Um mit Lebensqualität älter zu werden Netzwerke für Senioren im Rhein-Sieg-Kreis

Meckenheim · Erika Neubauer aus Meckenheim baut kreisweit Netzwerke für Senioren auf. Und das mit Erfolg: Ihr Forum Senioren findet Gehör, wenn etwa große Wohnbauprojekte anstehen oder es darum geht, den Alltag der Älteren einfacher zu machen.

Wartezeit empfindet Erika Neubauer als unangenehm. Während die letzten Schläge der Turmuhr von St. Johannes der Täufer in Meckenheim zur vollen Stunde gerade verklingen, vertreibt sich die agile Netzwerkerin die Zeit mit Bewegung. Der Treffpunkt zum Gespräch mit dem General-Anzeiger ist mit Bedacht gewählt. Der „Meck Fit Treff“ am Elserweg ist schließlich ein Fitnessparcours für Alt und Jung. „Das ist unser stolzestes Projekt“, sagt die 74 Jahre alte Vorsitzende und Mitbegründerin des Meckenheimer Vereins Forum Senioren und schwingt sich auf einem der fünf wetterfesten Fitnessgeräte aus mattiertem Edelstahl in die Höhe. Seit fast zehn Jahren engagiert sich die promovierte Soziologin dafür, dass Senioren „mit Lebensqualität älter werden“, wie sie es nennt.

Dieser Kerngedanke spiegelt sich im Fitnessparcours, der im September vergangenen Jahres eröffnet wurde, wider: Die Anlage unter freiem Himmel am Schulcampus ist eine Idee des Handlungskonzepts, das unter der Überschrift „Mit Lebensqualität älter werden in Meckenheim“ entwickelt wurde. 27.000 Euro hatte das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend getragen. Den Eigenanteil von 3000 Euro konnten die Meckenheimer mit Hilfe von Sponsoren aufbringen. „Der Meck Fit Treff wird sehr gut angenommen“, findet Neubauer und schwingt sich behände vom Sportgerät, mit dem Arme und Beine trainiert werden, herab.

Die Kinder sind weg, die Alten bleiben

2008 nimmt das laut Satzung parteipolitisch unabhängige Forum Senioren seine Arbeit in der Apfelstadt auf. „Meckenheim ist eine der ältesten Städte im Rhein-Sieg-Kreis – was das Alter der Bewohner angeht“, berichtet Neubauer. Nur in Niederkassel ist der Anteil der Frauen und Männer, die älter sind als 60 Jahre, größer. Diese „Spitzenposition“ Meckenheims ist leicht erklärbar, findet Neubauer: Seit 1962 wächst die Stadt der Baumschulen dank ihrer Lage im Grünen und der Nachbarschaft zur Bundeshauptstadt Bonn von 5000 auf aktuell 25.020 Einwohner (Stand: 30. Juni 2017) an. „In diesen Jahren zählte Meckenheim zu den geburtenstärksten Kommunen der Region“, weiß die Mutter von drei 49, 45 und 43 Jahre alten erwachsenen Kindern. Wie im Haus der Neubauers geht es in vielen Haushalten in der Apfelstadt zu: „Die Kinder sind weg, die Alten sind geblieben.“

Das Forum Senioren organisiert keine bloßen Kaffeekränzchen, es greift Themen auf, die Ältere bewegen. Hilfe im Alltag gehört ebenso dazu wie Kultur und Stadtentwicklung. Das Forum, das unter anderem stets gut besuchte Infoveranstaltungen wie zum Reizthema Fahrtüchtigkeit im Alter organisiert, gibt zudem den Anstoß für allerlei Jung-Alt-Projekte. Es kooperiert mit Vereinen, sozialen und kirchlichen Einrichtungen in einer Stadt, in der 29 Prozent der Bevölkerung älter als 60 Jahre sind. Beispiel: Sogar bei der Bauplanung finden die Netzwerker Gehör. Als die Stadtverwaltung jüngst ihre Pläne präsentiert, den dritten Teil des Neubaugebiets Merler Keil zu realisieren, ist das Forum Senioren mit eingeladen – in Meckenheim schon so was wie eine Tradition. „Es ist wichtig, in Neubaugebieten nicht die gleichen Fehler von früher noch einmal zu machen“, sagt Neubauer und meint damit, auf dem Wohnungsmarkt nur junge Familien im Blick zu haben. „Es gibt viele Senioren, die sich verkleinern wollen, weil die Kinder aus dem Haus sind.“

Dank der regelmäßigen Seniorenbefragungen, die das Forum in Meckenheim organisiert und auswertet, weiß der Verein, dass 87 Prozent der Meckenheimer über 50 Jahre freimütig bekunden, auch in Meckenheim wohnen bleiben zu wollen. „Das zeichnet diese Stadt aus“, findet die 74-Jährige. Gelungen scheint diese generationsübergreifende Mischung bereits an anderer Stelle: im Neubaugebiet Sonnenseite. Wer sich hier aufhält, erkennt, dass Familien mit Kindern hier ebenso zu Hause sind wie die Großelterngeneration, die altersgerechte Wohnformen vorfinden.

Das Netzwerk kennt keine Stadtgrenzen

Um ähnliches wie in Meckenheim kreisweit zu erreichen, ist Erika Neubauer viel im Kreis unterwegs. Ihr Netzwerk kennt keine Stadtgrenzen. Und damit die Arbeit im Verein aber nicht an Wenigen hängenbleibt, pflegt das Seniorennetzwerk die Kultur der Projektgruppen. Die setzen sich beispielsweise mit dem Abbau von Barrieren und Stolperfallen im Alltag auseinander – wie Stufen vor Geschäften, Restaurants oder im ÖPNV. Ein Problem, welches nicht nur Meckenheim betrifft, ist die Zahl der Pflegeplätze. Während es aktuell exakt 192 sind, werden bis 2040 dann 600 Pflegeplätze vonnöten sein, rechnet die Wissenschaftlerin vor, die 1966 ihr Diplom als Sozialwirt in Erlangen erlangt. Pikant: Auf der Examensurkunde ist ausschließlich die männliche Variante ihres Berufs vermerkt.

Doch solche Details spornen Neubauer nur noch mehr an, ihren eigenen Weg zu gehen: Als die Kinder so groß sind, dass sie außer Hauses arbeiten kann, leitet sie eine Forschungsgesellschaft für Familienforschung. Später wird sie Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen in Bonn. Den möglichst leichtgängigsten Weg einschlagen, ist ihre Sache nicht: Sie forscht zum Thema Schwangerschaftsabbruch und dem Paragrafen 218, über Gewalt gegen Frauen und Frauenpolitik in der Europäischen Gemeinschaft. Bei der beruflichen „Vorbelastung“ ist es kein Wunder, dass sie ehrenamtlich ein Seniorennetzwerk aufbaut. Schließlich weiß sie, wo Fördertöpfe schlummern können.

Und die Alten im Meckenheimer Forum Senioren sind auf der Höhe der Zeit: Dank Angeboten wie dem PC-Treff sind die mehr als 90 Mitglieder vor Smartphone, Tablet und Konsorten nicht bang – ein Umstand, den die 74-Jährige als Erfolg verbucht. „Unsere regelmäßigen Briefe drucke ich zehnmal aus und werfe sie in Briefkästen, 80-mal gehen sie als E-Mail raus.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort