Rock am Ring Lebende Legenden und coole Jungstars

NÜRBURGRING · Besser könnte der Abschied von Rock am Ring nicht laufen: 80 000 Fans feiern bei strahlendem Sonnenschein die letzte Auflage des Kultfestivals am Nürburgring. Die Stimmung ist entsprechend ausgelassen - zahlreiche Künstler begeistern das Publikum.

Unsere Reporter sind das gesamte Wochenende über am Ring und versorgen die GA-Leser via Fotos, Videos und Tweets stets mit aktuellen Informationen.

Der GA-Bericht von den ersten beiden Tagen

Am Freitag hat der britische Songwriter Jake Bugg für ein erstes Highlight gesorgt. Kaltschnäuziger als Bob Dylan 1965 die E-Gitarre in die Hand nahm, läutete der mit Dylan stimmverwandte 20-Jährige so abgebrüht den Abend ein, als würde er täglich vor Zehntausenden auf den Hauptbühnen dieser Welt stehen. Vor allem die Mitwipp-Songs des ersten Albums passten gut in das sonnige Ambiente. Überragend jedoch war ausgerechnet eine Coverversion: Neil Youngs "Hey hey, my my", spielte Bugg - halb akustisch, halb elektrisch - mit einem Selbstverständnis, als würde Großmeister Young selbst auf der Bühne stehen. Ein großer Festival-Moment. Diese Reifeprüfung hat der wortkarge Mann aus Nottingham locker bestanden.

Am Donnerstag hatten Falling In Reverse, Pennywise und The Offspring die Hauptbühne gerockt. Besonders letztere lieferten - mit schwarzen Klamotten, schwarzen Instrumenten, schwarzen Sonnenbrillen und schwarzen Trinkbechern (!) - ein routiniert getaktetes Hit-Festival ab, so dass man ihnen die 20 Jahre seit dem Erfolgsalbum "Smash" nur an den kleinen Wohlstandsbäuchen anmerken konnte. Sie bereiteten stimmungsmäßig den idealen Boden für Iron Maiden.

Den Briten waren die knapp 40 Jahre Bandgeschichte nicht anzumerken, als sie überfallartig die Bühne stürmten. Die vier Gitarristen verlegten ihren Stammplatz dann auch gleich an die vorderste Front und schaukelten sich gegenseitig immer wieder zu neuen Spitzen der Virtuosität hoch. Sänger Bruce Dickinson ließ unterdessen keinen Zentimeter der Bühne unangetastet und schwenkte wahlweise Mikroständer oder den Union Jack, als wäre Schwenken ab morgen verboten. Gesanglich spielt er ohnehin in der Champions League. Für eine Band wie Iron Maiden muss der Begriff "Lebende Legende" erfunden worden sein. Die Metal-Urgesteine feierten eine nahezu mystische Metal-Party voller musikalischer Klasse und Wucht in einer eisigen Kulisse, die durch spektakuläre Feuer-Effekte konterkariert wurde. Daran konnte dann Überraschungs-Künstler Cro kaum anschließen. Der Rapper mit der Panda-Maske fand in den ersten Stunden des Freitags aber dennoch sein Publikum.

"The Fratellis" ist eigentlich ein seltsamer Name für eine schottische Band. Aber irgendwie gefiel den Jungs der Mädchenname der Mutter des Bassisten Barry Wallace wohl so gut, dass sich gleich alle Bandmitglieder ihren alten Familiennamen abgelegt haben und nun Fratelli heißen.

In der brennenden Mittagssonne spielt die nach vorübergehender Trennung nun wiedervereinte Brit-Pop-Familie vor einem entspannt wirkenden Publikum, vor allem ihre alten Hits wie "Whistle for the Choir" und "Chelsea Dagger" reißen die Fans mit. Mehr als ein paar Gitarren, Bass, Piano und Schlagzeug brauchen sie nicht, um richtig gute Musik zu machen. Die britische Band Kasabian mag es ein wenig aufwendiger. Ihre Songs sind komplexer, trotzdem mischen sie das Publikum vor der Centerstage mit druckvollem Sound und pumpenden Rhythmen auf. Frontmann Tom Meighan, ganz in Schwarz, reißt die Menge in Songs in "Club Foot" oder "Re-Wired" mit, Tausende Fans reißen die Arme hoch und hüpfen im Takt. Um acht Uhr war ihr Auftritt gestern zu Ende, im Publikum bekämpft man mit Wasser, Saft und Bier die drohende Dehydrierung. Zum Auftritt von Mando Diao aus Schweden muss man schließlich fit sein. Die Band hat gerade erst eine neue CD herausgebracht, Aelita heißt sie, nach einem russischen Synthesizer. Mit diesem Gerät katapultieren sich die schwedischen Indie-Rocker klanglich in die Disco-Szene der 70er und 80er Jahre, was bei ihren Fans ziemlich polarisierende Reaktionen hervorgerufen hat.

Die blondierten Haare von Gustav Norén, neben Björn Dixgard zweiter Frontmann der Band, unterstreichen den Imagewandel auf kuriose Weise. Bei Rock am Ring, wo die Schweden Stammgäste sind, trat Gustav Norén mit einer pathetischen Ansprache vors Publikum und sprach von Kristian Gidlund, dem Drummer der Band seines Bruders "Sugarplum Fairy", der seinen Kampf gegen den Krebs verloren habe, und begann mit der ruhigen Nummer "If I Don`t Have You". Anschließend aber ging es auf der mit weißen Stellelementen ausgestatteten Bühne tanzbarer weiter. Auch die alten Songs werden Disco-mäßig aufgepeppt. "Gloria", zum Beispiel, klingt fast, als hätten sie es für Gloria Gaynor geschrieben. ein Ausflug in die Caligola-Phase ist auch dabei: "Forgive Forget" geht ordentlich in die Beine. Aber so richtig überzeugt die neueste Neuerfindung Mando Diaos am Ende doch nicht. Da sind die Editors, die auf der Alternastage aufschlugen, schon besser. Die britische Indie-Rock-Band um den charismatischen, von der Natur mit einer sonoren Baritonstimme begabten Sänger Tom Smith die bessere Alternative.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort