Herbert Gatz aus Bornheim-Kardorf Mit dem Traktor nach Santiago

BORNHEIM-KARDORF · Die kürzeste Strecke von Kardorf nach Santiago de Compostela misst 2018 Kilometer. In 18 Stunden und 23 Minuten ist man da - wenn man das Auto nimmt, auf den Autobahnen ordentlich Gas gibt und auf Pausen verzichtet.

Doch der Kardorfer Herbert Gatz lässt das Auto in der Garage. Er will auch nicht rasen, sondern gemütlich über Landstraßen tuckern. Und auf Pausen und Schlaf will er erst recht nicht verzichten - dafür zieht sein 56 PS starker John Deere seinen Wohnanhänger hinter sich her. Am Dienstagmorgen um 8.30 Uhr will der 65-jährige Gatz seine Pilgerfahrt starten.

Der grüne Traktor samt Wohnanhänger stehen schon vor seinem Haus im Mühlenfeld bereit. Mit der Tour zu dem spanischen Wallfahrtsort erfüllt sich der frühere Ordnungsamtsleiter der Stadt Bornheim, der Ende März pensioniert wurde, einen Traum. "Im Mittelalter hieß es, ein gläubiger Christ sollte in seinem Leben die drei Hauptwallfahrtsorte Jerusalem, Rom und Santiago besucht haben", erzählt Gatz.

Und da er bereits in Rom und im Heiligen Land gewesen sei, sei jetzt eben Santiago an der Reihe. Aber warum gerade mit dem Traktor? In der Natur des Pilgerns liegt es für Gatz, nicht immer den leichtesten und schnellsten Weg zu wählen. Auf die Idee, den Traktor mit seinen maximal 25 Stundenkilometern als Fortbewegungsmittel zu wählen, kam Gatz vor zwölf Jahren, als er im Fernsehen eine Dokumentation über einen Winzer sah, der von der Mosel mit Traktor und Anhänger nach Sizilien gefahren sei.

Als gläubiger Katholik war für Gatz die Hauptmotivation spiritueller Art: "Die Pilgertour ist ein Dank an Gott und die Muttergottes für alles Positive in meinem Leben, aber auch für alles Negative, das sich dann ins Positive gewandelt hat." Er fährt die Tour bewusst alleine, ohne seine Frau, um mit seinen Gedanken und Gebeten alleine zu sein.

Erfahrung auf dem Traktorsitz hat er nicht nur als Hobby-Landwirt. Seit 23 Jahren begleitet er die Kardorfer Pilgerbruderschaft auf ihrem Weg nach Barweiler an der oberen Ahr mit seinem Gefährt, das den Kofferwagen zieht. In den vergangenen Monaten hat sich Gatz akribisch vorbereitet, hat etwa 20 Landkarten studiert und ein Dutzend Reiseführer und Pilgerbücher gewälzt.

So hat er eine Route ausgearbeitet, die ihn über Trier und Metz über den mittleren Jakobsweg diagonal durch Frankreich bis in den äußersten Südwesten führt, wo er einen Abstecher in den weltbekannten Pilgerort Lourdes macht. In Saint-Jean-de-Pied-Port vereinigen sich alle französischen Jakobswege.

Danach tuckert Gatz weiter über Pamplona, Logrono, Burgos und Leon in Richtung Santiago. Doch dort ist sein Pilgerweg noch nicht zu Ende. Über Kap Finisterre, wo die Pilger in früheren Zeiten ihre Kleider verbrannten, weil dort nach damaligem Kenntnisstand die Welt zu Ende war, fährt Gatz weiter in den portugiesischen Wallfahrtsort Fatima. Die Rückreise führt quer durch Spanien über Madrid ans Mittelmeer, an der Küste entlang bis zur Côte d'Azur. Das Rhonetal aufwärts geht es dann Richtung Heimat.

Insgesamt rund drei Monate und 6500 Kilometer hat Gatz für die Tour eingeplant. Fünf bis sieben Stunden am Tag will er auf dem Traktor sitzen. "100 bis 150 Kilometer am Tag sollten drin sein", hat er sich vorgenommen. In den Pausen will Gatz Kirchen und andere Sehenswürdigkeiten besuchen, fotografieren, kochen, essen, ausruhen. Übernachten wird er auf Bauernhöfen oder Campingplätzen: "Alles andere wäre mir zu unsicher."

An jedem Abend wird er die nächste Etappe planen, lesen und je nach Lust und Laune Akkordeon spielen. Dann wird er sein Tagebuch öffnen und die Eindrücke des Tages niederschreiben. Für sich selbst und als Grundlage eines Vortrages, den er für die Pfarrgemeinde Kardorf halten soll. Über einen Weltempfänger wird Gatz auch Nachrichten in deutscher Sprache empfangen können. Mit Hilfe der Firma Langenscheidt wird er auch in Frankreich, Spanien und Portugal sprachlich zurecht kommen. Und für Gespräche mit seiner Frau hat er das Handy immer griffbereit.

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