die Kirchenarchitektur begünstigt wurde und jeden Kinosound in den Schatten stellte.

Wo sonst Gottesdienste gefeiert werden, ließen sich rund 70 Zuschauer auf eine cineastische Zeitreise ein, die ins Jahr 1921 führte – jenem Jahr, aus dem Langs Geschichte über Tod und Liebe stammt und in dem der Regisseur seinen künstlerischen Durchbruch schaffte. Die dazu passenden Klänge, so Kaets vor Beginn der Aufführung, wurden im Jahr 1995 komponiert. „Sie sollen einer Vertonung, wie sie 1921 stattgefunden hat, möglichst nahekommen“, führte der Komponist aus.

Nichtsdestotrotz sollte sich herausstellen, dass die Rheinbacher Stummfilm-Renaissance auch humorvolle Anspielungen für ein jüngeres Publikum bereithielt. Dass sie den Zuschauern nicht entgingen, war angesichts der spürbaren Faszination in den Reihen keine Überraschung. Andächtig blickten die Kinofans für 92 Minuten auf die Leinwand vor dem Altarbereich, versuchten die handkalligraphierten Zwischentitel zu entziffern und lauschten der Filmmusik in ihrem Rücken. Herrschte für kurze Augenblicke einmal Ruhe, durften sich die Kinoliebhaber über das flatternde Rattern eines alten Projektors freuen.

Als die Geschichte vom Tod, der seines Amtes müde geworden ist, zu Ende erzählt war, brandete in der Pfarrkirche Sankt Martin lang anhaltender Applaus auf. Während im Kino beim Abspielen der Besetzung fluchtartig die Ausgänge gestürmt werden, bekamen „die Gestalten des Spiels“ hier noch einmal die Gelegenheit, sich vor ihrem Publikum zu verneigen – und zu testen, wie aufmerksam es ihnen gelauscht hatte.

„Wir haben zwei moderne Stücke in die Musik integriert. Hat sie jemand erkannt?“, fragte Kaets neugierig. Auf eine Antwort musste er an diesem Abend nicht lange warten. „Das waren 'Über den Wolken' von Reinhard Mey sowie die Titelmelodie aus 'Bonanza“, erwiderte ein Zuschauer prompt. Er hatte recht.

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