Der Präsident aus Meckenheim 19 Jahre lebten Veronica und Karl Carstens in Meckenheim

Meckenheim · Vor 25 Jahren starb Karl Carstens in seinem Haus an der Dechant-Kreiten-Straße in Meckenheim, das er der Villa Hammerschmidt vorzog.

 Herbert Theis, Besitzer des Hauses an der Meckenheimer Dechant-Kreiten-Straße, in dem Veronica und Karl Carstens einst wohnten.

Herbert Theis, Besitzer des Hauses an der Meckenheimer Dechant-Kreiten-Straße, in dem Veronica und Karl Carstens einst wohnten.

Foto: Mario Quadt

Lange Schlangen mit Wartenden bilden sich alljährlich an der Adenauerallee in Bonn. Neugierige drängt es zum Tag der offenen Tür, um einen Blick in die Räumlichkeiten der Villa Hammerschmidt, dem zweiten Amtssitz des Bundespräsidenten, werfen zu können – allein 10 000 Menschen im Juni 2016.

Karl Carstens, fünfter Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, schätzte das „Weiße Haus von Bonn“, wie der spätklassizistische Prachtbau wegen seiner Ähnlichkeit mit dem Weißen Haus in Washington gerne bezeichnet wird, zwar als Amts- allerdings nie als Wohnsitz. Selbst während seiner Amtszeit als Bundespräsident zog es der gebürtige Bremer vor, in seinem Haus an der Dechant-Kreiten-Straße in Meckenheim wohnen zu bleiben. Vor 25 Jahren, am 30. Mai 1992, verstarb der bodenständige und bewanderte CDU-Politiker nach einem Schlaganfall im Alter von 77 Jahren auch dort.

Von Menschentrauben umsäumt war das Gebäude mit der Hausnummer 43 am Abend des 23. Mai 1979. Meckenheimer Chöre stimmten zu Ehren des an diesem Tag frisch gewählten Staatsoberhauptes, welches zusammen mit seiner Frau Veronica seit 1973 hoch über der Swistbachaue lebt, ein Jubellied an. Mitglieder der Feuerwehren ziehen im Fackelzug an die Dechant-Kreiten-Straße.

Für Dagmar Wilsmann-Theis und Herbert Theis, die heute in dem persönlich von Veronica Carstens erworbenen Haus leben, ist der einst höchste Repräsentant im Staate, der 19 Jahre seines Lebens in der Apfelstadt verbringt, in dieser vergleichsweise unterrepräsentiert. „Karl Carstens wird in Meckenheim kaum gewürdigt“, findet Herbert Theis im Gespräch mit dem General-Anzeiger.

Der Name des berühmten Mitbürgers und sonntäglichen Kirchgängers könne auf vielfältigere Weise genutzt werden als mit der bestehenden Karl-Carstens-Straße in Meckenheim. „Letztlich eine Sackgasse“, befindet Theis. Für diese Benennung spricht allerdings, dass die Karl-Carstens-Straße ganz in der Nähe der evangelischen Friedenskirche zu finden ist, die am benachbarten Markeeweg liegt. Prädestiniert als Orte des Carstens-Gedenken seien eher der Meckenheimer Marktplatz oder der zentrale Kirchplatz, die beide an der neu gestalteten Hauptstraße liegen.

In seinem Meckenheimer Privathaus lädt der Christdemokrat, der von Mai 1973 bis Oktober 1976 die CDU/CSU-Bundestagsfraktion führt, ehe er nach der Bundestagswahl 1976 zum Bundestagspräsidenten gewählt wird (siehe Kasten), hohe Bonner Prominenz zum Klönschnack ein – „gerne in privater Atmosphäre“, wie Herbert Theis zu berichten weiß. Rund um das Misstrauensvotum gegen Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) am 1. Oktober 1982 sollen sich der damalige Oppositionschef Helmut Kohl (CDU) und Hans-Dietrich Genscher (FDP) zu Gesprächen in Carstens' Haus getroffen haben.

Auf der Suche nach Praxisräumen im Großraum Bonn trifft die Familie Theis 2010 auf die Immobilie mit dem hohen Gitterzaun. Witwe Veronica Carstens, selbst während der Präsidentenzeit als Internistin mit eigener Praxis tätig, hatte sich entschlossen, sich aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen und in ein Bonner Sanatorium zu gehen. Zuerst wissen sie nicht, wer ihnen da ihr Haus anbietet, berichtet Herbert Theis. „Es gab kein Exposé und wir mussten ein kleines 'Bewerbungsschreiben' abgeben“, so der 48-Jährige.

Im Esszimmer der Familie hängt noch heute ein Ölbild, welches Karl Carstens zeigt – ein Geschenk der früheren, am 25. Januar 2012 verstorbenen Hausbesitzerin.

Ausdruck der tiefen Frömmigkeit der Eheleute Carstens, die sich ohne großes Aufsehen sehr für die evangelische Kirchengemeinde in Meckenheim engagieren, ist ein besonders Detail am Haus: In den Schnörkeln des kunstgeschmiedeten Balkongitters sind – bei sehr genauer Betrachtung – die lateinischen Worte „Soli Deo Gloria – Gott allein die Ehre“ zu lesen. Überliefert ist, dass dieser Spruch das Haus und seine Bewohner schützen möge, wenn einmal die Sowjets Westdeutschland und somit auch Meckenheim einnehmen sollten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort