Verunreinigtes Trinkwasser Werte in den Bornheimer Rheinorten nur sporadisch kontrolliert

Bornheim · Nachdem vergangenen Donnerstag mehrere Personen in den Rheinorten durch den Zusatz von zu viel ätzender Natronlauge im Trinkwasser verletzt worden sind, bleiben weiter Fragen offen. Mittlerweile gibt es einen zweiten Fall von Betroffenen, denen schon vor einigen Monaten "seifiges Wasser" aufgefallen war.

"Das war im November oder Dezember, als unsere Enthärteranlage gewartet wurde", sagt Johanna Reichelt aus Hersel. "Da war es aber bei weitem nicht so schlimm. Ich hatte da nur auch schon gedacht: 'Das Shampoo geht gar nicht aus den Haaren.'" Dem Installateur sei damals der hohe pH-Wert aufgefallen.

Vergangenen Donnerstag dagegen hätten ihr Mann und ihr Sohn nach dem Duschen mehrere Stunden lang ein Brennen und Jucken auf der Haut gespürt, berichtet Reichelt. "Mein Mann dachte zuerst, es läge am neuen Shampoo, weil wir von der Durchsage nichts mitbekommen hatten."

Noch immer ist unklar, in wie vielen Haushalten das verunreinigte Wasser aus den Leitungen floss, wie viele Verletzte es gab und weshalb es bei mehr als 7000 Einwohnern in Hersel, Widdig und Uedorf offensichtlich nur vergleichsweise wenige Fälle von Verletzungen gab. Bekannt ist nun, dass es Betroffene in allen drei Rheinorten gab. Auf der Internetseite des Stadtbetriebs Bornheim werden dagegen nur die Orte Widdig und Uedorf erwähnt.

Fragen wirft vor allem der Maßnahmenplan auf, in dem das Prozedere bei einem Trinkwasserstörfall geregelt ist. In diesem steht nur, dass bestimmte Medien zur Information der Öffentlichkeit genutzt werden können. In welchem Fall wie genau zu informieren ist, ist nicht beschrieben. Von Betroffenen hatte es nach dem Störfall Kritik an der Informationspolitik der Stadt gegeben, weil sie die Lautsprecherdurchsagen der Feuerwehr nicht mitbekommen hatten.

Der Fall einer Überdosierung von Natronlauge im Trinkwasser wird im Maßnahmenplan nicht explizit beschrieben. Hierzu wird lediglich unter dem Punkt "Trinkwasseraufbereitung" das übliche Prozedere erwähnt. Der Plan unterscheidet drei Gefahrenlagen, von denen sich zwei nur mit dem Ausfall des Trinkwassers befassen und eine weitere Gefahrenlage mit einer Überschreitung der Grenzwerte nach der Trinkwasserverordnung befaßt.

In letzterem Fall empfiehlt der Maßnahmenplan, die Verbraucher "mittels Schreiben über die Verunreinigung und Notversorgung" zu informieren. Noch nicht geklärt ist auch, weshalb die Werte nicht permanent überwacht wurden. Nach Angaben des Stadtbetriebs-Chefs Ulrich Rehbann sei von der Regionalgas Euskirchen, die bis zum 31. Dezember 2012 für die Wasserversorgung verantwortlich war, die Praxis übernommen worden, dass der Bereitschaftsdienst nur hin und wieder die Werte kontrolliert.

"Wir haben die gleichen Dienstanweisungen wie es der Bereitschaftsdienst der Regionalgas hatte, da sind lediglich die Namen der Mitarbeiter geändert worden." Rehbann versichert: "Das wird mit Sicherheit geändert." Ein neues System soll installiert werden, das bei einer Überschreitung der üblichen Werte Alarm schlagen und diese Info auf ein Handy übertragen kann.

Wie Rehbann ausführt, hatte sich am Donnerstag zunächst eine Pumpe automatisch abgeschaltet, weil sie überhitzt war. In diesem Fall springe eine zweite Pumpe ein, was passiert sei. Die erste Pumpe sei repariert worden und erst danach war offensichtlich der Defekt aufgetreten, der zu der hohen Konzentration von Natronlauge im Wasser führte.

Bis die genaue Ursache geklärt ist, bleibe die gesamte Mischanlage abgestellt. Diese vermischt routinemäßig die beiden Wasser vom Wahnbachtalsperrenverband und vom Wasserbeschaffungsverband Wesseling-Hersel. Das Beifügen der Natronlauge hat den Zweck, zu saures Wasser wieder zu neutralisieren.

Die Stadt lädt für Donnerstag, 2. Mai, 18 Uhr in den Ratssaal des Bornheimer Rathauses zu einer Sondersitzung zum Fall des verunreinigten Trinkwassers ein.

Kurz gefragt: "So einen Fall hatten wir noch nicht"

Dr. Carola Seidel ist leitende Oberärztin beim Giftnotruf des Universitätsklinikums Bonn. Mit ihr sprach Ulrike Sinzel.

Was kann passieren, wenn, so wie in den Bornheimer Rheinorten, zu viel Natronlauge im Trinkwasser ist?
Carola Seidel: Je nach Konzentration und Dauer des Kontakts mit dem Wasser kann das zu Verätzungen von Haut, Mundhöhle, Speiseröhre und Magen führen. Es kann die Haut und Schleimhäute schädigen - sie können nur gerötet sein, aber im Extremfall auch bluten und narbig abheilen. Speiseröhre und Magen können sogar durchbrechen, die Betroffenen können dann nicht mehr essen und müssen auch nach einer Operation mit möglichen Spätschäden rechnen. Wenn Natronlauge ins Auge gelangt, kann das bis zur Erblindung führen. Den Bornheimer Fall kann ich nicht beurteilen, da ich die Verletzungen nicht gesehen habe und keine genaueren Angaben zum pH-Wert habe. Generell unterscheidet man drei Verätzungsgrade, von Rötung (1. Grad) über Blasenbildung (2. Grad) bis hin zu schwerst zerstörter Haut (3. Grad).

Was kann man tun, wenn man mit einer Lauge wie im Bornheimer Fall verätzt wurde?
Seidel: Man sollte die Substanz möglichst schnell mit einer anderen Flüssigkeit abwaschen, also zum Beispiel Mineralwasser oder Milch - eben was gerade da ist - und das dann abtrocknen. Nach einer Einnahme sollte eine schnell verfügbare Flüssigkeit getrunken werden, um die Schleimhäute frei zu spülen. Ein Anruf bei der Giftnotrufzentrale (Rufnummer 0228/19240) kann klären, was weiter unternommen werden muss und wie gefährlich der Fall ist.

Hatten Sie es schon einmal mit einem Fall zu tun, bei dem das Benutzen von Trinkwasser zu Verletzungen geführt hat?
Seidel: Nein, das hatten wir noch nicht. Wegen des Falls in Bornheim gab es hier ein paar Anrufe.

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