Festival zieht um Rock am Ring verlässt den Nürburgring

NÜRBURGRING · Kaum hat der insolvente Nürburgring einen neuen Betreiber, verliert die Rennstrecke einen seiner prestigeträchtigsten Kunden: Das Megaevent Rock am Ring. Die neuen Betreiber planen eine Kopie.

David Bowie, U2, Joe Cocker, Robbie Williams oder Depeche Mode - seit 1985 zieht das Festival Rock am Ring die Megastars in die Eifel. Nicht einmal 20 Bands teilten sich am Anfang eine Bühne. Doch je mehr Musik geboten wurde, desto mehr Zuschauer kamen: Inzwischen sind regelmäßig weit mehr als 80 Auftritte angesetzt, die Zuschauerzahl erreichte vergangenes Jahr mit 87 000 einen Rekordwert.

Auch am Pfingstwochenende pilgern wieder Zehntausende Fans an den Nürburgring, um Bands wie Metallica, Kings of Leon oder Iron Maiden zu feiern. Viele von ihnen sicher mit Wehmut, denn es wird das letzte Mal sein, dass das Spektakel an seinem alten Standort in der Eifel über die Bühne geht.

[kein Linktext vorhanden]Im Streit um Gewinnanteile haben sich der neue Betreiber der Rennstrecke, der Autozulieferer Capricorn, und Konzertveranstalter Marek Lieberberg entzweit. Mit dem Ergebnis, dass es kommendes Jahr voraussichtlich ein Festival mehr geben wird: Lieberberg will mit Rock am Ring im kommenden Jahr an einen anderen, bisher noch unbekannten Ort ziehen - und damit sein 30-jähriges Bestehen nicht an seiner Ursprungsstätte feiern.

Rock am Ring: 2014 unter anderem dabei...
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In der Region ist man entsetzt. Erst vor wenigen Wochen hatte Capricorn den Nürburgring gekauft. Erwartet wurde, dass die bisherigen Großveranstaltungen auch in Zukunft bestehen bleiben könnten. Rock am Ring gehört zu den größten Musik-Events in Europa. Angeblich soll es jedoch am Ring in Zukunft musikalisch weitergehen. Der neue Besitzer plant, ein "internationales Rockfestival mit hochkarätiger Besetzung" auf die Beine zu stellen. Am Dienstag sollen Einzelheiten vorgestellt werden.

"Wir haben einige Gespräche geführt. Das letzte ist geradezu unerfreulich verlaufen. Man hat einen Vorschlag, den ich zur Güte gemacht habe, doch das 30-jährige Jubiläum im nächsten Jahr noch in Ruhe durchzuführen, abgelehnt", erklärte Rock-am-Ring-Chef Lieberberg im Südwestrundfunk, "die neuen Herren am Ring haben uns sozusagen den Stuhl vor die Tür gestellt." So sei ihm keine andere Wahl geblieben, als die Öffentlichkeit und auch die Fans zu informieren.

Capricorn habe einen größeren Anteil am Gewinn gefordert. Das aber sei wirtschaftlich nicht vertretbar, so Lieberberg. Angeblich wollte Capricorn eine Beteiligungssteigerung von 25 Prozent, der bisherige Anteil am Gewinn sei unzureichend gewesen.

Nun plane Veranstalter Lieberberg, "Rock am Ring" an einem anderen Ort fortzusetzen. Der Hockenheimring oder auch der Lausitzring sind bereits im Gespräch. Er sei mit verschiedenen Veranstaltungsorten im Gespräch, sagte der Festivalorganisator. "Mit sehr viel Wehmut und Nostalgie verabschieden wir uns vom Ring", meinte er gestern.

Kurz nach Bekanntwerden der Rückzugsnachricht meldete sich auch die Landesregierung in Mainz zu Wort: "Wir bedauern die Ankündigung, dass das Rock-Spektakel Rock am Ring in diesem Jahr zum letzten Mal am Nürburgring stattfinden soll. Wir gehen aber davon aus, dass der neue Eigentümer des Nürburgrings, die Firma Capricorn, ein alternatives und tragfähiges Konzept entwickeln wird, mit dem die Kündigung von Rock am Ring kompensiert werden kann. Capricorn hat immer erklärt, dass es ihr Ziel ist, den Nürburgring und die Region positiv weiterzuentwickeln."

[kein Linktext vorhanden]Die rheinland-pfälzische CDU-Landtagsfraktion sieht das Aus für Rock am Ring in der Eifel als Beleg für das Scheitern der Landesregierung bei der Neuausrichtung des Nürburgrings. "Mit dem Verkauf an einen privaten Investor sind die vielen Probleme entgegen der Hoffnung von Ministerpräsidentin Dreyer und ihrem Kabinett noch lange nicht gelöst", sagte Fraktionsvize Alexander Licht. Von einer positiven Weiterentwicklung der Region nach dem Verkauf der legendären Rennstrecke kann der Bürgermeister der inmitten des Nürburgringes gelegenen kleinen Ortsgemeinde Nürburg, Reinhold Schüssler, nichts verspüren. Er sprach vielmehr von einem "Riesenschaden".

[kein Linktext vorhanden]"Für unseren Ort und das gesamte Umland ist das eine sehr bittere Pille", sagte der 79-Jährige. Die 80 000 Festivalbesucher hätten in den vergangenen Jahren viel Geld in den Ort gespült: "Es gab immer ein volles Haus. Da war Verlass drauf, egal welches Wetter wir in der Eifel hatten." Der Hotellerie, der Gastronomie, den Campingplatzbetreibern, den Parkplatzbesitzern gingen künftig wertvolle Einnahmen verloren. Schüssler: "Von den Geschäften, angefangen von den Lebensmittelhändlern, den Discountern bis hin zu den Tankstellen ganz zu schweigen." Offensichtlich habe der neue Eigentümer des Nürburgrings die Kosten "so hochgeschraubt, dass die Veranstalter des Festivals Rock am Ring keine Lust mehr haben, dieses für uns so wichtige Event weiter durchzuführen", meinte Schüssler.

[kein Linktext vorhanden]Er habe diese Entwicklung nach dem Verkauf des Nürburgrings an Capricorn so kommen sehen. "Unsere Befürchtungen haben sich bestätigt. Ich bin von den neuen Nürburgring-Besitzern sehr enttäuscht, zumal uns die Landesregierung doch immer wieder versprochen hatte, dass gerade diese für die Region so wichtigen Veranstaltungen alle erhalten bleiben", so der Bürgermeister der 200 Seelen-Gemeinde.

Völlig überrascht von der Ankündigung der Veranstalter, "Rock am Ring" nicht mehr am Nürburgring stattfinden zu lassen, wurde gestern auch der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Adenau, Guido Nisius, der sich derzeit in Südtirol im Urlaub befindet. "Ich war nichtsahnend auf Wanderschaft, als mich die schlimme Nachricht erreichte", so der Bürgermeister, der von einem "Schlag ins Gesicht" sprach. "Ich habe mit vielem gerechnet, aber damit nicht", sagte Nisius. Es trete nun genau das Gegenteil von dem ein, was die Nürburgring-Käufer noch vor wenigen Wochen versprochen hatten: Dass nämlich derartige Großveranstaltungen zum Wohle der Region am Ring bleiben würden. Nisius: "Das ist schon ein starkes Stück."

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