Leben entrümpelt Minimalist aus Alfter besitzt weniger als 50 Gegenstände

Alfter · Joachim Klöckner war bereits zu Gast in einigen Talkshows und hat ein Buch geschrieben: Was den 69-Jährigen aus Alfter besonders macht, ist sein Minimalismus. Denn sein sämtlicher Besitz passt in einen Rucksack.

 Joachim Klöckner steht vor dem Alfterer Schloss. Jeden Tag geht er in der Region spazieren.

Joachim Klöckner steht vor dem Alfterer Schloss. Jeden Tag geht er in der Region spazieren.

Foto: Axel Vogel

„Eigentlich bin ich Maximalist“, sagt Joachim Klöckner und lacht. Das wirkt mit Blick auf seinen gelben Rucksack, der ihn überall hin begleitet, ein wenig ironisch. Denn in diesen Rucksack passt sein gesamter Besitz. Nur seinen Poncho hat der 69-Jährige nicht mit ins Café gebracht. Wobei dieser Poncho eigentlich eine weiße Ikeadecke ist, in die er einen Schlitz geschnitten hat.

Klöckner hat vor rund 20 Jahren begonnen, sein Leben wortwörtlich zu entrümpeln, und doch würde er niemals von Verzicht sprechen. „Ich habe meine Zeit, meine Freiheit und mein Glück maximiert“, erklärt er seine anfängliche Aussage. Obwohl er weniger als 50 Dinge sein Hab und Gut nennt, geht es für ihn nicht darum, möglichst viel zu reduzieren. „Das hat sich mit den Jahren einfach so entwickelt“, sagt er. Angefangen habe alles 1986 – also in dem Jahr der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl. „Ich stand auf einem Straßenfest, und da rieselte etwas auf mich hinunter. Schnee konnte es nicht sein, denn ich stand bei bestem Wetter in Flip Flops da.“

Ihm geht es darum, glücklich zu sein

Der gelernte Maschinenbauer begann umzudenken. „Ich habe gedacht: 'Es gibt was zu tun' und bin Energieberater geworden.“ Beruflich und privat änderte sich viel, doch es ging ihm nie darum, sich selbst etwas zu verbieten. „Je nach Jahrszeit besitze ich auch wieder mehr – Minimalismus ist nicht mein Schwerpunkt, es ist ein Begleiteffekt meiner Lebensweise.“ Dennoch kann Klöckner nur mit Handgepäck einen Umzug bestreiten. „Je weniger tote Gegenstände ich habe, desto mehr Raum, Zeit und Energie bleibt für Lebendiges“, fasst er seine Philosophie zusammen.

Für ihn gibt es drei universelle Qualitäten: Selbstsein, Verbundenheit und Kooperieren. Das Zusammenkommen dieser drei Qualitäten ist wie sein persönliches Glücksrezept. In Unterhaltungen mit ihm fallen viele Wortkonstruktionen, die erst beim zweiten Hinhören wirken, dafür aber umso intensiver. Eines davon ist das gesellige Alleinsein: „Wenn ich im Café ohne Begleitung sitze, aber umgeben bin von anderen Menschen, Kindern, Hunden, das macht mich glücklich.“ Denn eigentlich ginge es nur darum – Glück.

Auf dem stetigen Weg dorthin gibt es für ihn die sogenannte „Win-win-win“-Lebensweise, die er auch in Seminaren versucht, anderen näherzubringen: „Ich tue etwas Gutes für mich, für andere und für die Mitwelt.“ Durch diese Weise zu leben habe er Zeit und Energie für andere, könne helfen, zuhören und ressourcenschonend leben.

Schnupperstudium an der Alanus Hochschule

Nach einigen Talkshow-Besuchen und Artikeln über ihn wird Klöckner häufiger auf der Straße angesprochen. Der weiße Overall und das gelbe Halstuch sind sein Markenzeichen. Die meisten wollen ein Foto oder gemeinsam einen Kaffee trinken gehen. „Nichts lieber als das – genau das meine ich mit Verbundenheit. Ich bin froh, die anderen sind froh, was will man denn mehr?“ Etwas Besonderes sei seine Lebensform für ihn allerdings schon lange nicht mehr: „Es ist normal geworden, und mir fehlt es an nichts.“

Viele seiner Entscheidungen sind auch von Pragmatismus geprägt: „Weiß ist der Overall eigentlich nur, damit ich mit meinen wenigen Klamotten nichts habe, was abfärben könnte in der Waschmaschine.“ Dennoch möchte er niemanden bekehren. „Zu viele Menschen denken irgendwann, sie haben alles verstanden. Wäre das so, würde unsere Welt anders aussehen.“ Er selbst würde nur erzählen, wie für ihn ein gutes Leben aussieht, und wenn das andere Menschen animiere, freue er sich. Das einzige Wachstum, das der 69-Jährige möchte, lässt sich wieder in drei Kategorien aufteilen: Bildung, Kreativität und Empathie. Klöckners Leben ist stark von seiner schier unendlich wirkenden Neugier geprägt. Nach Jahren in Bonn und Berlin entdeckte der Rentner durch Zufall das Schnupperstudium an der Alanus Hochschule „Philosophy, Arts and Social Entrepreneurship“.

Seit rund einem Jahr lebt er bei einer Bekannten in Alfter, hat an der Hochschule zahlreiche Kurse belegt, und Anfang des Jahres erschien sein Buch: „Der kleine Minimalist.“ Doch seine Reise ist noch lange nicht vorbei: „Mit dem Gefühl der Heimat kann ich wenig anfangen. Ich möchte bald nach Griechenland reisen.“ Außerdem seien bereits ein Filmprojekt und ein weiteres Buch geplant.

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