Familie in Gedenksteinen vereint Gunter Demnig verlegt sechs neue Stolpersteine in Bornheim

Bornheim · In Bornheim und Hersel hat der Kölner Künstler Gunter Demnig sechs neue Stolpersteine für die Opfer des Nationalsozialismus verlegt. Auch die Enkelin eines Verstorbenen ist bei der Verlegung mit dabei.

Die Gedenksteine für die Familien Schmitz und Salomon liegen nun in einem Quadrat vereint zusammen. Vor Hausnummer 245 an der Rheinstraße in Hersel ließ der Kölner Künstler Gunter Demnig am Dienstag den noch fehlenden Stolperstein für Hermann Schmitz ein. Für seine Tochter Eva Salomon, ihren Ehemann Jakob und Sohn Emil existieren bereits seit 2010 Exemplare vor ihrem letzten selbstgewählten Wohnort an der Rheinstraße. Damit nun die Metalltafeln für die Familienmitglieder an einer Stelle zusammenliegen, stemmte Demnig ein neues Loch auf und setzte die bereits vorhandenen gemeinsam mit dem neuen Gedenkstein ein. „So, wie die Familie hier gemeinsam lebte, so sollen auch die Stolpersteine hier zusammenliegen“, sagte Bürgermeister Wolfgang Henseler.

Hermann Schmitz stammte ursprünglich aus Rheinbach. Er war Metzger und betrieb einen Viehhandel. 1898 heiratete er Carolina Meyer und lebte mit ihr in Heimerzheim. Nach dem Tod seiner Ehefrau zog er 1936 nach Hersel, um bei seiner Tochter Eva und deren Familie zu wohnen. Von dort aus musste er 1942 zunächst in ein sogenanntes Judenhaus in Köln umziehen, wurde dann nach Theresienstadt gebracht und in Treblinka ermordet. „Seit vielen Jahren ist die Stadt Bornheim bestrebt, die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus wachzuhalten“, sagte der Bürgermeister. Während Demnig die Steine einpasste und verfugte, gab Henseler einen Einblick in das Leben der jüdischen Gemeinde in Bornheim. Einige engagierten sich in der Feuerwehr, anderen waren in den Vereinen aktiv. Anfang der 1930er Jahre lebten in Bornheim 110 Juden. 70 von ihnen wurden Opfer der Nationalsozialisten.

Für die Stadt Bornheim ist es der 50. Stolperstein. Für Susana Klick hat der Stein einen nicht in Zahlen zu fassenden Wert. Sie ist die Enkelin von Hermann Schmitz. „Als seine Enkelin bin ich sehr dankbar, an der heutigen Verlegung teilzunehmen“, sagte Klick. Die Patenschaft für den Gedenkstein des Großvaters hat ihre Schwester Carolina Spies übernommen. Die Kunstaktion sei für sie sehr wichtig, da die Steine nicht nur an ihren Großvater, sondern auch an ihre Tante, Onkel und Cousin erinnerten. „Durch die Initiative habe ich viel über meine Familie gelernt“, so Klick.

Erst durch die Stolpersteine und die Kunstaktion von Demnig habe sie mehr über ihre Familiengeschichte erfahren können. Sie selbst hat ihren Großvater nie kennengelernt, ihr Vater schwieg über die Geschehnisse der NS-Zeit. Eher durch Zufall entdeckte sie am Niederrhein vor dem ehemaligen Wohnhaus ihrer Großeltern mütterlicherseits die Stolpersteine. Da ein Datum nicht stimmte, kontaktierte sie den Künstler und half so, die Familiengeschichte zu rekonstruieren.

Klicks Eltern Jakob und Martha Schmitz waren in den 1930er Jahren vor den Nazis nach Argentinien geflohen. Klick und ihre Schwester Carolina kamen beide in Buenos Aires zur Welt. Ende der 1950er Jahre zog die Familie wieder zurück ins Vorgebirge. Heute lebt Klick in Rheinbach, der Heimat ihres Großvaters. Die Urkunde nahm sie stellvertretend für ihre Schwester entgegen, die nicht an der Gedenkfeier teilnehmen konnte.

Fünf weitere Steine erinnern an der Königstraße an die Familien Schmitz und Nathan

Im Anschluss an die Verlegung präsentierten sechs Jugendliche vom Kulturraum Sechtem unter der Leitung von Mareike Osenau eine szenische Darstellung zur Biografie von Hermann Schmitz, aber auch zur heutigen Diskriminierung von Juden in Deutschland. Stück für Stück wickelten die Jugendlichen dabei ein rotes Seil – als symbolischen Lebensfaden – auseinander und hielten an den wichtigen Lebensstationen inne – Geburt, Heirat, Umzug nach Hersel, Deportation und sein Tod 1942.

Analog dazu benannten die Jugendlichen Ereignisse aus diesem Jahr: den Angriff auf zwei Juden im April in Berlin, die Attacke auf einen israelischen Professor im Bonner Hofgarten im Juli, den Trauermarsch in Chemnitz im September. Zum Abschluss spielte der Alfterer Musiker Udo Seehausen Klezmer-Musik mit seinen Schülern, unter anderem das israelische Lied „Ani Ole L'i'rushalaym“.

Fünf weitere Stolpersteine setzte Demnig an diesem Tag noch im Bornheimer Ortszentrum an der Königstraße ein. Vor Hausnummer 121 erinnern sie nun an die Mitglieder der Familien Schmitz und Nathan. Bis zu ihrer Deportation und Ermordung lebten dort Josef Schmitz, seine Ehefrau Sibilla und ihr Sohn Sally zusammen mit Sibillas Vater Bernhard Nathan und Bernhards Schwester Johanna Nathan. Josef Schmitz war Arbeiter, sein Schwiegervater als Händler tätig. Alle fünf wurden über mehrere Stationen schließlich in Auschwitz, Lodz, Treblinka und Theresienstadt umgebracht.

Insgesamt halten nun 55 Stolpersteine in den Ortschaften Roisdorf, Bornheim, Walberberg, Hersel, Widdig, Merten, Sechtem sowie Waldorf die Erinnerung wach.

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