GA-Serie "Mobil in der Region" Staualltag zwischen Meckenheim und Beuel

Costa Kerasovitis ist Fahrer einer Großbäckerei. Täglich transportiert er ofenfrische Waren durch die Region. Auf den Straßen droht ständig Stau, deshalb kalkuliert er Umwege ein. Seine gute Laune vergeht ihm dabei nicht.

 Ausliefern und gleich wieder los: Alltag für Costa Kerasovitis (links).

Ausliefern und gleich wieder los: Alltag für Costa Kerasovitis (links).

Foto: Mario Quadt

Der siebtbeliebteste Tag der Woche beginnt oft sehr früh für Costa Kerasovitis. Der Montag ist gerade eine Stunde alt, da reißt der Wecker den 44-Jährigen aus allen Träumen. Um ein Uhr in der Früh ist für den Beueler die Nacht vorbei. Frisch geduscht und fröhlich pfeifend – leise, um die Kinder nicht zu wecken – schleicht er sich aus dem Haus und fährt über menschenleere, sonst dauerverstopfte Straßen von der rechten Rheinseite nach Meckenheim. An der Mühlgrabenstraße im Industriepark Kottenforst steigt ihm bereits ein betörender Duft in die Nase: frisches Backwerk, das gerade aus dem Ofen kommen. Costas Aufgabe ist, die noch warmen Waren zu den Filialen und Kunden der Stadtbrotbäckerei Rott zu chauffieren – kein leichtes Unterfangen in einer Region, die mit Dauerstau zu kämpfen hat.

„Im Moment stehen wir jeden Tag im Stau“, berichtet Domenik Rott, der in fünfter Generation das Traditionsunternehmen führt. „Die vielen Staus kosten uns viel Zeit“, sagt er, während Costa und sechs weitere Fahrer ihre Fahrzeuge beladen. Nach Berechnungen der Handwerkskammer zu Köln entstehen Betrieben im Raum Köln/Bonn jährlich Kosten in Höhe insgesamt von 240 Millionen Euro, weil ihre Fahrzeuge im Stau stehen.

Um 4.15 Uhr verlassen die ersten Lieferwagen mit frischen Back- und Konditorenwaren die Mühlgrabenstraße. „Um diese Zeit ist kaum einer auf der Straße“, weiß Rott. 17 Filialen und 16 Lieferkunden gilt es zu beliefern. „Schwieriger wird die zweite Tour.“ Die beginnt um 8.15 Uhr. Costa fährt heute diese Route, anstatt die frühere. „Wir haben überlegt, früher mit der Produktion anzufangen“, sagt Produktionsleiterin Barbara Krziskewitz. Jedoch: Im Bäckerhandwerk ist der Faktor Frische ein wichtiges Verkaufsargument. „Wenn wir zwei Stunden früher backen, liefern wir zwei Stunden ältere Waren aus“, meint Krziskewitz. Darum müssten die Überlegungen, dem Stau durch Produktionsverlegungen ein Schnippchen zu schlagen, sorgfältig abgewogen werden, so Juniorchef Domenik Rott. Was er nicht sagt: Wenn die Mitarbeiter zu früherer Stunde arbeiten, fallen für den Arbeitgeber mehr Kosten durch Zuschläge an.

„Komm, steig ein“, ruft Costa derweil und zieht seine Handschuhe aus. Sein Wagen ist gefüllt mit frischem Erdbeerkuchen, Bienenstich sowie diversen Brötchen, Broten und anderen Leckereien. Obgleich im Radio die Staumeldungen am Montag gegen 8 Uhr nichts Gutes verheißen, lässt Costa in seinem Wagen keine schlechte Laune mitfahren. „Die Baustellen sind der Hammer“, bricht es aus ihm heraus, als das Dauerverkehrshindernis an der A 565 zwischen Tannenbusch und Lengsdorf in den Staumeldungen auftaucht. Fünf Kilometer Stillstand – Tendenz steigend. „Da wartest du 20 Minuten – immer.“

Doch Costa hat nicht nur die gleiche Frisur wie Startrainer Pep Guardiola. Der Barca- und Bremen-Fan hat eine klare Taktik: „Du musst kombinieren“, sagt Kerasovitis. „Darum fahre ich immer anders, wenn ich muss.“ Ein Navi benötigt er nicht. Wer seit fünf Jahren pünktlich Lebensmittel durch die Region fährt, weiß, wie er ausweichen muss, wenn ein Weg blockiert ist. Stau macht erfinderisch. Sollte es mal klemmen, warnen sich die Kollegen untereinander.

So geht's vom Industriepark nicht auf die nahe A 565, sondern an Burg Münchhausen bei Adendorf über Landstraßen durch das Wachtberger Ländchen. Sprints spart er sich: „Wenn es blitzt, bezahle ich die schönen Bilder.“ Was dem 44-Jährigen schier Flügel verleiht, sind die erwartungsfrohen Verkäuferinnen. „Die Arbeit macht Spaß. Ich mach mit den Frauen gern Spaß.“ In Mehlem bedient Gaby. Die hält nicht viel vom Autofahren. Anstatt sich über Dauerstaus zu ärgern, fährt sie mit dem Rad zur Rott-Filiale: „Wenn nur die vielen Schlaglöcher nicht wären...“

Costa muss weiter. Es geht über die B 9 in Richtung Godesbergtunnel. Der Verkehr stockt, ein Meer roter Bremslichter zeigt: Der Tunnel ist dicht. „Das ist die Hölle“, entfährt es dem Mann am Lenkrad, der in Sekundenbruchteilen eine neue Route im Kopf hat. Über die Friedrichallee geht es zur Südbrücke. Der Rhein glänzt in der Frühlingssonne. In der Königswinterer Altstadtfiliale begrüßt ihn Martin. Während Costa sein Warenwägelchen in die Stube schiebt, analysieren die beiden Männer den Bundesligaspieltag. Siggi Böhm in der Dollendorfer Zweigstelle begrüßt den lachenden Fahrer mit der Anrede „Herr Doktor“.

Eine Dreiviertelstunde später hat er auch bei „Simönchen“, wie er die Verkäuferin nennt, das Lager der Filiale in Holtorf aufgefüllt. „Tschüss Schnecke“, neckt diese zurück. „Er ist ein lieber Kerl – und er macht immer Spaß“, finden Heike und Özden aus der Filiale an der Marktstraße in Pützchen.

Zwei weitere Stopps in Neu-Vilich und Bonn stehen noch an, und nach gut dreieinhalb Stunden Tour ist die Bäckerei in Meckenheim wieder erreicht. „Nur am Tunnel haben wir gestanden“, resümiert er. Aber die Umwege, die er bewusst in Kauf genommen hat, haben Zeit gekostet. Gut, dass er so viele Endorphine mit an Bord hat: Denn über den Zeitverzug gemeckert hat heute niemand – trotz des Montags.

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