Rennstrecke bei Adenau Vor 90 Jahren begann der Bau des Nürburgrings

NÜRBURG · Vor 90 Jahren wurde der Grundstein zum Nürburgring gelegt. Ein Besuch bei Gisela Herbstrith, der 93-jährigen Tochter des Erbauers und ein Rückblick auf die Entstehungsgeschichte.

Vor 90 Jahren begann der Bau des Nürburgrings. Das Foto gehört zum Nachlass von Josef Schwang, später Werbeleiter des Kurses.

Vor 90 Jahren begann der Bau des Nürburgrings. Das Foto gehört zum Nachlass von Josef Schwang, später Werbeleiter des Kurses.

Foto: Steilstrecke

Sie strahlte mit der Sonne um die Wette und wusste gar nicht, wo sie zuerst hinschauen sollte: Hier der moderne Grand-Prix-Kurs, dort die altehrwürdige Nordschleife. Die 93-jährige Gisela Herbstrith genoss den weiten Ausblick vom Turm der Nürburg. Sie genoss den Ausflug zum Nürburgring, den ihr Vater, Otto Creutz, als Landrat des damaligen Kreises Adenau erbauen ließ. Seit der Grundsteinlegung 1925 sind 90 Jahre vergangen.

"Bei uns zu Hause gab es immer nur ein einziges Thema: den Nürburgring", erinnert sich Gisela Herbstrith, die von Pforzheim, wo sie einst den Schmuckfabrikanten Otto Herbstrith geheiratet hatte, zum Nürburgring gereist war. Zuletzt war sie 2011 am Ring gewesen. Sie kletterte auf die Nürburg, sie besuchte den nach ihrer Mutter benannten Streckenabschnitt Hedwigshöhe und das Caracciola-Karussell, sie besichtigte das Denkmal für ihren Vater unweit des historischen Fahrerlagers, und sie blickte fasziniert auf die Menschenschar bei der FIA Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC).

"So viele Menschen am Nürburgring, das ist toll", freute sich Gisela Herbstrith. Voller Ehrfurcht spricht die dynamische Seniorin von den Taten ihres Vaters, der sich unermüdlich für den Bau einer geschlossenen, verkehrsunabhängigen Rennbahn rund um die Nürburg eingesetzt hatte. "Er war sich sicher, dass das Automobil immer mehr an Bedeutung gewinnen würde", sagte Herbstrith.

Herbstrith: Faszination für den Nürburgring ist ungebrochen

1922 in Bitburg geboren, war sie drei Jahre alt, als der Grundstein gelegt wurde. 90 Jahre später ist sie unumwunden stolz auf das, was ihr Vater in der Eifel geschaffen hat. Ihre Faszination für den Nürburgring ist ungebrochen. "Ich bin so gerne mit dem Auto über die Nordschleife gefahren", erzählt sie mit leuchtenden Augen. "Mit 88 bin ich meine letzte Runde gefahren. Jetzt sind meine Augen nicht mehr gut genug, um selbst zu fahren, leider."

Aber die Runde Nordschleife musste auch bei diesem Nürburgring-Besuch sein, dann halt eben auf dem Beifahrersitz, wenn schon nicht selbst hinter dem Lenkrad. Auch der Abstecher nach Adenau durfte nicht fehlen, um ihre alte Schule am heutigen Dr. Creutz-Platz oder andere Gebäude aus jener Zeit zu sehen, als sie eine nach eigenen Worten glückliche Kindheit in Adenau verlebte.

Adenau war damals Kreisstadt, aber es war der ärmste Kreis im Deutschen Reich. Nicht umsonst bezeichnete man die Eifel-Region als das "Sibirien Preußens". Der erste Gedanke an den Bau einer Rennstrecke war schon im Kaiserreich aufgekommen. Taunus, Eifel oder Lüneburger Heide waren als Standorte im Gespräch.

Im Mai 1945 wird der Bau beschlossen

Der Bonner Hans Weidenbrück gründete am 31. Januar 1925 den Automobil-Club von Adenau und regte sogleich den Bau einer Gebirgs-Rennstrecke auf den öffentlichen Straßen rund um die Nürburg an. Nach ersten Verhandlungen vor allem mit der Kreisverwaltung und Landrat Creutz, folgten am 15. April des gleichen Jahres grundlegende Besprechungen im Wohlfahrts-Ministerium in Berlin über die Anerkennung des Baues einer "Gebirgs-, Renn- und Prüfungs-Straße" als große Notstandsarbeit im Rahmen einer "produktiven Erwerbslosenfürsorge", wie es damals hieß.

Otto Creutz ging es nur indirekt um ein Sport- und Testfeld für die Industrie, vielmehr erkannte der 1889 in Köln geborene Landrat schon früh die touristischen Möglichkeiten einer solchen Einrichtung, ganz abgesehen davon, das schon während der Bauphase die Region einen beachtlichen Aufschwung erlebte. Unermüdlich nutzte er dafür seine guten Kontakte in Berlin, die er aus seiner Zeit im Innenministerium hatte.

Bereits am 27. April 1925 nahmen rund 60 Arbeiter "kleine Notstandsarbeiten" im Bereich Galgenkopf vor, drei Tage später folgten die ersten Vermessungen. Am 18. Mai kam es zu einer denkwürdigen Sitzung des Kreistages Adenau, in der einstimmig der Bau der Rennstrecke beschlossen wurde. Das Ingenieur-Büro von Gustav Eichler aus Ravensburg übernahm am 13. Juni die Bauleitung. Schließlich begann am 1. Juli die "große Notstandsarbeit", obwohl erst am 13. August die Genehmigung des Baues eben als "große Notstandsarbeit" durch das Ministerium erteilt wurde. Es folgte ein Marathon an Besprechungen, Verhandlungen, Genehmigungen und Begehungen im Sommer 1925.

Grundsteinlegung im September 1925

Nachdem am 14. August vier Baufirmen für die vier Bauabschnitte beauftragt worden waren, fand am 27. September 1925 die offizielle Grundsteinlegung durch den Oberpräsidenten der Rheinprovinz, Hans Fuchs, am zukünftigen Start- und Ziel-Platz statt.

Der Name Nürburg-Ring, so die ursprüngliche Schreibweise, wurde am 30. Oktober 1925 als Name für die Erste Deutsche Gebirgs-Renn- und Prüfungsstraße für Kraftfahrzeuge im Kreis Adenau eingeführt.

Es war der preisgekrönte Vorschlag von Francis Kruse (1854-1930), einst preußischer Regierungspräsident in Düsseldorf, der im Ruhestand bis zu seinem Tode in Bad Godesberg lebte. Bis zu 2300 Arbeiter schufteten in der Folge für den Ring, der mit Nord- und Südschleife auf 29 Streckenkilometer kam.

Am 9. Juni 1927 besichtigte der Radsport-Weltverband UCI den Nürburg-Ring zur Vorbereitung der sechs Wochen später stattfindenden Rad-Straßen-Weltmeisterschaft, ehe am 18. und 19. Juni 1927 mit dem Eifelrennen das eindrucksvolle Werk, das Weltbedeutung erlangen sollte, offiziell eröffnet wurde.

Sieger wurde damals übrigens ein Bürger aus dem Nachbarkreis Ahrweiler: Der Remagener Rudolf Caracciola, der als Caratsch mit seinem Silberpfeil von Mercedes-Benz später von Sieg zu Sieg fuhr. Aber das ist eine andere Geschichte.

Und was macht Gisela Herbstrith? Sie ist wild entschlossen zum 90. Jahrestag der Nürburgring-Eröffnung wiederzukommen.

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