Interview mit dem Kabarettisten Wilfried Schmickler „Man kann eine Witzfigur nicht parodieren“

Rheinbach · Gespräch am Wochenende: Wilfried Schmickler über die Bundestagswahl, die "Mitternachtsspitzen, sein Gastspiel in Rheinbach und den Fußball.

 Am Samstag, 7. Oktober, kommt der Kölner Kabarettist Wilfried Schmickler nach Rheinbach.

Am Samstag, 7. Oktober, kommt der Kölner Kabarettist Wilfried Schmickler nach Rheinbach.

Foto: Ilona Klimek

Die einzige gute Nachricht der Bundestagswahl lautet: Wilfried Schmickler darf in den „Mitternachtsspitzen“ weitere vier Jahre als Angela Merkel glänzen. Diese Konstante freut Sie gewiss – in solch wechselhaften Zeiten?

Wilfried Schmickler: Meine Frau mag es gar nicht, wenn ich als Merkel glänze. Es war abzusehen, dass sie uns noch eine Weile begleitet – für zwei Jahre mindestens. In der Mitte hört sie auf, denke ich.

Wie bewerten Sie, was die Deutschen gewählt haben?

Schmickler: Ich hatte mit diesem Ergebnis gerechnet. Dass die AfD auf 13 Prozent kommt, hat mich erschreckt, ich hatte mit um die zehn gerechnet. Erschreckt bin ich, dass sie nicht nur im Osten, sondern auch in vielen westdeutschen Städten auf 20 Prozent kommt. Das muss einem zu denken geben. Gerade denjenigen, die sich in den vergangenen Jahren satirisch und kabarettistisch an der AfD abgearbeitet haben. Auch die müssen sich fragen, ob sie da nicht die falschen Töne getroffen haben. Weil es ja scheinbar nichts genützt hat.

Der Bonner Politikwissenschaftler Volker Kronenberg erklärte dem GA kurz nach der Wahl, dass sich die AfD nun, da sie als Fraktion funktionieren muss, entzaubern werde. Teilen Sie diese Auffassung?

Schmickler: Ach, nee. Das ist so ein eingeschworener Haufen. Es kann sein, dass sich durch die Weigerung von Frauke Petry, in der Bundestagsfraktion mitzumachen, so ein kleines Häufchen abspaltet. Aber ich glaube, die große Masse der Abgeordneten wird zusammenhalten wie Pech und Schwefel – wie es bei solchen Kameradschaften üblich ist. Die ziehen das Ding eisenhart durch. Da mache ich mir gar keine Hoffnung, dass die sich selber zerlegen. Aber ich bin kein Politikwissenschaftler. Ich betrachte Politik nicht als Wissenschaft, ich verfolge sie emotionaler und aus dem Bauch heraus.

Das Wort Jamaika weckt Assoziationen: Politik unter Palmen und – dank der Grünen – legaler Cannabiskonsum. Glauben Sie, dass Jamaika gelingen kann?

Schmickler: Furchtbar. Wenn ich mir vorstelle, dass jetzt vier Jahre lang Merkel mit Rastamützchen und Joint in den Medien auftaucht und dauernd wird Reggae gespielt im Hintergrund – also ich finde es furchtbar. Ich fand GroKo schon schlecht. Dass jetzt in jedem Bericht, jeder Satire und jeder Karikatur dieses Jamaika-Motiv auftaucht: Ich habe richtig Angst davor. Ich werde es auf jeden Fall nicht benutzen. Man sollte die Dinge so nennen, wie sich sind: eine Koalition aus CDU/CSU, FDP und Grünen. Alles andere ist Folklore.

CSU-Spitzenkandidat Joachim Herrmann hat in der Elefantenrunde gewarnt, der AfD zu viel Aufmerksamkeit zu schenken. Gibt es in der Requisite der „Mitternachtsspitzen“ schon Gaulands grüne Krawatte mit gelben Hunden, um im Zusammenspiel mit Alice Weidel als „Überschätztes Paar der Weltgeschichte“ zu glänzen?

Schmickler: Ja, wir arbeiten dran. Aber ich glaube nicht, dass Uwe Lyko sich das antut, den Gauland zu parodieren, weil es Sachen gibt, die sind nicht zu parodieren. Wir haben es mit Trump versucht und sind gescheitert, weil man eine Witzfigur nicht parodieren kann. Das ist einfach unmöglich, eine in sich komische Figur noch komischer zu machen, als sie ist. Da muss man dran scheitern. Ich würde mir auch nicht zutrauen, Alice Weidel nachzumachen. Aber: Man soll nichts ausschließen.

Während des Wahlkampfs war viel von den „Unentschlossenen“ die Rede, die nicht wissen, was sie wählen. Was macht uns zu einem Volk der Unentschlossenen?

Schmickler: Ich glaube, dass die Zuspitzung für denjenigen, der sich nicht täglich mit Politik beschäftigt, nicht einfach war, dieses Mal eine Entscheidung zu treffen. Ich habe die Unentschlossenen noch nie verstanden. Man hat vier Jahre Zeit, sich ein Urteil zu bilden. Da kann ich doch nicht in den letzten Wochen panisch werden und nicht wissen, was ich wählen will.

Wer heutzutage alles mitbekommen will, muss auf vielen Kanälen unterwegs sein: Fernsehen, Privatfernsehen, Pay-TV, Streamingdienste, Zeitungen, Facebook, Twitter... Wo findet ein Kabarettist vom Schlage eines Wilfried Schmickler seine treffsichersten Pointen?

Schmickler: Die finde ich, indem ich mich hinsetze und in Ruhe die Fakten sortiere, und hoffe, dass mir was einfällt. Die Schnelllebigkeit, die das Internet produziert, liegt mir gar nicht. Ich lese Zeitung und bin nicht im Internet unterwegs. Es ist natürlich für uns Kabarettisten und alle, die Pointen suchen, ungeheuer schwer geworden: Wenn jetzt eine Schlagzeile gemeldet wird, ist eine halbe Stunde später das Netz voll mit einer Million Karikaturen, Pointen und Kommentaren. Wenn man die alle liest, denkt man: Jetzt brauchst du nichts mehr zu machen. Insofern verlasse ich mich lieber auf eigene Ideen – und hoffe, dass ich welche habe.

Wenn Sie zu den „Mitternachtsspitzen“ in den Alten Wartesaal wollen, ist die Anfahrt von der Kölner Südstadt aus überschaubar. Auf Tournee kommen da ein paar Kilometer mehr zusammen. Mögen Sie es, auf Tour zu sein – wie jetzt mit „Das Letzte“ in Rheinbach?

Schmickler: Überhaupt nicht. Weil ich aufs Auto angewiesen bin und in der Regel nicht mehr zurückkomme mit dem Zug – je nachdem, wo wir spielen. Auto fahren ist im Moment das Schrecklichste, was ein Mensch tun kann. Wenn man sich so richtig die Laune vermiesen will, fährt man auf eine Autobahn. Ich meine noch nicht mal die vielen Baustellen und die maroden Brücken. Ich meine diese Aggressivität und Rücksichtslosigkeit, die sich in den vergangenen Jahren in unserer Gesellschaft, aber vor allem auf den Straßen breitgemacht hat. Das Klima ist sehr rau geworden in unserer Gesellschaft. Das hat wohl auch mit dem Erstarken der AfD zu tun. Und da müssen wir was gegen tun.

Kommen wir zu was Erfreulichem: Fußball.

Schmickler: Da fragen Sie den Richtigen. Ich bin ja Leverkusener. Ein Leverkusener in Köln. Aber im Moment ist es kleinlaut geworden in meinem Umfeld. In der Vorsaison war es kaum zu ertragen.

Das kann ich mir vorstellen. Erklären Sie einem passionierten, wenn auch wegen vieler Abstiege nicht fanatischen FC-Fan, warum Sie der Werkself die Treue halten?

Schmickler: Das ist ja ganz einfach: Ich bin da geboren und sehe nicht ein, dass ich das leugnen soll, nur weil ich woanders wohne. Das war immer der Verein, zu dem man als Kind aufgeschaut hat, und das wird so bleiben. Ich bin gar nicht so ein fanatischer Fußballfan, habe Freude, wenn ein gutes Spiel läuft, und kann auch verlieren. Umso bitterer ist es, zu sehen, wie dieses Spiel momentan derart kommerzialisiert wird, sodass es gar keine Freude mehr macht, zuzusehen. Es ist zu viel, zu teuer und hat zu wenig mit den Herzen der Zuschauer zu tun.

Karten gibt es ab 27,55 Euro in den Geschäftsstellen des General-Anzeigers und unter www.bonnticket.de.

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