Widerstand in Meckenheim

Kirchenvorstand von Sankt Johannes der Täufer will dafür kämpfen, dass die Amtsenthebung von Pfarrer Michael Jung zurückgenommen wird - Auch der Geistliche gibt nicht klein bei und widersetzt sich

Widerstand in Meckenheim
Foto: Volker Lannert

Meckenheim. Sonntagmorgen vor der Messe in der Pfarrkirche Sankt Johannes der Täufer. Die Gottesdienstbesucher drängen sich vor dem Schaukasten mit den Nachrichten aus der Pfarrgemeinde, lesen und diskutieren. Thema: die Amtsenthebung von Pfarrer Michael Jung durch Kardinal Joachim Meisner. Die Begründung: Jung sei illoyal und habe eine Visitation seines Seelsorgebereichs verweigert.

Der Kirchenvorstand hat eine Stellungnahme im Schaukasten ausgehängt. Darin ist von einem "befremdlichen Vorgehen" die Rede, sowohl was den inhaltlichen als auch den zeitlichen Ablauf dieser Entscheidung betrifft.

Pfarrer Jung habe engagiert versucht, sowohl die Interessen des Bistums als auch der Pfarrgemeinde wahrzunehmen. Die Entscheidung zu seiner Amtsenthebung sei mit dem Kirchenvorstand nicht besprochen worden. Sie beschädige nicht nur das Ansehen des Pfarrers, sondern auch das der Kirche. Der Kirchenvorstand will dafür einzutreten, dass die Entscheidung zurückgenommen wird.

Die Spannung der Gläubigen ist spürbar, als sie sich in der Kirche versammeln. Ein Sprecher des Erzbistums hatte angekündigt, es solle ein Proklamandum verlesen werden. Das bleibt jedoch aus, und viele Kirchgänger bedauern dies: Sie wünschten sich eine Erklärung des Kardinals, die zum Verständnis dieses schwerwiegenden Schritts beitragen könnte.

Ein den meisten unbekannter Pfarrer - Franz Winterscheidt aus Rheinbach - wird das Hochamt an diesem Morgen in Sankt Johannes der Täufer zelebrieren, begleitet von zwei Seelsorgern aus Ghana. Zu Beginn kündigt er an, dass er "das Meckenheimer Anliegen" mit in die Messfeier nehmen werde. Allerdings feiere die katholische Kirche das Fest "Kreuzerhöhung", dieses Kreuz spanne sich weit über die Weltkirche und relativiere schon allein dadurch "kirchlichen Provinzialismus".

Für seine Predigt hat der Pfarrer das Beispiel eines Ferienlagers in Tirol gewählt, bei dem sich eine Bergwanderung mit den Kindern als zu lang und zu anstrengend erwiesen habe. Diese Fehleinschätzung der Betreuer habe "die Stimmung vergiftet". Ähnlich sei die Situation bei der Wanderung der Israeliten ins gelobte Land gewesen. Auch hier sei die Atmosphäre vergiftet worden.

Die Schlange, die Moses auf einen Stab gesetzt habe, stehe dafür, dass man sich nicht durch das Gift beherrschen und besiegen lassen dürfe, sondern durch den aufrichtigen Glauben zu einem neuen Geist, einem neuen Aufbruch und neuer Zusammengehörigkeit finden müsse.

Eine Lehre, die auch in die Gemeindesituation in Meckenheim hineinreiche, sagt Winterscheidt. Das Verhältnis zwischen Pfarrer und Bischof könne lähmen, Sand ins Getriebe der Gemeinde bringen. "Ich würde am liebsten auch eine Kupferschlange an einer Stange aufhängen und sagen: Lasst euch nicht lähmen und irre machen durch die innerklerikale Krise", appelliert er an die Gemeinde.

Er fordert sie auf, weiter zu schauen und miteinander die Krise konstruktiv zu lösen. Nicht Priester und nicht Bischöfe seien die letzte Station, sondern Christus müsse Raum gegeben werden. Die Kirche sei ohnehin schon gelähmt genug, da müsse nicht noch ein Konflikt, wie er in Meckenheim derzeit ausgetragen werde, hinzukommen. Die Kirchgänger applaudierten dem Geistlichen minutenlang.

Was Winterscheidt mit seiner Aussage "Der Pfarrer ist noch da" meint, erschließt sich den Meckenheimern nicht - nun aber den Gläubigen in Sankt Michael Merl und in Sankt Lüfthildis Lüftelberg: Der vermeintlich mit sofortiger Wirkung seines Amtes enthobene Michael Jung feiert mit ihnen die 11-Uhr-Messe und tauft ein Kind.

Pfarrverweser

Der Erzbischof hat Bernhard Auel, Kreisdechant in Euskirchen, als Pfarrverweser in Meckenheim eingesetzt. Pfarrverweser ist die Bezeichnung für einen Geistlichen, der hauptamtlich einer anderen Tätigkeit nachgeht, aber zeitweilig oder ohne zeitliche Begrenzung das Amt des Pfarrers für eine Gemeinde ausübt.

In den Aufgabenbereichen unterscheiden sich Pfarrverweser und Pfarrer kaum, der Unterschied besteht im Verhältnis zur Gemeinde: Pfarrverweser zu sein, bedeutet eine provisorische Stellung.

Lesen Sie dazu auch: Kardinal Meisner enthebt Pfarrer Michael Jung des Amtes

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