Interview mit Schauspieler Christian Schramm Ein-Personen-Stück wird in Bornheim und Alfter aufgeführt

Mit seinem Ein-Personen-Stück „Die Nacht zu Worms“ über Karl V. und Martin Luther steht Christian Schramm am Wochenende in Bornheim und Alfter auf der Bühne. Über das Stück , die Entwicklungen in Europa und das Auseinanderdriften der Religionen sprach er mit Ralf Palm.

 Christian Schramm in seiner Rolle als Karl V., den er in Brenig und Alfter spielt.

Christian Schramm in seiner Rolle als Karl V., den er in Brenig und Alfter spielt.

Foto: Privat

Wie kamen Sie auf die Idee, ein Ein-Mann-Stück zu schreiben und dieses dann selbst zu spielen?

Christian Schramm: Es ist bereits mein zweites Stück, das ich geschrieben habe. So habe ich nach langer persönlicher Distanz zum Theater wieder zum Schauspiel zurückgefunden. Ich kann das schreiben und spielen, was ich ausdrücken möchte. Es ist mein Beitrag als Künstler in einer Zeit, die aus den Fugen zu geraten scheint, in der es mehr denn je auf das persönliche Engagement jedes Einzelnen ankommt. Ein entscheidender Impuls für dieses Stück über Karl V. war der Besuch mit meiner Familie in Dresden am 3. Oktober 2016. Da wurden Merkel und Gauck vor der Semperoper als Volksverräter beschimpft. Das hat mich erschreckt, verstört und bestürzt. Mir wurde klar, wie weit wir in diesem Land gekommen sind und dass es so nicht weitergehen kann. Dazu kann man nicht schweigen. So begab ich mich auf meine Recherchereise in die Geschichte und fand all die Parallelen zwischen der damaligen Zeit und unserer Gegenwart.

Sie schlüpfen in die Rolle von Karl V. Warum haben Sie sich für ihn entschieden?

Schramm: Ich wollte alle Stereotype vermeiden, die mit Luther so rasch einhergehen. Dazu kam die Sache mit Dresden. Ich habe mich gefragt, wie sich das wohl aus Sicht der Verantwortlichen anfühlt, wenn alles, was man versucht zusammenzuhalten, um einen herum in Stücke bricht. Wie einsam ist man da? Wie geht man mit der Verantwortung um? Mit dieser Last. Es ist ja auch ein Wunsch oder eine Empfehlung an die Mächtigen, es zu machen wie Karl in meinem Stück: sich herabzulassen und genau hinzuschauen.

Was sind die zentralen Botschaften Ihres Stückes?

Schramm: Die zentrale Botschaft lautet: Der Hass, der die Welt allerorts erschüttert, bringt uns nicht weiter. Er spaltet die Welt und lässt die Gräben größer werden, die Gräben zwischen Menschen, Nationen, Religionsgemeinschaften. Auch hier hilft nur: Hinschauen, auf den Einzelnen gucken, statt ganze Gruppen oder Länder mit Pauschalisierungen und Hass zu überziehen. Um dazu aber in der Lage zu sein, braucht es nichts weniger als eine neue Reformation. Das gilt für unsere westliche Gesellschaft genauso wie für die Welt des Islam und für jeden einzelnen Menschen. Wir müssen alle umdenken, wir können auf keinen Fall so weitermachen wie bisher. Umdenken erfordert eine Neuorientierung. Aber an welchen Werten? Mein Stück empfiehlt die alten Werte, die das Christentum ursprünglich geprägt haben.

Ihr Drama zeigt Parallelen zum Reich von Kaiser Karl V. und dem heutigen Europa. Themen wie der Verlust des Glaubens, Menschenrechte, Werteverfall, die Spaltung Europas und der Vormarsch des Islam beunruhigen heute viele Menschen in Deutschland. War es vor 500 Jahren ähnlich?

Schramm: Da sind zunächst die sozialen Unruhen, die das Reich damals erschüttert haben. Es waren ja nicht alles Theologen, die auf die Straße gingen. Die Menschen waren arm, rechtlos, ausgebeutet, unfrei. Teile dieser Empfindungen habe ich bei den Protesten heute wieder gehört. Viele tun es als Neiddebatte ab, aber eine erhebliche Schieflage in der Verteilung von Waren, Gütern, Geld, Rechten und Einfluss in unserer Gesellschaft ist kaum von der Hand zu weisen. Viele sind unzufrieden mit ihren Lebensumständen und nicht mehr bereit, die Bereicherung anderer Gesellschaftsgruppen widerspruchslos hinzunehmen. Dazu ein bröckelndes Europa, das der Kaiser nur mit Mühe noch zusammenhalten konnte. Es waren damals Kräfte am Werk, die in verschiedene Richtungen zerrten. Jeder Staat hatte seine eigenen Interessen und setze sie meist mit Gewalt durch oder verabschiedete sich aus der Gemeinschaft wie Heinrich VIII., der sich kurzerhand von der katholischen Kirche abspaltete, weil er persönliche Interessen durchsetzen wollte. Ein früher Brexit also. Dazu kommt die beginnende Globalisierung, die durch die spanischen Eroberer ihren Anfang nahm. Die Reformation – das ist weniger bekannt – produzierte ähnliche Flüchtlingsströme, wie wir sie heute kennen, nur eben aus deutschen Landen.

Haben Kirche, Politik und Gesellschaft aus Ihrer Sicht heute wie früher versagt?

Schramm: Die Kirchen haben aus den Fehlern der Vergangenheit nichts gelernt. Man ist noch immer vor allem mit sich selbst beschäftigt, es geht heute wie damals um Macht, Machterhalt, Pfründe, Geld und Einfluss. Ich kann das für beide Konfessionen sagen, da ich in beiden Konfessionskreisen regelmäßig verkehre. Bestimmte Entscheidungen der Kirchenführung sind schier unglaublich unmodern, unpopulär und dem friedlichen Miteinander sogar abträglich. Wenn die Institution Kirche sich nicht grundlegend reformiert und nicht aufhört, sich selbst wichtiger zu nehmen als die Botschaft, die sie verbreiten will, dann wird das in weiterem Bedeutungsverlust der Kirchen enden. Auch stellt sich die Frage, ob wir noch zwei Konfessionen in Deutschland brauchen. Sind 500 Jahre Kirchenspaltung nicht Zeit genug, um sich über die historischen Gründe und Fehler bewusst zu werden, die zu dieser Spaltung geführt haben? Wären wir als christliche Einheit nicht stärker? Das gilt für das Christentum wie für den Islam, der im Wesentlichen in Schiiten und Sunniten zerfällt, die sich bekämpfen und vernichten.

Damals stand Europa mit Kaiser Karl V. durch die vielen Kriege und Aufruhr vor dem Verfall? Stehen wir ein halbes Jahrtausend später wieder vor einem Verfall Europas?

Schramm: Wir werden diese Welt und dieses Europa nicht voranbringen, wenn wir nicht zu einer Einheit finden. Die Gründerväter des europäischen Gedankens haben zu sehr die wirtschaftlichen Aspekte im Blick gehabt. Es müssen jetzt andere Werte betont werden, die diesen Kontinent verbinden. Dabei können christliche Werte eine sehr gute Richtschnur sein.

Was dürfen die Zuschauer in Brenig und in Alfter erwarten?

Schramm: “Die Nacht zu Worms” ist ein Abend zum Zuhören und Nachdenken. Das Stück macht es dem Zuschauer nicht immer leicht. Es ist in gebundener Sprache geschrieben, was heute eher ungewohnt klingen mag, wenn man nicht hier und da ein Stück von Schiller oder Shakespeare sieht oder liest. Die meisten sagen aber, nach wenigen Sätzen hat man sich in die Sprache eingehört. Wenn man sich auf die Zeitreise 500 Jahre zurück einlässt, und mitreist an den Hof Karls V., dann wird man staunen, wie ähnlich die Sorgen der Menschen damals wie heute waren. Mein Stück ist eine emotionale Reise, kein Geschichtsunterricht.

Wie kommen Sie als Potsdamer dazu, in Bornheim und Alfter aufzutreten?

Schramm: Teile meiner Familie leben hier im Rheinland und sind in der Kirche sehr aktiv.

Mit seinem Ein-Personen-Stück „Die Nacht zu Worms“ über Karl V. und Martin Luther steht Christian Schramm am Freitag, 9. Juni, 19.30 Uhr, im katholischen Pfarrheim Sankt Evergislus Brenig und am Samstag, 10. Juni, 19 Uhr, im evangelischen Gemeindezentrum am Herrenwingert in Alfter auf der Bühne. Der Eintritt erfolgt gegen eine Spende für die beiden Gemeinden.

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