Muttertag in Vorgebirge und Voreifel „Erziehung war Frauensache“

RHEIN-SIEG-KREIS · Zum Muttertag an diesem Sonntag berichten Mütter aus drei Generationen über ihre Rolle in der Familie. Ein himmelweiter Unterschied.

 Sie liebt ihren Garten: Die Heimerzheimerin Eva Stüsser hat ihre Kinder in den 1950er und 60er Jahren erzogen.

Sie liebt ihren Garten: Die Heimerzheimerin Eva Stüsser hat ihre Kinder in den 1950er und 60er Jahren erzogen.

Foto: Hans-Peter Fuß

Es war ein himmelweiter Unterschied, Kinder in den 1950er, den 1980er Jahren oder heute zu erziehen. Der gesellschaftliche Wandel spiegelt sich auch in der unterschiedlichen Interpretation der Mutterrolle. Der General-Anzeiger hat vor dem Muttertag an diesem Sonntag mit drei Müttern aus drei Generationen gesprochen und sie gefragt, wie sie Mutterrolle ge- und erlebt haben.

Eva Stüsser aus Heimerzheim ist 87 Jahre alt. 1952 heiratete sie ihren 2005 verstorbenen Mann Peter Stüsser. Sie hat drei Kinder. Engelbert wurde 1953 geboren, Josefine 1959, Karl-Heinz 1962. „Eine ausführliche Vorbereitung auf die Geburt gab es in den 50er Jahren nicht“, berichtet Eva Stüsser. Es gab keine Schwangerschaftsgymnastik und keine Voruntersuchungen. Kurz vor der Niederkunft habe ihr die Hebamme Elisabeth Schneider geraten, sich ab sofort nicht mehr zu bücken. Die Antwort von Stüsser damals: „Dann ist es ja gut, dass ich gestern noch die Bohnen gesät habe.“

Als die Kinder da waren, ging Eva Stüsser einmal im Monat zur Mütterberatung. Dort wurden die Kinder gewogen, gemessen und untersucht. Den Brei aus Möhren, Spinat oder Kartoffeln kochte sie immer frisch, denn bis Babynahrung im Gläschen zu kaufen war, sollten noch einige Jahre vergehen. Gekocht wurden auch die Windeln, jeden zweiten Tag einen ganzen Waschkessel voll, denn die Wegwerfwindel Marke Pampers war noch nicht erfunden. „Das war schon harte Arbeit, das kann sich heute keiner mehr vorstellen“, erzählt Stüsser. Berufstätig war sie nicht – wie viele Frauen ihrer Generation. „Mein Mann war Beamter bei der Bundesbahn. Und ich war eben für den Haushalt und die Kinder da, Erziehung war ja früher Frauensache.“ Als Dank deckten die Kinder dann am Muttertag den Frühstückstisch und schenkten ihr Blumen

Doris Muhr aus Alfter ist 53 Jahre alt. Auch sie hat drei Kinder: Stephanie (geboren 1985), Yvonne (1987) und Sebastian (1996). Ihr ist der Muttertag nicht so wichtig. „Wichtiger ist es mir, dass wir das ganze Jahr über füreinander da sind“, sagt sie. Doris Muhr war die Familie auch wichtiger, als um jeden Preis beruflich Karriere zu machen. Die ausgebildete Versicherungskauffrau machte nach der Geburt von Stephanie sechs Monate Babypause, nach der Geburt von Yvonne acht Monate und nach Sebastian drei Jahre. Dank der Unterstützung der Familie, die ebenfalls in Alfter wohnt, schaffte sie den beruflichen Wiedereinstieg ohne Probleme. Als die Mädchen noch klein waren, versorgte Ehemann Jürgen sie morgens, ehe er sich auf den Weg zur Uni nach Bonn machte, denn er studierte damals noch. Nach dem Frühstück übernahmen dann Mutter Agnes Palm oder Schwiegermutter Resi Muhr die Betreuung der Kinder. „Mittags kam ich dann aus dem Büro zurück. Wir haben noch gemeinsam gegessen, dann war ich wieder für die Kinder da“, so Doris Muhr.

Als Sebastian 1996 zur Welt kam, wurde er gleich von drei Müttern umsorgt, nämlich von Mama Doris und seinen beiden Schwestern, so scherzte man damals in der Nachbarschaft. Zum Muttertag bastelten die Kinder immer etwas für die Mutter oder besorgten kleine Geschenke. Jeden Donnerstag trifft sich Doris Muhr mit ihren Töchtern und manchmal auch ihrer Mutter zum „Mädelsabend“. Dann kochen die Frauen aus drei Generationen zusammen, essen gemeinsam, klönen oder schauen sich einen Film an. Am morgigen Muttertag ist im Hause Muhr ein gemeinsames Frühstück geplant, dann geht es zur Probe des Freilichttheaters. Denn Doris Muhr spielt mit im Stück „Jim Knopf und die wilde 13“.

Ariane Thiel, 34 Jahre, als Diplom-Verwaltungswirtin Beamtin bei der Stadt Bonn, wohnt mit Ehemann Markus und den Kindern Julian (4 Jahre) und Laura (8,5 Monate) in Oberdrees. Zurzeit ist sie in Elternzeit. „Meine Kinder sind für mich das Größte. Sie bringen unglaublich viel Fröhlichkeit in mein Leben“, schwärmt sie. Obwohl die Kinder auch Verzicht bedeuten, wie sie einräumt, zum Beispiel in Hinblick auf Schlaf oder Freizeitvergnügen. Bewusst habe sie ihre Kinder erst recht spät bekommen, um zunächst im Beruf Fuß zu fassen. „Berufliche Karriere zu machen, ist mit Kindern deutlich schwieriger, zumindest dann, wenn man einen Großteil der Betreuung selbst übernehmen möchte“, sagt Ariane Thiel. Das Elterngeld heute erleichtere eine „Berufspause“ aber wirtschaftlich zumindest in der ersten Zeit.

Als Sohn Julian zwei Jahre alt war, war sie mit 18 Stunden wieder berufstätig, während Julian erst zur Tagesmutter, dann in den Kindergarten ging. „Mit dem Wiedereinstieg in den Beruf wurde es natürlich komplizierter. Manchmal hat man schon das Gefühl, weder dem Beruf noch den Kindern ausreichend gerecht zu werden“, sagt sie. Aber zum Glück könne sie auf ein gutes Netzwerk mit Eltern und Schwiegereltern zurückgreifen. Als besonders wertvoll für die Familie betrachtet Ariane Thiel die Möglichkeit für Väter, ebenfalls Elternzeit zu nehmen. Bei jedem Kind hat Ehemann Markus dies für zwei Monate genutzt. „Das ist für die Vater-Kind-Beziehung toll“, sagt Ariane Thiel. Insgesamt kritisch sieht sie einen gewissen Druck von außen: „Man bekommt als Mutter schon ein schlechtes Gewissen, wenn man keinen der vielen Erziehungsratgeber liest und die Kinder keinen der Frühförderkurse besuchen. Ich tröste mich dann mit dem Gedanken, dass meine Generation und die davor auch ohne diese Dinge groß geworden sind und auch aus ihnen etwas geworden ist.“

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