Urteil im Ulmen Prozess Sühne nach 16 Jahren

BONN · Das Bonner Schwurgericht spricht Trudel Ulmens früheren Ehemann des Totschlags schuldig und verhängt elf Jahre Haft. Für das Gericht steht fest: Der Angeklagte tötete seine Frau am 20. März 1996 im gemeinsamen Haus in Rheinbach, indem er sie mit einem Kissen erstickte.

"Der Angeklagte ist des Totschlags schuldig. Er wird zu elf Jahren Freiheitsentzug verurteilt", verkündet Schwurgerichtsvorsitzender Josef Janßen das Urteil für den Mann, der 16 Jahre lang alle in die Irre führte, um die Tötung seiner Frau Trudel Ulmen zu vertuschen.

Der Bonner Schwurgerichtssaal ist voller als an jedem anderen Verhandlungstag vorher im Prozess gegen den 57-jährigen Masseur und Physiotherapeuten aus Rheinbach, den so viele Menschen kennen. Oder zu kennen glaubten. Der Angeklagte zeigt keine Regung. Was in ihm vorgeht, ist ihm nicht anzusehen.

Für das Gericht steht fest: Der Angeklagte tötete seine Frau am 20. März 1996 im gemeinsamen Haus in Rheinbach, indem er sie mit einem Kissen erstickte. "Was aber passierte an jenem Abend?" fragt der Richter zu Beginn der Urteilsbegründung. Und antwortet: "Um ehrlich zu sein: Wir wissen es nicht."

Und das, so der Richter, liege nicht daran, dass die Spurenlage nach 16 Jahren dafür keine Hinweise gebe. Die habe es auch schon vier Monate nach der Tat, als eine unbekannte Frauenleiche im Wald bei Asbach gefunden und erst in diesem April als die tote Trudel Ulmen identifiziert wurde, nicht mehr gegeben.

"Allein der Angeklagte hätte Licht ins Dunkel bringen können", so der Richter, "aber er tat es nicht." Denn die Geschichte, die der Angeklagte dem Gericht als angeblichen Tathergang geschildert habe, sei völlig unglaubwürdig.

Wovon dass Gericht allerdings ausgehe, sei: Es habe einen Streit zwischen den Eheleuten gegeben. Aber bei dem sei es nicht darum gegangen, dass der Angeklagte aus Angst vor möglichem Fremdgehen seiner Frau deren Alleingang am Wochenende nicht gewollt habe. Denn der einzige, der zu der Zeit eine andere Beziehung gehabt habe, sei der Angeklagte gewesen. Sogar als Trudel Ulmen Ende 1995 schwanger gewesen sei und Anfang 1996 ihr Kind verloren habe, habe er mit seiner späteren zweiten Frau seine "Schäferstündchen" gehabt.

Schon lange nämlich, so der Richter, sei die nach außen perfekte Ehe der beiden nicht mehr in Ordnung gewesen. Und Trudel Ulmen habe ihrem Mann nicht mehr getraut. Zu Recht, wie sich herausgestellt habe. Und da sie ihm zuvor schon einmal die Koffer vor die Tür gestellt und gedroht habe, beim nächsten Mal sei endgültig Schluss, sei es viel wahrscheinlicher, dass genau das passiert sei. Ein denkbares Szenario sei für die Kammer: Trudel Ulmen kam hinter diese neue Beziehung und verkündete dem Angeklagten das Ende der Ehe.

Denn, so der Richter: Sie habe am nächsten Tag einen dringenden Termin gehabt, für den sie sogar erstmals ihren Dienst in der Klinik getauscht habe. "Vielleicht beim Anwalt", sagt der Richter. Außerdem habe sie in den Tagen zuvor dringend mit Vertrauten reden wollen, die jedoch alle keine Zeit hatten. "Hätten sie die Zeit gehabt, wüssten wir vielleicht heute mehr", so Richter Janßen.

Schließlich sei der Streit eskaliert, und der Angeklagte habe sie mit dem Kissen erstickt. Dafür, dass es Mord gewesen sein könnte, indem er sie im Schlaf erstickte, gebe es keine Hinweise, so der Richter, der noch etwas klarstellt: Auch wenn die Tötung eines Intimpartners ständig die Schwurgerichte beschäftige, könne man hier nicht von einem "stinknormalen Fall sprechen", wie das ein Kriminologe getan habe. "An diesem Fall war nichts stinknormal", so Janßen, "und schon gar nicht für Trudel Ulmen, eine fröhliche, freundliche und lebensfrohe Frau. Sie führte einen verzweifelten Kampf ums Überleben." Der Richter fügt hinzu: "Und der dauerte für sie eine Ewigkeit."

Fünf Minuten muss der Angeklagte ihr das Kissen aufs Gesicht gedrückt haben, stellten Rechtsmediziner fest. Der Angeklagte wollte seine Frau töten, das steht für den Richter fest: "Wer einem Menschen so lange ein Kissen aufs Gesicht drückt, der hat nur ein Ziel: Er will, dass sein Opfer stirbt."

Man könne nur hoffen, dass Trudel Ulmen schnell das Bewusstsein verloren habe. Und "stinknormal" sei der Fall erst recht nicht für Trudels Familie, die auch noch damit fertig werden müsse, dass der Täter ihnen so nahestand. Thomas Lenerz, Bruder des Opfers, hatte im Zeugenstand erklärt, wie ihn die Bilder seiner um ihr Leben kämpfenden Schwester verfolgen.

Was der Angeklagte der Familie anschließend mit seinen Lügengebilden antat, bezeichnet der Richter als geradezu infam. Und unnötig, um die Tat zu vertuschen. Dass er 16 Jahre lang Trudels tote Augen gesehen haben will, nimmt ihm das Gericht nicht ab. "Er hat in dem Haus, in dem er seine Frau tötete, 16 Jahre lang mit seinen anderen Frauen gelebt", so der Richter.

Außerdem sei er zur Vertuschung der Tat sehr planvoll vorgegangen. Und die Kammer sei sicher, dass er die Leiche ganz bewusst an einer Stelle im Wald vergraben hatte, in dessen Nähe der Stalker wohnte, der Trudel zuvor verfolgt habe.

Außerdem sei der Angeklagte bei der Vertuschung viel weiter als nötig gegangen, führt Richter Janßen weiter aus. So habe er die Angehörigen nicht nur vor zu vielen Fragen gewarnt, weil sonst Trudels angeblich unsolider Lebenswandel im gemeinsamen Heimtort Mayen bekannt würde.

Er habe ihnen auch weisgemacht, Trudel habe zwar mit ihm noch Kontakt über ihren Anwalt, wolle aber mit der Familie nichts mehr zu tun haben. Besonders infam nennt der Richter die Karte, die der Angeklagte nach dem Tod von Trudels Vater schrieb, auf der er sich noch einmal als das Opfer von Trudels Untreue darstellte.

"Wie ist er für die Tat zu bestrafen?", fragt der Richter. Und stellt klar: Es gehe nicht um Vergeltung, sondern um Sühne. Und nichts könne Trudel Ulmen wieder lebendig machen. Beim Strafmaß seien Geständnis und Unbestraftheit des Angeklagten zu berücksichtigen, und auch, dass er eine Spontantat beging. Aber, so der Richter: Gegen ihn spreche, was er der Familie angetan habe - und sein direkter Tötungsvorsatz: "Und wie er Trudel Ulmen tötete, war für sie fürchterlich."

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