Gegen die Anhebung der Grundsteuer B Protest bleibt nicht nur virtuell

SIEGBURG · Von detaillierter Analyse des Haushaltsentwurfs bis hin zu Aufrufen, das Rathaus zu stürmen - in der Siegburger Bürgerschaft brodelt es, und der Protest äußert sich am direktesten auf Facebook.

Dort sind in den vergangenen Wochen mehrere Gruppen entstanden, in denen die Bürger ihrem Unmut über Entscheidungen der Politik und Verwaltung Luft machen.

Doch der Ärger ist alles andere als virtuell: "Ich weiß nicht, wie es für mich weitergehen soll", sagt Marion Giorelli. Die 57-Jährige hält den Grundsteuerbescheid in den Händen, den sie im Januar bekommen hat. "Ich hatte zwar in der Zeitung gelesen, dass die Grundsteuer B angehoben wird, aber die Dimension war nicht klar, bis ich es Schwarz auf Weiß gesehen habe", sagt Giorelli.

Sie hat, wie fast 6000 weitere Siegburger, Beschwerde gegen den Bescheid eingelegt - doch Giorelli tat noch mehr: Mehrere Wochen lang stellte sich die Frührentnerin täglich vor verschiedene Siegburger Supermärkte, informierte Bürger und sammelte Beschwerdebriefe. "Sehr viele Leute sind von sich aus auf mich zugekommen, weil sie sich furchtbar ärgern oder eben tatsächlich Existenzängste haben", berichtet die Siegburgerin, "einige haben sogar gefragt: Wo soll ich für die Abwahl des Bürgermeisters unterschreiben?"

Solche und ähnliche Kommentare mal höheren, mal niedrigeren Niveaus finden sich auch in der Facebook-Gruppe "Wir sind die Siegburger Bürger", gegründet von Britta Nießen. Die 46-jährige Immobilienmaklerin ist, spätestens seit der Grundsteuer-Protest losgebrochen ist, kein unbekanntes Gesicht mehr in Siegburg, engagiert sich täglich - und erstmals in ihrem Leben politisch. "So ist es ja oft mit der Politik: Erst wenn es einen selbst betrifft, wird man richtig aufmerksam", erklärt Nießen.

Und sie betrifft die Grundsteuererhöhung um mehr als 70 Prozent: "Als selbstständige Alleinerziehende weiß ich momentan nicht, wie ich das auf Dauer bezahlen soll." Deshalb hoffen Britta Nießen, Marion Giorelli und ihre Mitstreiter weiter darauf, dass die Erhöhung vom Stadtrat noch zurückgenommen oder wenigstens abgeschwächt wird. "Ich glaube inzwischen, dass ein Haushaltssicherungskonzept und eine langsame Sanierung der Finanzen die bessere Lösung für Siegburg ist", so Nießen, "die Politik sollte den Bürgerwillen nicht ignorieren."

Darum, Bürger und Politik zusammenzubringen, geht es Till Becke. Der 36-Jährige ist Gründer der Gruppe "Bürgeranliegen Siegburg", in der es für Facebook-Verhältnisse recht ausgeglichen zugeht. Ebenso sachlich wie der Grundton der Gruppe ist, tritt auch Becke selbst auf. Der Vater von vier Kindern im Alter von zwei bis zehn Jahren gehörte im vergangenen Dezember zu den Eltern, die sich gegen den geplanten Wegfall der Geschwisterkindbefreiung und die Anpassung der Kindergartenbeiträge gewandt hatten.

Becke lebt seit seinem 16. Lebensjahr in Siegburg, nennt die Kreisstadt seine Heimat und verfolgt das Geschehen "mit Herzblut". In den vergangenen Jahren sei von Stadt und Politik viel Positives angestoßen worden, sagt Becke. "In letzter Zeit vermisse ich jedoch die Transparenz."

Beispiel Kindergartengebühren: Von den geplanten Änderungen habe er nur durch Zufall während seines Urlaubs erfahren, nur eine Woche später sollten sie umgesetzt werden. "Für uns als Großfamilie wären das zwischen 400 und 500 Euro monatlich mehr gewesen." Generell gelte zwar: "Wer mehr stemmen kann, soll auch mehr bezahlen", sagt Becke, "hier war jedoch die Verhältnismäßigkeit nicht mehr gegeben."

Die Eltern wehrten sich - mit Erfolg: Die Geschwisterkindbefreiung blieb, und die Erhöhung wurde, weil sie mehr Einnahmen generiert hätte als erwartet, zunächst auf Eis gelegt. "Die Demokratie hat funktioniert, auch ohne dass Wahlen anstanden", sagt Becke rückblickend. Er wünsche sich, dass es auf Dauer ein Portal gebe, auf dem sich die Siegburger mit Politik und Verwaltung austauschen könnten. "Ich zolle all den Kommunalpolitikern Respekt, die sich schon jetzt der Diskussion stellen", sagt Becke, "mehr Dialog kann nie schaden."

Demo vor dem Rathaus

Britta Nießen, Initiatorin des organisierten Protestes gegen die Erhöhung der Grundsteuer B in Siegburg, hat für kommenden Montag, 2. März, 17 Uhr, eine Demonstration vor dem Siegburger Rathaus angemeldet. Um 18 Uhr beginnt der Beschwerdeausschuss (siehe Artikel rechts), in dem es um die Beschwerden gegen die Erhöhung der Grundsteuer B und die Neufestsetzung der Elternbeiträge geht. Aber auch die Erhöhung der Straßen- und Winterdienstgebühren und die Gebührenpflicht auf dem Parkplatz Wolsdorfer Straße/Auf der Papagei werden Thema sein, ebenso die Parksituation der Lehrer am Gymnasium Alleestraße.

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