Gedenktafel für Jakob Kirchartz Andenken an den Fährmann vom Rhein

BORNHEIM-WIDDIG/NIEDERKASSEL · In Zeiten ausgebauter Verkehrsnetze und intelligenter Nahverkehrsmittel stellt die morgendliche Fahrt zur Arbeitsstätte die wenigsten Menschen vor Probleme.

Die chemische Industrie - allen voran die Riesen Evonik und Shell - ist nicht nur Arbeitgeber vieler Menschen, die links des Rheins wohnen. Auch Bewohner der rechten Rheinseite - der "Schäl sick" - können heute per Rheinfähre oder Autobahn den Weg über das Wasser bestreiten.

Dass der Fährbetrieb eine Tradition hat, deren Beginn mehr als hundert Jahre zurückliegt, ist einem ganz bestimmten Mann zu verdanken: Jakob Kirchartz, auch bekannt als "Ohm Köbes". Seit seinem 15. Lebensjahr - das war im Jahre 1907 - war das rheinische Gewässer Heimat für den Fährmann. Schon Kirchartz Eltern verdienten ihr Geld mit der Beförderung von Menschen und Lebensmitteln zwischen rechter und linker Rheinseite.

Konrad Velten, Ortsvorsteher von Widdig, möchte gemeinsam mit weiteren Mitstreitern das Andenken an den Fährmann bewahren und eine Gedenktafel am Rhein für ihn aufstellen. "Wir glauben, dass der Fährmann in seiner historischen Bedeutung ein Alleinstellungsmerkmal für den Ort ist und Besucher dazu einlädt, sich auch einmal mit einer Gedenktafel zu beschäftigen", so Velten.

Die Karriere des "Schoor's Ohm", wie die, die ihn kennen, Jakob Kirchartz heute liebevoll nennen, begann allerdings nicht direkt auf dem Wasser. Anpacken sollte der junge Mann zunächst beim Verladen von Waren auf die Boote. So wollten es die Eltern und so blieb es bis zu Jakobs 14. Lebensjahr.

Ernst wurde es für Kirchartz noch als Schuljunge, als die Eltern ihm die Verantwortung übertrugen, eigenständig Passagiere über den Rhein zu befördern - eine Aufgabe von immenser Wichtigkeit. In den frühen Morgenstunden, bei rauer und bei ruhiger "See", musste Köbes jene Menschen, die rechtsrheinisch wohnten und linksrheinisch arbeiteten, befördern. Die Anlegestellen befanden sich in Rheidt und in Widdig, von dort ging es für die Arbeiter dann per Fahrrad in Richtung Arbeitsstätte.

Drei Boote umfasste Kirchartz' Flotte, zwei davon motorisiert. Während des Tages - die Arbeiter wurden erst spätabends zurückgebracht - war der Ohm Fährmann für Menschen und Güter. "20 Leute passten auf die Boote. Meist waren es weniger. Beliebt war der Fährmann vor allem auch bei den Landwirten, die ihre Waren auf die andere Rheinseite und anschließend in Richtung der Kölner Märkte bringen wollten", berichtet Herbert Engels. Der 73-Jährige aus Rheidt verarbeitet die Geschichte der rheinischen Schifffahrt lyrisch.

"Die meisten der Arbeiter waren damals noch bei der Union Rheinische Braunkohlen Kraftstoff AG angestellt. Dementsprechend war die tagtägliche und zuverlässige Arbeit von Jakob Kirchartz obligatorisch für den Industriestandort", berichtet Adam Faßbender (77), ein Neffe von Kirchartz aus Widdig. Als Ironie des Schicksals war es die gewohnte Zuverlässigkeit, die Kirchartz Karriere abrupt enden ließ.

Faßbender erinnert sich: "Eines Tages, er war da schon 70 Jahre alt, wurde der Ohm für zwei Tage krank. Einige Leute haben das den zuständigen Behörden gemeldet, die anschließend eine medizinische Untersuchung beim Stabsarzt anordneten." Diese sei aufgrund des jahrelangen Umgebungslärms auf dem Schiff nicht gut ausgefallen. "Der Befund war klar: Ohm war fast schwerhörig und somit untauglich. Die Fahrgenehmigung war damit passé", so der Neffe.

Die drei Boote gibt es heute noch, sie wurden im Jahre 1955 an einen Sammler aus Neuwied verkauft. Auch wenn es lange her ist, erinnert sich Faßbender noch an Erzählungen des Fährmanns, der in der Familie auch für seine Abenteurergeschichten bekannt war. "Immer wieder mal hat Kirchartz fast Ertrinkende aus dem Rhein geborgen. Herausfordernd war natürlich auch das Wetter. Wind und hoher Wellengang waren kein Problem, dafür aber das Eis im Winter", erzählt der Neffe und fügt hinzu: "Wenn der Rhein völlig vereist war, dann stand die Fabrik auch mal still. Es gab ja dann zu wenige Arbeiter."

Offenbar war Kirchartz' Flotte auch für den ein oder anderen Unberechtigten attraktiv. Ortsvorsteher Konrad Velten erinnert sich an eine Geschichte, die man sich heute noch in Widdig erzählt. "Es gab da einen Dirigenten aus Rheidt, der seine Proben in Widdig hatte. Nach getaner Arbeit hat er wohl gerne mal einen über den Durst getrunken. In der Nacht fuhr der Ohm ja nicht. Seine Freunde haben das ignoriert, das Boot abgetaut und den Dirigenten nach Hause gefahren", so Velten. Meistens sei das gut gegangen - aber nicht immer: "Einmal sind sie zu dritt abgetrieben. Wie das ausgegangen ist - man weiß es nicht", erzählt Velten schmunzelnd.

Zusammen mit Herbert Engels und Adam Faßbender sowie der stellvertretenden Bürgermeisterin von Niederkassel, Hildegard Seemayer, und dem Bornheimer Stadtarchivar Christian Lonnemann plant Velten, dem Ohm mit einer Gedenktafel ein kleines Denkmal zu setzen. Dieses möchte das Team gemeinsam mit dem Tourismusverein von Rheidt spätestens 2017 einweihen. Geschehen soll das mit einer feierlichen Überfahrt - "Fährmann hol über" wird dann, 110 Jahre später, noch einmal ertönen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort