Grundsteuer B im Rhein-Sieg-Kreis Kommunen bitten Bürger stärker zur Kasse

RHEIN-SIEG-KREIS · Da fiel manchem Hausbesitzer in Siegburg die Kinnlade herunter: Um fast 72 Prozent ist die Grundsteuer B zum 1. Januar angehoben worden. Der Hebesatz stieg auf einen Schlag um 330 Punkte auf 790 Prozent - landesweit einer der Spitzenwerte.

Auch andere Kommunen erhöhen die Grundsteuer B, zumeist schrittweise. Das trifft Eigentümer, aber auch Mieter, auf die die Kosten umgelegt werden können.

Die Grundsteuer B hängt von Grundstück und Immobilie ab. In Siegburg reicht die monatliche Mehrbelastung pro Eigentümer nach der aktuellen Erhöhung von geringen zweistelligen Eurobeträgen bis in die Hunderte. Bei der Stadt gingen bis gestern 83 Beschwerden ein, wie Co-Dezernent Bernd Lehmann auf Anfrage mitteilte. Auf Facebook machen Siegburger ihrem Unmut Luft, es kursieren vorgefertigte Beschwerdebriefe. Mieterbund und Haus und Grund haben in ungewohnter Einigkeit gegen den drastischen Sprung protestiert. Der Bund der Steuerzahler (BdSt) forderte gestern den den Rat der Kreisstadt auf, die Erhöhung rückgängig zu machen, bevor der Haushalt verabschiedet wird.

Die Entscheidung, die noch Ende Dezember mit den Stimmen von CDU und FDP durchgesetzt worden war, wurde damit begründet, dass nur so der Haushalt saniert werden könne. Die Einnahmen belaufen sich auf gut fünf Millionen Euro - fast die Hälfte der Summe, die die Stadt aufbringen musste, um den Etat 2015 auszugleichen. Außerdem treffe die Erhöhung alle Bürger und sei somit eine gerechte Lösung, sagt die Stadt.

So sieht man es auch in Niederkassel, wo die Stadt den Hebesatz der Grundsteuer B von 440 auf 600 Prozent korrigiert. "Jeder wird entsprechend seiner persönlichen Vermögensvita beteiligt", sagte Bürgermeister Stephan Vehreschild jüngst in einem GA-Interview. Er räumte ein, dass das unpopulär sei. Aber: "Wir sind nicht mehr in der Lage, mit den bei uns zu erzielenden Einnahmen Pflichtaufgaben zu erfüllen."

Das bestätigt Rheinbachs Verwaltungschef Stephan Raetz, Sprecher der Kreis-Bürgermeister: "Die Kommunen haben keine Alternativen mehr, weil das Sparpotenzial ausgereizt ist. In keinem anderen Bundesland sind die Städte und Gemeinden finanziell so schlecht ausgestattet wie in NRW." Rheinbach hat den Hebesatz der Grundsteuer B von 453 auf 471 Prozentpunkte erhöht. In den kommenden Jahren werde es in moderaten Schritten weiter nach oben gehen, so Raetz, der bis 2020 den Etat ausgleichen will.

Eine schrittweise Erhöhung der Grundsteuer B - das planen auch andere Kommunen. In Königswinter beispielsweise wurde der Hebesatz um 20 Prozentpunkte auf 470 Prozent heraufgesetzt. Nach Willen der Ratskoalition soll der Hebesatz ab 2016 Jahr für Jahr um zehn bis 15 Prozentpunkte steigen. In Bornheim ist ebenfalls eine Staffelung vorgesehen, von 430 Prozent (2012) auf 594 im Jahr 2021. Im Rat wurden aber schon Stimmen nach einer zusätzlichen Erhöhung laut, damit Straßensanierungen gegenfinanziert werden können. Das ist umstritten.

Sankt Augustin liegt am unteren Ende der Skala im Kreis, wird aber wohl ebenfalls zulegen. Der Hebesatz, seit 2011 bei 440 Prozent, soll ab 2016 alle zwei Jahre um 20 Punkte steigen. So steht es im Entwurf des Nachtragshaushalts 2015. Beschließt die Politik das, läge der Hebesatz 2020 bei 500 Prozent. Die Stadt nahm 2013 durch die Grundsteuer B 7,9 Millionen Euro ein. Für 2015 werden 8,2 Millionen Euro erwartet.

Dass die Kommunen durch die Grundsteuer B ihre Finanzen sanieren können, bezweifelt der BdSt: "Tatsächlich versuchen sie nur, Geld in die Kassen zu spülen, und stellen das als Sparen dar", so Referent Markus Berkenbach zum GA. Eine wirkliche Konsolidierung könne nur durch konsequente Kürzung der Ausgaben, etwa im Personalbereich, erreicht werden.

Kurz gefragt

Der Bund der Steuerzahler (BdSt) bezeichnet es als "Unverschämtheit", dass viele Kommunen die Grundsteuer B drastisch erhöhen. Mit Markus Berkenkopf, Referent für Haushalts- und Finanzpolitik beim BdS NRW, sprach Anna Maria Beekes.

Sind bei Ihnen in letzter Zeit vermehrt Fragen zur Grundsteuer eingegangen?
Markus Berkenkopf: Ja, das ist deutlich mehr geworden. Kein Wunder, schließlich haben 178 der 396 NRW-Kommunen den Hebesatz erhöht oder haben es vor. Jetzt sind es vor allem die Eigentümer, die anrufen. Spätestens wenn die Betriebskostenabrechnungen kommen, werden es auch die Mieter sein, die die Mehrbelastung spüren - denn von der Grundsteuer-Erhöhung sind letztlich alle betroffen: die Grundbesitzer direkt und die Mieter über die Nebenkosten. Deshalb nennt man sie ja auch "Volkssteuer". Vor allem aus Siegburg, wo es ja eine saftige Erhöhung zum Jahreswechsel gab, bekommen wir übrigens viele Anrufe.

Was beschäftigt die Leute?
Berkenkopf: Manche sind etwa extra von Köln nach Siegburg gezogen, um Geld zu sparen, und nun trifft sie die Erhöhung mit voller Wucht. Deshalb überlegen wohl einige Hauseigentümer nun, sich gemeinsam zu wehren, etwa durch eine Bürgerinitiative.

Was raten Sie den Betroffenen?
Berkenkopf: Sie sollten sich gemäß § 24 Gemeindeordnung mit einer Beschwerde an den Rat wenden. Wir bieten dafür einen Musterbrief an und sammeln die Schreiben bis Ende Januar. Klar ist: Man muss eine solche Erhöhung nicht einfach so hinnehmen.

Drei Modelle einer Steuerreform möglich

Wie wird die Grundsteuer B festgelegt? Was bedeutet das für Hausbesitzer in der Praxis?

Festlegung: Die Grundsteuer B richtet sich nach dem Wert eines Grundstücks, unabhängig von den persönlichen und Einkommensverhältnissen des Besitzers. Ermittelt wird sie in drei Stufen: Zunächst stellt das Finanzamt den Einheitswert fest. Bei unbebauten Grundstücken orientiert er sich am Verkehrswert, bei bebauten am Ertragswert anhand der erzielbaren Jahresmiete. Maßgeblich für die Berechnung sind die Wertverhältnisse zum 1. Januar 1964, in den neuen Bundesländern zum 1. Januar 1935. Im zweiten Schritt stellt das Finanzamt aufgrund der gesetzlich festgelegten Steuermesszahl auf den Einheitswert den Grundsteuermessbetrag fest. Schließlich legt die Kommune die Grundsteuer fest, indem sie den Messbetrag mit dem von ihr festgelegten Hebesatz multipliziert.

Beispielrechnung: Der Besitzer eines Einfamilienhauses mit einem angenommenen Steuermessbetrag von 100 Euro müsste in Siegburg beim Hebesatz von 790 Prozent 790 Euro pro Jahr zahlen. Für ein Mehrfamilienhaus mit vier gleich großen Wohnungen (Steuermessbetrag 300 EUR) würden 2370 Euro fällig.

Reform: Es gibt drei mögliche Modelle für eine Grundsteuerreform. Das "Südmodell" orientiert sich nur an der Fläche von Grundstück und Gebäude. Beim "Nordmodell" hingegen wird der Verkehrswert zugrunde gelegt - müsste dazu aber laufend ermittelt werden. Das "Thüringer Modell" ist ein Kompromiss: Der Bodenwert wird nach Verkehrswerten angesetzt und die Gebäude pauschal mittels Äquivalenzziffern nach Größe und Nutzungsart. Laut Katharina te Heesen, Referentin für Steuerrecht und Steuerpolitik beim Bund der Steuerzahler (BdSt), hat die Finanzministerkonferenz die Modelle durchrechnen lassen, gibt die Ergebnisse aber nicht preis. Der BdSt rechne mit einer baldigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass die Grundsteuer reformiert werden müsse.

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