Nürburgring 77 Millionen für die Insolvenzmasse

MAINZ · Von den 77 Millionen Euro, die das Unternehmen Capricorn für den Kauf des Nürburgrings zahlt, wird nicht alles wieder im Landeshaushalt ankommen. Das bestätigte am Mittwoch Insolvenzverwalter Jens Lieser im Gespräch mit dieser Zeitung. Er schätzt die Summe auf 40 bis 60 Millionen Euro.

"Das Land wird so oder so - als mit Abstand größter Gläubiger - den größten Batzen davon erhalten. Die genaue Summe kann man heute seriös noch gar nicht abschätzen." Das Insolvenzverfahren werde noch Jahre dauern.

Die 77 Millionen Euro fließen in die Insolvenzmasse von gleich drei Gesellschaften, darunter ist die Nürburgring GmbH die prominenteste. Auch Einnahmen aus dem aktuellen Nürburgring-Geschäft fließen in diesen Topf. Von dieser Insolvenzmasse müssen dann Kosten abgezogen werden, etwa für die Unternehmensberater von KPMG, die den Verkauf des Nürburgrings begleiteten, für Gutachten oder die Vergütung des Insolvenzverwalters.

Dann wird das restliche Geld aus der Insolvenzmasse nach einer Quote auf die Gläubiger verteilt. Etwa 99 Prozent der Forderungen hält das Land Rheinland-Pfalz, das sage und schreibe rund 530 Millionen Euro angemeldet hat.

Bislang sind die Forderungen des Landes nachrangig. Sie werden erst dann bedient, wenn andere "normale" Gläubiger zuvor berücksichtigt worden sind. Es kann allerdings sein, dass diese Forderungen des Landes "aufgewertet" und denen anderer Gläubiger, etwa Handwerker und Kommunen, noch gleichgestellt werden.

Was die Sache noch komplizierter macht: Die EU-Kommission könnte noch in diesem Jahr wegen unerlaubter staatlicher Beihilfen Rückzahlungen von der insolventen Nürburgring GmbH an das Land Rheinland-Pfalz verhängen. Doch die GmbH hat das Geld nicht. Deshalb kämen auch diese Forderungen des Landes in die Insolvenztabelle. Wirtschaftlich spielt das nach Aussage von Lieser kaum eine Rolle, denn das Land hat ja die Summen, die von Brüssel moniert werden könnten, bereits zur Insolvenztabelle angemeldet, etwa das 330-Millionen-Euro-Darlehen für den Bau des Freizeitparks.

Der wesentliche Punkt ist deshalb, ob auch der neue Investor, Capricorn, für die Rückzahlungen von der EU belangt werden kann. Hier gibt es Signale der EU, dass dies nicht der Fall sein wird. Erst einmal bleibt nach dem Verkauf des Rings die Erkenntnis, dass das Land eine Summe in dreistelliger Millionenhöhe am Ring versiebt hat. 330 Millionen Euro flossen in den Ausbau des Nürburgrings, jetzt sollen Teile davon wieder abgerissen werden.

Der Landesgeschäftsführer des Bundes der Steuerzahler, René Quante, schätzt den Schaden für den Steuerzahler auf mindestens 250 Millionen Euro. Laut Finanzstaatssekretär Salvatore Barbaro kann die Gesamtrechnung aber noch nicht aufgemacht werden. Ministerpräsidentin Malu Dreyer vermied es, Jubelstimmung aufkommen zu lassen, auch wenn der neue Investor als Chance für den Nürburgring begrüßt wird. "Keiner von uns beschönigt die Fehler der Vergangenheit", betonte Dreyer. Es sei "zu groß, zu viel" gebaut worden, mit handwerklichen Fehlern. Das werde ausdrücklich bedauert.

Capricorn: Kein Unbekannter am Nürburgring

Wer ist das, die Capricorn-Gruppe aus Düsseldorf? Zumindest kein anonymer Großinvestor, sondern ein Mittelständler, den man am Ring kennt. Der Autoteile- und Motorsport-Zulieferer sitzt seit 2002 am Nürburgring und beschäftigt dort 100 der insgesamt 350 Mitarbeiter, wie Geschäftsführer Robertino Wild erklärt. Angefangen hat er in der Eifel mit zwei Mitarbeitern in Adenau.

Capricorn nutzt die Nordschleife als Teststrecke. Dort hat die Firma ein Testcenter mit direkter Anbindung an die legendäre Strecke. In direkter Nähe zum Ring befindet sich die Capricorn Composite-Fertigung. Hergestellt werden Hochleistungsbauteile aus Verbundstoffen wie Carbon, Aramid und Glasfaser. Kunden kommen nach Unternehmensangaben aus Motorsport- und Automobilindustrie, Medizintechnik, Luft- und Raumfahrt sowie Maschinenbau. Capricorn sieht sich als weltweit führend auf seinem Gebiet.

Das Unternehmen sitzt in vier Ländern an neun Standorten, etwa in Frankreich, Großbritannien und Italien. In Düsseldorf befinden sich Geschäftsleitung, Verwaltung und Holding. Zur Produkt-Palette gehören nach eigener Darstellung High-End-Kurbelwellen, Pleuel, geschmiedete Kolben, Zylinder-Laufbuchsen und Motorblöcke. Sie werden in Formel-1-Boliden und Sportwagen eingesetzt, aber auch bei Prototypen. Nach Angaben von Wild werden unter anderem VW, Audi und Porsche beliefert.

Bei den 100 Mitarbeitern am Ring soll es nicht bleiben: Die Zahl soll aufgestockt werden. Zudem dürfte ein Großteil der rund 320 Beschäftigten, die bei der Nürburgring-Betriebsgesellschaft arbeiten, übernommen werden. Capricorn will neben der Kaufsumme von 77 Millionen weitere 25 Millionen Euro investieren.

Stimmen der Region

Zurückhaltung beim Kreis Ahrweiler und der Verbandsgemeinde Adenau, Hoffnung bei Geschäftsleuten am Ring - so lassen sich die Reaktionen auf den Zuschlag für Capricorn zusammenfassen:

  • Ring-Taxibetreiber Ossi Kragl: "Ich kann mit der Entscheidung leben, wenngleich ich auch immer gegen eine Privatisierung des Nürburgringes gewesen bin. Die aufgeblasene Geschichte der vergangenen Jahre verliert nun ihre heiße Luft. Eine gigantische Geldvernichtungsnummer geht jetzt zu Ende. Ich bin froh, wenn das Eifeldorf an der Strecke endlich verschwunden ist. Allerdings werden dabei Arbeitsplätze verloren gehen. Capricorn zeigt viel Mut, wenn sie sich den vor ihr liegenden Aufgaben stellt."
  • Andrea Thelen, Verein Ja zum Nürburgring: "Wenn das Konzept umgesetzt wird, ist das auch gut für uns in der Region. Capricorn hat sich bisher am Nürburgring als solide gezeigt. Wir hoffen, dass wir einen guten Partner haben."
  • Guido Nisius, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Adenau: "Es ist im Grunde noch zu früh, sich wertend zu äußern, zumal die Zustimmung der EU-Kommission noch aussteht. Die Entwicklungen am Nürburgring seit 2009 haben sehr viel Unruhe ins Adenauer Land gebracht. Ich hoffe natürlich, dass mit dem Zuschlag an Capricorn eine Lösung zum Wohl unserer Region gefunden wurde. Die Ankündigungen von Capricorn lassen durchaus die Hoffnung zu."
  • Jürgen Kempenich, Sprecher Kreis Ahrweiler: "Der Kreis war an den Entscheidungen des Gläubigerausschusses und der Ring-Sanierer nicht beteiligt. Jetzt muss die Entscheidung der EU-Kommission abgewartet werden, ob der Verkauf rechtssicher und endgültig abgeschlossen ist."
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort