Alanus Hochschule in Alfter Die heilende Kraft der Ästhetik

ALFTER · Malerei, Musik, Tanz oder Theater versüßen vielen Menschen das Leben. Den meisten dient Kunst als netter Zeitvertreib. Einige Wissenschaftler sind jedoch überzeugt: Künstlerisches Gestalten hat auch eine heilende Wirkung.

 Eine Form der Kunsttherapie: Eine Hirntumor-Patientin in der Malwerkstatt in Münster.

Eine Form der Kunsttherapie: Eine Hirntumor-Patientin in der Malwerkstatt in Münster.

Foto: dpa

Gerade bei der Behandlung von psychischen Krankheiten könnten mittels künstlerischer Therapie Erfolge erzielt werden, die mit konventioneller Medizin unmöglich wären.

Doch die Forschung in diesem Bereich geht nur langsam voran. Die Alanus Hochschule möchte deshalb nachhelfen: Sie hat ein neues Forschungsinstitut für künstlerische Therapien gegründet. Unterstützt wird die Hochschule dabei von der Software AG Stiftung, einer gemeinnützigen Förderstiftung, die 650.000 Euro für das Projekt zur Verfügung stellte. Gemeinsam mit rund 60 Gästen feierte die Hochschule nun die Eröffnung des neuen Instituts.

"Es hat viel Anlauf benötigt, aber: Was lange währt, wird endlich gut", sagte Rektor Marcelo da Veiga in seiner Eröffnungsrede. Denn schon seit 2005 gab es Pläne der Software AG Stiftung, ein Forschungsinstitut für künstlerische Therapien zu unterstützen. Zahlreiche Hürden hatten der Verwirklichung aber immer wieder im Wege gestanden. Da Veiga freute sich nun sichtlich, den Abschluss des gemeinsamen Projektes verkünden zu können. "Die Eröffnung dieses Instituts ist ein ganz wichtiger Schritt für unseren Fachbereich Künstlerische Therapien und auch für die ganze Hochschule. Außerdem ist es ein dezidierter Versuch, die Forschung in diesem Feld voranzutreiben."

Silvia Eller von der Stiftung zeigte sich erfreut und sagte, die Stiftung unterstütze bereits diverse Projekte im anthroposophischen Bereich. Die wissenschaftliche Herangehensweise an das Thema sei besonders wichtig. Immer mehr Menschen wünschten sich Alternativen zu der herkömmlichen medizinischen Behandlung. Das Ziel müsse deshalb sein, künstlerische Therapien für einen breiten Kreis von Patienten zugänglich zu machen. Das könne nur gelingen, wenn die Wirksamkeit solcher Therapien wissenschaftlich nachgewiesen würde. Man habe zwar bereits viele positive Erfahrungen mit künstlerischen Therapien gemacht, doch würden im Gesundheitssystem nur belegte Erkenntnisse anerkannt.

Die Zielsetzung der Hochschule ist ambitioniert: Die heilende Wirkung von künstlerischen Therapien wissenschaftlich nachzuweisen, hat bislang noch niemand geschafft. Gelingen soll das Kunststück Sabine Koch. Die 48-Jährige hatte zuletzt Lehrstühle an der SRH Hochschule Heidelberg und der dortigen Universität. In ihrer Forschung wird sie unterstützt von der Universität Witten/Herdecke, mit der die Alanus Hochschule für das Projekt zusammenarbeitet.

Die Forschung am Institut soll sowohl praktisch als auch theoretisch erfolgen. "Wir wollen beispielsweise mit einem Van zu Patienten nach Hause fahren und dort in vertrautem Umfeld mit ihnen arbeiten", sagt Koch.

Der Ablauf einer künstlerischen Therapie unterscheidet sich gar nicht so sehr von einer konventionellen psychologischen Behandlung. "Zuerst überlegen wir wie jeder “normale„ Psychologe: Wo liegt eigentlich genau das Problem des Patienten? Wir fragen uns dann aber: Auf welches Medium spricht der Patient am besten an? Und damit arbeiten wir", erläutert Koch. So malen Patienten Bilder, komponieren Musik oder spielen Theater, anstatt Tabletten zu nehmen. Anschließend werden Schaffensprozess und Ergebnis ausgewertet.

Anwendung finden künstlerische Therapien vor allem bei Menschen, die sich verbal nicht gut ausdrücken können - sei es wegen einer psychischen Erkrankung, oder weil sie ganz einfach zu verschlossen sind. Auch bei der Arbeit mit traumatisierten Flüchtlingen kommen künstlerische Therapien zum Einsatz, denn hier steht oft die Sprachbarriere einer herkömmlichen psychologischen Behandlung im Weg.

Künstlerische Therapien sind für Sabine Koch aber nicht nur ein Ersatz für konventionelle Heilungsmethoden. "Manchmal kann man medizinisch gar nicht so viel machen. Bei Autismus ist das zum Beispiel der Fall. Auf solchen Gebieten sind alternative Therapien der herkömmlichen Medizin überlegen", sagt Koch. Sie schränkt aber ein: Ganz ersetzen könne die künstlerische Therapie konventionelle Behandlungsmethoden aber nie. Man müsse die Therapien als Zusatzangebot verstehen, das gleichberechtigt neben der klassischen Medizin steht.

Koch ist ist überzeugt davon, dass künstlerische Therapien Angst und Stress reduzieren sowie die Lebensqualität steigern können. Sollte sie das auch wissenschaftlich beweisen können, würde dies die Behandlung psychisch Erkrankter wohl ein großes Stück voranbringen.

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