Jahresinterview mit Bornheims Bürgermeister Wolfgang Henseler „Es war keine Geldverschwendung“

Bornheim · Der angespannte Wohnungsmarkt in der Stadt ist ein Thema, mit dem sich Bornheims Bürgermeister Wolfgang Henseler auch im Jahr 2017 intensiv befassen will.

 Bornheims Bürgermeister Wolfgang Henseler. FOTO: AXEL VOGEL

Bornheims Bürgermeister Wolfgang Henseler. FOTO: AXEL VOGEL

Foto: Axel Vogel

Eine wachsende Stadt braucht aber auch eine wachsende Infrastruktur. Was in dieser Hinsicht passiert und wie es in der Bornheimer Debatte des Jahres 2016 – um die Wasserversorgung – weitergeht, erläutert er im Gespräch mit dem General-Anzeiger.

War der letztlich gescheiterte Bürgerentscheid zur Wasserversorgung in Bornheim Zeit- und Geldverschwendung?

Wolfgang Henseler: Ich bin einer der wenigen gewesen, der dem Bürgerbegehren zur Beibehaltung der jetzigen Wasserversorgung direkt beitreten wollte, um die Sache abzuschließen. Dann wäre es gar nicht zu einem Bürgerentscheid gekommen. Dennoch hat das Thema die Menschen in der Stadt beschäftigt, bewegt, und es war keine Geldverschwendung. Es ist aber ein kompliziertes und schwieriges Thema. Mit dem Blick von außen lächeln viele über uns und sagen, ob wir denn keine anderen Probleme hätten. Das sehe ich auch ein bisschen so. Aus meiner Sicht ist es wichtig, in das Wasser-Thema ein wenig Ruhe hineinzubekommen. Die Bürger haben die Entscheidung an die Politik zurückgegeben.

Um einen Kompromiss in Sachen Wasser zwischen den Fraktionen zu erzielen, brauchen Sie sicher Ihre sämtlichen Moderations- und Mediationsfähigkeiten.

Henseler: Zunächst müssen wir mit der Bezirksregierung Köln die Spielräume abklären. Dann müssen wir im Grunde wie bei Tarifverhandlungen einen Kompromiss finden. Die Verwaltung wird nach den Haushaltsberatungen einen Vorschlag präsentieren, der dann zunächst hinter verschlossenen Türen diskutiert werden soll.

Stichwort erweiterter Ordnungsaußendienst: So wie er jetzt beschlossen ist, würde er rund 213 000 Euro im Jahr kosten. Hätten Sie sich dazu auch einen Vorschlag zur Gegenfinanzierung gewünscht?

Henseler: Wir müssen im Januar den Haushalt in seiner Gesamtheit betrachten. Dafür gibt es ja die Haushaltsplanberatungen. Wenn man im Ergebnis zu einer Steuererhöhung kommt, muss man auch die Gründe dafür benennen. Würde man die Bürger befragen, ob sie für einen Ordnungsaußendienst eine höhere Grundsteuer zahlen würden, könnte ich mir vorstellen, dass dafür eine relativ große Bereitschaft vorhanden ist.

Haben Sie gerade einen weiteren Bürgerentscheid ins Spiel gebracht?

Henseler: Nein, bitte nicht, für diese Wahlperiode haben wir unser Soll bei Bürgerentscheiden erfüllt.

Um auf den Haushalt zurückzukommen: Alles, was gefordert wird, muss gedeckt sein, da Geld für weitere Leistungen nicht da ist, oder?

Henseler: Ja. Selbst wenn sich Verbesserungen ergeben, etwa bei der Gewerbesteuer – aktuell kalkulieren wir mit 14 Millionen Euro Einnahmen, ich habe 2004 mit sechs Millionen Euro angefangen –, sind diese dringend nötig, um den Haushaltsausgleich 2021/22 zu erreichen.

Bei den zurückgehenden Flüchtlingszahlen verwundert es schon, dass die Stadt weitere Flüchtlingsheime bauen will.

Henseler: Wir bauen keine Übergangswohnheime, sondern Wohnungen für Flüchtlinge, aber auch für andere Menschen, die preiswerten Wohnraum suchen. Der Wohnungsmarkt in Bornheim ist angespannt – vor allem für die Menschen mit schmalem Budget. Für den Maarpfad in Roisdorf kann ich mir etwa eine Kombination aus Wohnraum für Flüchtlinge und frei finanzierten Wohnungen vorstellen.

Ist bezüglich der Standorte am Maarpfad in Roisdorf und am Kuckucksweg in Hemmerich die Kommunikation mit den Bürgern bislang schiefgelaufen?

Henseler: Nein, ich meine nicht! Egal, wo man hinschaut, gibt es Vorbehalte. Vor allem gefühlte Vorbehalte. Wenn man Flüchtlinge persönlich kennengelernt hat, bekommt man ein völlig anderes Bild. Dann redet man auch nicht mehr von sozial Schwachen. Das ist für mich ein irreführender Begriff, der eher auf Menschen zutrifft, die beispielsweise dicke Tantiemen einstreichen und zugleich viele Angestellte entlassen. Allerdings kann ich verstehen, dass Menschen, besonders am Ortsrand von Rösberg oder Hemmerich, verärgert sind, wenn ihnen die Aussicht etwas zugebaut wird.

Das Stadtbild wird sich in den kommenden Jahren aufgrund mehrerer großer Baugebiete verändern. Irgendwann muss doch eine Grenze des Wachstums erreicht sein, oder?

Henseler: Wir müssen darauf achten, dass in Bornheim das Gleichgewicht zwischen Wohn- und Gewerbestruktur, Landwirtschaft und Freizeitgestaltung erhalten bleibt. Bornheim ist keine Stadt für achtgeschossigen Wohnungsbau. Ich würde aber niemals eine Einwohnerzahl nennen, bei der Schluss ist.

Ein wichtiger Faktor der Infrastruktur sind Kitas und Schulen. Was wird sich in diesem Bereich 2017 tun?

Henseler: Wir werden die Erweiterung der Sekundarschule in Merten fortführen und sicherlich die Entscheidung zur Erweiterung der Europaschule treffen. Dazu wird die Sanierung der Grundschule in Waldorf abgeschlossen. Dann muss die Entscheidung über weitere Sanierungen anstehen. Eigentlich wäre der alte Gebäudeteil der Grundschule in Walberberg dran und danach Roisdorf. Dann brauchen wir eine neue Kita für die Rheinorte. Zunächst geht es in diesem Fall darum, einen Standort und einen Träger zu finden. Generell wird die Anzahl der Kita-Plätze in Bornheim wachsen müssen.

Welche Rolle spielt beim Ausbau von Schulen und Kitas die Inklusion?

Henseler: Bei den Erweiterungen von Sekundar- und Europaschule fällt sicherlich ein Drittel bis die Hälfte unter das Thema Inklusion. Wir brauchen verstärkt Räume für Therapie oder als zeitweise Rückzugsmöglichkeit für Schüler, die in irgendeiner Form gehandicapt sind.

Schulen und Kitas zielen auf junge Familien ab. Muss Bornheim auch mehr für seine Senioren tun?

Henseler: Völlig klar ist: Wir werden alle älter. Wir haben eine Stelle in der Stadtverwaltung eingerichtet, die sich neben der Inklusion auch mit der demografischen Entwicklung beschäftigt. Auch haben wir einen sehr aktiven Seniorenbeirat, der schon viele Impulse gegeben hat. Im Grunde genommen müssen wir bei allem, was wir tun, den Blick der Senioren einbeziehen: etwa bei der Mobilität oder der Bauentwicklung. Eine Aufgabe ist, preiswerten Wohnraum für Senioren zu schaffen.

Wird sich 2017 etwas am Bahnhof Roisdorf tun?

Henseler: Ich kann mir vorstellen, dass wir 2017 mit der geplanten Bürgerwerkstatt beginnen. Roisdorf ist von seinem Umfeld her ein bisschen komplizierter als die Sanierung des Bahnhofs in Sechtem. Man muss die Bonner Straße einbeziehen, das Landgard-Gelände und die Fläche vor dem Bahnhof. In einer Bürgerwerkstatt mit allen Beteiligten kann es ein sehr spannendes Projekt werden. Wir müssen schauen, dass wir für die Kosten Zuschüsse einwerben. Das ganze Projekt ist aber eines für die nächsten zehn Jahre.

Die Resonanz auf den angestoßenen Stadtmarketingprozess scheint bisher nur mäßig zu sein. Wie geht es in diesem Jahr damit weiter?

Henseler: Wir hatten über 100 Teilnehmer bei den Bürgerforen. Es ist aber schwierig, mit einem abstrakten Thema die Menschen zu gewinnen. Ich finde jedoch interessant, was bei den Veranstaltungen herausgekommen ist. Wir wollen nun versuchen, Ideen davon etwa für stadtweite Veranstaltungen auf den Weg zu bringen. Es geht aber nicht darum, das Gefühl der einzelnen Ortsteile kaputt zu machen.

Was muss 2017 passieren, dass es für den Bornheimer Bürgermeister ein gutes Jahr wird?

Henseler: Die Projekte, die in der Wohn- und Gewerbeentwicklung sowie im Schul- und Kitabereich in der Planung sind, sollten ein Stück vorangebracht werden. Ich würde mich etwa freuen, wenn im Sommer die Erweiterung der Kita in Kardorf in Betrieb genommen wird. Wir haben eine kontinuierlich steigende Einwohnerzahl. Das macht deutlich, dass der Wohnungsmarkt ein wichtiges Thema ist. Es gilt, die Neubauprojekte in Merten, Bornheim, Sechtem und Hersel weiterzuentwickeln. Auch möchte ich am Ende des Jahres sagen, dass die Mitarbeiter der Stadtverwaltung in der Lage waren, ihre Aufgaben abzuarbeiten. Ende 2015, Anfang 2016 haben eine Menge Bereiche im Rathaus bis zum Anschlag und darüber hinaus gearbeitet. Das geht nicht dauerhaft!

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