Schulleiter in Rheinbach nimmt Abschied „Ich lehne G8 völlig ab“

Rheinbach · Nach 18 Jahren als Rektor des Sankt-Joseph-Gymnasiums verlässt Hans Rieck die Schule am Stadtpark. Feierliche Verabschiedung von der Schulgemeinschaft am Freitag.

 Hans Rieck geht in den Ruhestand: Oberstudiendirektor Hans Rieck vom Sankt Joseph Gymnasium geht in den Ruhestand

Hans Rieck geht in den Ruhestand: Oberstudiendirektor Hans Rieck vom Sankt Joseph Gymnasium geht in den Ruhestand

Foto: Roland Kohls

Vielstimmige Vogelgesänge erfüllen den ganzen Raum. Nach dem Ende der siebten Stunde am Sankt-Joseph-Gymnasium (SJG) verliert der mitunter hektisch anmutende Betrieb einer Schule mit 970 Mädchen und Jungen hörbar an Drehzahl und Dezibel – nicht so im Schulleiterzimmer von Hans Rieck. In dem zum Rheinbacher Stadtpark liegenden Büro ist neben dem Schreibtisch auch der runde Konferenztisch mit vielen Papieren, dicken Aktenordnern und Arbeitsmappen gefüllt. Auf den nahenden Ruhestand des Oberstudiendirektors weist hier nichts hin. „Es stehen noch viele Entscheidungen fürs kommende Schuljahr an. Es besteht keine Chance, es austrudeln zu lassen“, sagt Rieck, der am Freitag von der Schulgemeinschaft und Gästen feierlich verabschiedet wird.

„Dass es hier so schön ist, begünstigt unsere Arbeit“, findet der 63-Jährige. Atmosphäre spiele in einer Schule eine sehr große Rolle: „Schüler sollen eine Schule nicht nur erträglich finden, sondern sich wohlfühlen.“ Seit 18 Jahren ist Rieck in leitender Funktion in dem von einer Vielzahl hoher Bäume umstandenen, altehrwürdigen Gebäude tätig, welches viele nach wie vor nur Lyzeum nennen. „Da war kein einziges langweiliges Schuljahr dazwischen“, erinnert sich der Mathematik- und Geschichtslehrer. Als er vor fast zwei Jahrzehnten an die Schule kam – zuerst zwei Jahre als stellvertretender Schulleiter –, oblag die Trägerschaft noch den Schwestern Unserer Lieben Frau. Es ist jener Orden, der die Schule 1911 gründete und 88 Jahre trug.

Der Trägerwechsel im Jahr 1999 hin zum Erzbistum Köln habe nicht dazu geführt, dass die Schule – damals ein Mädchengymnasium – an Bedeutung verloren habe. „Vielmehr sind wir Teil eines großen Verbundes von freien katholischen Schulen geworden, von dem wir profitieren.“ Keine Frage: In Schulen ist die Veränderung der ständige Begleiter.

Somit macht Rieck im Rückblick drei Phasen seiner Schulleiterzeit aus: Die erste sei von einer Identitätsfindung geprägt gewesen. „Wir sind nicht 'das Mädchengymnasium', nicht 'der Nonnenbunker', nicht 'das Lütz', sondern haben einen Namen – Sankt Joseph – und viele Stärken, die wir als mittlerweile erzbischöfliche Schule nach außen tragen wollen“, sagt der Vater von drei erwachsenen Kindern. Die zweite Phase anno 2005 ist mit dem für manche bis heute als bedrohlich empfundenen Begriff G8 gekennzeichnet – ein Gymnasium, welches seine Schüler nach acht statt neun Jahren zum Abitur führt. „Ich lehne G8 völlig ab, aber für uns hieß die Veränderung, das Beste daraus zu machen, die Schüler zu begleiten und nach wie vor für eine entspannte Atmosphäre zu sorgen.“ Ein Beispiel für diese bis heute manifestierte Kultur sei der bewertungsfreie Projektunterricht in Klasse acht.

Bedeutende Veränderungen gehen auch mit Phase drei einher: mit der Aufnahme von Jungenklassen im Jahr 2012, nachdem das benachbarte Vinzenz-Pallotti-Kolleg (VPK) 2011 bekannt gab, in absehbarer Zeit zu schließen. Mit dem Leitspruch „Wir wollen neue Stärken gewinnen, ohne alte zu verlieren“ sei der Übergang zum Gymnasium für Mädchen und Jungen gelungen, findet Rieck. „Das haben wir weitgehend geschafft, mittlerweile herrscht eine wunderbare Normalität im Nebeneinander der Jungen und Mädchen.“

Ebenso wuchsen die Kollegien von VPK und SJG immer mehr zusammen. „Wir sind stolz darauf, diesen Veränderungsprozess bewältigt zu haben.“ Was bleibt, ist, dass die SJGler von Klasse 5 bis 9 gemäß dem Prinzip der parallelen Mono-Edukation nach Geschlechtern getrennt unterrichtet werden. In der Oberstufe wird die überwiegende Zahl der Grund- und Leistungskurse gemischt unterrichtet.

So offen wie sein Fenster zum Stadtpark zum Atemschöpfen sei stets seine Tür gewesen: „Mir ist die offene interne Kommunikation wichtig; dazu gehört es auch, eine im positiven Sinne verstandene Meckerkultur zuzulassen“, sagt Rieck. Und: „Ich halte es für eine Form von Stärke, dass man sich kompetente Leute ins Boot holt und ihnen Raum zum Wachsen lässt.“ Bei aller Veränderung habe sich die Beziehung zu den Menschen an der Schule in fast 20 Jahren am wenigsten verändert.

Am Montag nach den Sommerferien werde er gewiss mit einem sonderbaren Gefühl erwachen. „Mein Leben wird ausgefüllt bleiben. Aber zunächst lasse ich mir ein paar Monate Zeit, in denen ich Pläne entwickeln werde.“ So plant er, zum ersten Mal seit Jahrzehnten außerhalb der Schulzeit zu verreisen. Sein Rennrad und seine Joggingstrecke werden ihn von nun an häufiger zu Gesicht bekommen.

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