Fall Anna Verurteilte Pflegemutter will neuen Prozess

KÖNIGSWINTER/BONN · Es war nur eine kleine Randnotiz, die der Vorsitzende Richter Hinrich de Vries im Prozess vor dem Bonner Landgericht gegen eine 46-jährige ehemalige Mitarbeiterin des Königswinterer Jugendamtes verkündete - doch die hatte es in sich: Die wegen Mordes an dem neunjährigen Pflegekind Anna rechtskräftig zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilte 54 Jahre alte Pflegemutter aus Bad Honnef strebt einen neuen Prozess an.

Wie ihr Verteidiger Carsten Rubarth auf Anfrage bestätigte, hat er in der vergangenen Woche einen Wiederaufnahmeantrag gestellt. Zu den Details wollte sich der Anwalt nicht äußern. Er sagte nur, dass er bei seiner Einschätzung bleibe, die er bereits im Prozess gegen die Pflegeeltern vertrat: In seinen Augen trägt der Pflegevater die Schuld an Annas Tod.

Daher strebt er einen Freispruch in Bezug auf den Mordvorwurf gegenüber der Pflegemutter an. Offenbar stützt sich der Antrag auf mehrere Schreiben, die der Pflegevater aus dem Gefängnis heraus an seine Ehefrau geschrieben haben soll. Möglicherweise nimmt er darin die Schuld auf sich.

Die Bonner Staatsanwaltschaft wollte sich dazu nicht äußern. Oberstaatsanwalt Robin Faßbender bestätigte lediglich, dass die Akten nun aufgrund des Wiederaufnahmeantrags an die Kölner Staatsanwaltschaft und von dort ans Kölner Landgericht weitergeleitet würden. Dort muss eine Strafkammer entscheiden, ob dem Antrag stattgegeben wird. Dafür müsste es eine neue Beweislage geben.

Sollte der Antrag Erfolg haben, würde ein neuer Prozess gegen die Pflegemutter vor dem Kölner Landgericht stattfinden. Das Bonner Landgericht hatte die Pflegeeltern schuldig gesprochen, das Pflegekind monatelang gequält und misshandelt zu haben. Im Juli 2010 wurde das Mädchen laut dem Urteil der Schwurgerichtskammer von der Pflegemutter in der Badewanne unter Wasser gedrückt und ertränkt.

Der Pflegevater wurde der Körperverletzung mit Todesfolge, Freiheitsberaubung und Misshandlung einer Schutzbefohlenen schuldig gesprochen. Er sitzt derzeit seine sechseinhalbjährige Haftstrafe ab. In der Vergangenheit hatte der 54-Jährige immer wieder unterschiedliche Angaben zum Ablauf am Todestag des Kindes gemacht. Er soll am kommenden Mittwoch, 13. November, als einer der ersten Zeugen im Prozess gegen die für Anna verantwortliche Jugendamtsmitarbeiterin gehört werden.

Der 46 Jahre alten Sozialpädagogin wird unter anderem fahrlässige Körperverletzung im Amt durch Unterlassen vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass sie eine Kindeswohlgefährdung erkennen und Anna daher aus der Pflegefamilie hätte nehmen müssen. An den bisherigen fünf Verhandlungstagen ging es insbesondere um die Frage, worin die Aufgaben von Jugendamtsmitarbeitern bestehen.

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