Energiewende in der Region Schule im Passivhaus - Die Heinrich-Hanselmann-Schule setzt Maßstäbe

Sankt Augustin/Bonn · Im Wohnungsbau hat der Passivhausstandard schon einen recht festen Stand. Und das nicht nur bei Einfamilienhäusern, sondern auch beim Geschosswohnungsbau. Wie sieht es indes bei Bürobauten oder bei Projekten der Öffentlichen Hand aus?

 Von wegen schlichte Architektur: "Dieses Vorurteil ist aus den Köpfen nicht nur privater Bauherrn, sondern auch vieler Fachleute nicht heraus zu bekommen", so Energieberater Rachid Bouhmara.

Von wegen schlichte Architektur: "Dieses Vorurteil ist aus den Köpfen nicht nur privater Bauherrn, sondern auch vieler Fachleute nicht heraus zu bekommen", so Energieberater Rachid Bouhmara.

Foto: Barbara Frommann

Bei der Herrichtung des Alten Abgeordnetenhochhauses für das UNO-Klimasekretariat hat die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben als Bauherrin bauökologische Maßstäbe gesetzt: Hochwertige Materialien zur Dämmung der Fenster, Rheinuferfiltrat zur Kühlung und Erwärmung, Photovoltaikanlagen zur Stromerzeugung und Fernwärmenutzung sind nur einige Beispiele, die hier zu einer vorbildlichen Energiebilanz führen, so Jürgen Gehb, Vorstandssprecher der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA).

Maßstäbe beim Schulneubau setzte aber auch der Rhein-Sieg-Kreis, der die Heinrich-Hanselmann-Schule Förderschule für geistige Entwicklung in Sankt Augustin komplett nach Passivhausstandards baute. "Was wir hier gebaut haben, hat sicherlich Modellcharakter", sagt Tim Hahlen, Abteilungsleiter Gebäudewirtschaft beim Rhein-Sieg-Kreis, selbstbewusst.

Und wer bei Passivhaus an ein gesichtsloses komprimiertes Gebäude denkt, liegt bei der Hanselmann-Schule, die rund 170 Kinder besuchen, völlig falsch. Die einzelnen Gebäudeteile ordnen sich wie ein kleines Dorf um einen Gemeinschaftsplatz: rechts der zweistöckige frühere Anbau, der erhalten blieb, geradeaus das Haupthaus mit viel Glas, links die Klassenhäuser mit der schon leicht angegrauten Holzfassade, und alles hell und freundlich.

Das zieht sich im Inneren fort. Helles Eicheparkett, das Ensemble wird von luftigen Verbindungskorridoren, die kühlere Temperaturzonen bilden, miteinander verknüpft. In den Klassenräumen sind Einbauschränke mit perforierten Fronten für die bessere Akustik. Was aber sofort auffällt, das ist das angenehme Klima im gesamten Gebäude - trotz des ungemütlichen Wetters. "Zuhause heize ich längst, und hier habe ich die Heizung in meinem Büro immer noch nicht aufgedreht", sagt Schulleiterin Barbara Koepsel begeistert.

Das gute Klima entsteht nur durch die nach Süden ausgerichteten großzügigen Glasfassaden, sondern auch durch die optimale Isolierung: 80 Zentimeter Perimeterdämmung unter der Bodenplatte sorgt dafür, dass die Kinder selbst im Winter keine kalten Füße auf dem Fußboden bekommen. Hochwärmegedämmter Bimsstein plus 30 Zentimeter Expandiertes Polystyrol dämmen die Außenwände, 40 Zentimeter Dämmmaterial kam unters Dach, dazu Dreifachverglasungen.

In der Eingangshalle, die auch als Multifunktionsraum genutzt werden kann, fallen gleich die 16 grauen Weitwurfdüsen auf, die Frischluft transportieren. Darunter liegt die Absauganlage. Ein raffiniertes System mit elektrisch gesteuerter und mechanischer Be- und Entlüftungsmöglichkeit sorgt ganzjährig für angenehme Temperaturen. Bei Bedarf wird über die zentrale Gasheizung zusätzlich geheizt. "Letztlich mussten wir uns auch von Wirtschaftlichkeitsgedanken treiben lassen", sagt Hahlen. "Die Gaskessel im alten Schulgebäude waren noch so gut, die konnten wir nicht einfach entsorgen.

Aber: Wir brauchen für das viel größere Schulgebäude nur einen Kessel, statt der zwei im alten." Vor drei Jahren stand der Kreis als Schulträger vor der Entscheidung: neu bauen oder sanieren? Denn das Schulgebäude aus den 70er Jahren mit der für damals typischen Waschbetonfassade war nicht nur zu klein, mit Asbest- und PCB-Belastungen hatte man auch ein ernstes Schadstoffproblem.

Mit rund 11,5 Millionen Euro für den Neubau, 4000 Quadratmeter groß, lagen die Kosten "nur geringfügig unter denen für eine Komplettsanierung", so Alexandra Koch von der Gebäudewirtschaft des Kreises. Den Energiespareffekt könne man zwar noch nicht konkret beziffern, "wir gehen aber von acht bis zehn Prozent aus".

Das sagt der Experte:

Der Passivhausstandard ist ein freiwillig vereinbarter Standard, der klar definiert ist: Das Passivhaus Institut in Darmstadt hat die Kriterien für Passivhäuser formuliert. Energieberater Rachid Bouhmara ist für die Zertifizierung von Passivhäusern zuständig.

Was bringt dem Bauherrn eine Zertifizierung?
Die Zertifizierung dient der Sicherung der Qualität. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Planung: Luftdichtheit, Wärmebrückenfreiheit, hochwertige Fenster und deren Einbau, Lüftungsanlage und übrige Haustechnik müssen aufeinander abgestimmt sein.

Werden für Bürobauten oder Schulen andere Kriterien als für Wohnhäuser angesetzt?
Die Grenzwerte, um den Passivhaus-Standard zu erreichen, sind für Wohngebäude und meisten Nichtwohngebäude gleich: der Heizwärmebedarf darf höchstens 15 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr betragen, der Primärenergiebedarf höchstens 120 kWh/(m²a), und die Luftdichtheit muss weniger als 0,6 Liter pro Stunde sein.

Allerdings unterscheiden sich die Randbedingungen: Die internen Wärmequellen durch Personen und technische Ausstattung sind im Bürogebäude anders als im Einfamilienhaus, außerdem unterscheiden sich die Nutzungszeiten. Ein Wohnhaus wird 24 Stunden genutzt, während die meisten Nichtwohngebäude abends und am Wochenende leer stehen. Dies hat Einfluss auf die Laufzeit der Lüftungsanlage. In der Energiebilanz werden diese Unterschiede berücksichtigt.

Ist der Bau eines Passivhauses mit höheren Kosten verbunden? Wann rentiert sich das - wirtschaftlich gesehen?
Die Mehrkosten für den Bau eines Passivhaus-Nichtwohngebäudes liegen im Bereich von vier bis acht Prozent. Gerade bei öffentlichen Gebäuden wie Schulen und Kindergärten sind hohe jährliche Betriebskosten leider häufig noch Standard. Ein Passivhaus-Neubau oder eine Sanierung mit Passivhauskomponenten kann da entgegensteuern.

Durch die hochwertige Wärmedämmung und die kontrollierte Belüftung mit Wärmerückgewinnung sinken die Heizkosten, durch den Einsatz effizienter Beleuchtung wird der Strombedarf reduziert. Die jährlichen Betriebskosten sind im Vergleich zu konventionellen Gebäuden geringer.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort