Ein Spaziergang durch Alfter-Ort Viel mehr als nur Schloss und Kirche

Alfter · Wohnen auf dem Land oder in der Stadt? Wer sich nicht entscheiden kann, ist in Alfter gut aufgehoben. So wie Günter Benz (47), der mit seiner Frau Monika Benz-Jonas seit 20 Jahren hier wohnt.

Bis zum Siebengebirge über die Kirche Sankt Matthäus und das Schloss hinweg reicht der Blick.

Bis zum Siebengebirge über die Kirche Sankt Matthäus und das Schloss hinweg reicht der Blick.

Foto: Wolfgang Henry

Er schätzt die zentrale Lage und die gute Verkehrsanbindung an Bonn. Im Garten bauen er und seine Frau Gemüse an und halten Hühner, Kaninchen, Hunde und eine Katze. Mit ihrem Motorrad sind sie am Wochenende schnell in der Eifel. Er habe die Dorfstruktur liebgewonnen, meint Benz, der sich in Initiativen wie dem Förderverein Haus der Alfterer Geschichte engagiert.

Mit seinem Engagement ist er nicht allein. In Alfter gibt es 38 Vereine für knapp 9000 Einwohner. "Die Vereinsstruktur ist Wahnsinn", meint Benz. "Man kann hier alles machen."

Mitmischen kann man auch bei einem der örtlichen Feste auf dem Dorfplatz. Er liegt, wie es sich gehört, in der Mitte bei Grundschule, Einkaufszentrum und Bücherei. Gleich gegenüber steht das Schloss aus dem 12. Jahrhundert, das seine heutige Gestalt im 18. Jahrhundert erhielt. Nur einige Meter weiter, am Hertersplatz 13, ist ein pittoreskes Fachwerkhaus aus dem Jahr 1778 zu sehen.

Um das alte Lehmgeflecht sichtbar zu machen, wurde an einer Stelle der Putz aufgerollt. Weiter geht es durch die engen Gassen, die von Fachwerkhäusern gesäumt sind. Die Vergangenheit wird hier lebendig. Ortsvorsteher Werner Jaroch (68) erzählt von früheren Zeiten, als die Anwohner noch Steine an ihre Dürpel, die Türschwelle, legten. Nach Feierabend setzten sie sich darauf und erzählten sich bei einem Bier die Neuigkeiten des Tages. "Dürpel sitzen" wurde dieses Abendritual auch genannt.

Noch weiter in die Vergangenheit führt das Kriegerdenkmal am Herrenwingert, das 1913 errichtet wurde. Dort wird an die Alfterer Soldaten erinnert, die in den Kriegen von 1866, 1870/71 und den beiden Weltkriegen gefallen sind. Ein Denkmal, über das man spricht. Zum einen wurde es in diesem Jahr am bundesweiten Tag des Denkmals in die Liste der "unbequemen Denkmäler" aufgenommen. Zum anderen haben die Alfterer eine ganz eigene Sichtweise auf das Monument. Nach der Erbauung hieß es, der Soldat sehe aus "wie Bolles Köbes", sprich wie Jakob Bollig, der damalige Gemeindesozialarbeiter.

Ein paar Gässchen weiter stößt man auf den rund 4000 Quadratmeter großen Broichpark. Das Wort Broich oder Bruch bezeichnet ein Sumpfgebiet mit Busch- oder Baumbestand. In den 70er Jahren wurde hier ein Park angelegt. Einen Bachlauf und zwei Teiche gibt es hier, alte Bäume, Büsche, Rasenflächen und Skulpturen von Studenten der Alanus Hochschule in Alfter.

Ein Ensemble, das wie eine grüne Oase wirkt. Vogelexperte Wilhelm Robens hat darin bereits mehr als 30 Vogelarten und auch andere Tiere wie Blindschleichen, Igel und Fledermäuse beobachtet. Gepflegt wird der Park von den ehrenamtlichen Broichpaten, die auch das historische Pumpenhäuschen auf dem Gelände wieder instand setzen möchten. Es wurde um 1930 gebaut und versorgte die umliegenden Haushalte bis 1960 mit Wasser. Nähert man sich dem Häuschen, hört man das Rauschen der Quelle, aus der das Wasser einst hochgepumpt wurde. Die Zukunft des Parks ist noch unklar.

Wie berichtet, hat ein Ingenieurbüro der Gemeinde zum Bau von Hochwasserrückhaltebecken auf dem Gelände geraten, um die Überschwemmungsgefahr für den Ort zu minimieren. Broichpaten wie Günter Benz treten dafür ein, andere Lösungen zu finden. Denn der Broichpark sei "die grüne Lunge Alfters". Wer noch mehr Grün sehen will, geht den Buchholzweg hoch zum Friedensweg.

Gestaltet wurde er von Wilhelm Maucher (1903-1993). Der Landwirt kelterte im Jahr 1953 auf Anregung von Wirtschaftsminister Ludwig Erhard erstmals den Brombeerwein "Rebellenblut". Die Namensgebung ging auf Mauchers Ruf als "Rebell vom Vorgebirge" zurück, der die Anliegen der Landwirte vehement gegenüber Behörden, Politikern und Besatzungsmächten vertrat. Er verlegte Gedenksteine mit pazifistischen Aufschriften.

Neben zehn Friedensgeboten wie "Von Atom- und Neutronen-Bomben befreiet uns" erinnert er auch an die Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner. Auch hier sind Alfterer rührig am Werke: Der Friedensweg wird von Ehrenamtlichen gepflegt. Ebenso wie die Judas Thaddäus Kapelle oberhalb von Birrekoven, Anlaufpunkt für Gläubige aus der Region.

Judas Thaddäus gilt als Patron der verzweifelten und hoffnungslosen Fälle. In der Nähe des Friedenswegs liegt der Aussichtspunkt Böhling, von dem man einen guten Blick bis nach Bonn, zur Kölner Bucht und zum Siebengebirge hat. Im Sommer sitzen hier Alfterer mit dem "Quetschbügel", dem Schifferklavier, machen Musik und essen Erbsensuppe. Und planen schon für die Festlichkeiten im Jahr 2017: Denn dann wird im Ort die 950-Jahr-Feier begangen.

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