"Es ist wie ein Schock" Bad Honnefer Paar war an Bord der Germanwings-Maschine

BAD HONNEF · Was wäre gewesen, wenn? Was, wenn die Piloten des Germanwings-Fluges von Wien nach Köln/Bonn kurz vor Weihnachten vor knapp zwei Jahren tatsächlich durch ins Cockpit einströmende Gase ohnmächtig geworden wären? Was, wenn der Airbus A319 an diesem schneereichen Wintertag kurz vor der Landung auf dem Konrad-Adenauer-Airport abgestürzt wäre, womöglich in ein Wohngebiet?

Diese Fragen stellen sich Michaela und Ralf Schäfer in diesen Tagen immer wieder. "Bei dem Gedanken bekomme ich ein ziemliches Kribbeln im Bauch", sagt Ralf Schäfer, "es ist fast wie ein Schock". Seine Frau Michaela wundert sich im Gespräch mit dem General-Anzeiger "rückblickend über meine eigene Naivität".

Naivität, weil die Eheleute aus dem Bad Honnefer Stadtteil Aegidienberg bis vor wenigen Tagen nicht geahnt hatten, dass sie an diesem vorweihnachtlichen Abend einer Katastrophe, die beide wahrscheinlich das Leben gekostet hätte, nur um Haaresbreite entgangen waren. Durch Berichte im General-Anzeiger waren beide auf den Beinahe-Absturz jener Germanwings-Maschine aufmerksam geworden, in der sie beide am 19. Dezember 2010 von Wien nach Hause geflogen waren, zwei von 149 Passagieren.

"Das Bewusstsein, wie kritisch die Situation damals war, das ist ein ganz mulmiges Gefühl", meint Ralf Schäfer. Eigentlich hätte das Ehepaar mit einem früheren Flug die Rückreise von Wien antreten sollen. Weil wegen des heftigen Schneefalls eine frühere Verbindung gestrichen wurde, wurden beide auf den späteren Flug umgebucht.

Den im Internet veröffentlichten Zwischenbericht der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) über die schicksalhaften Minuten, Aktenzeichen BFU 5X018/10, haben beide Satz für Satz gelesen: Der "Kapitän am Ende seiner Leistungsfähigkeit" wegen der "elektrisch-süßlich" riechenden Gase, die in die Flugzeugkanzel eingedrungen waren; ein Copilot, dem "kotzübel" war und der den Eindruck hatte, "nicht mehr klar denken zu können".

Auch, dass der Copilot im Flughafen-Tower bereits den internationalen Notruf "Mayday" abgesetzt hatte, und ihm die letzten zwei Minuten vor der Landung wie eine Ewigkeit vorkamen. "Rückblickend kommen mir alle beruflichen und privaten Probleme, die ich in den Monaten seitdem hatte, im Vergleich ziemlich nichtig und klein vor", sagt Michaela Schäfer.

Nur weil er selbst Mitglied der freiwilligen Feuerwehr in seinem Heimatort Siershahn im Westerwald ist, zückte Ralf Schäfer damals sein Handy und machte mit der integrierten Kamera eine Reihe von Aufnahmen: "Mich hat damals der Einsatz der Feuerwehr interessiert", sagt der 45-Jährige, der als Unternehmensberater regelmäßig mit dem Flugzeug unterwegs ist. Das Paar saß damals "in der zweiten oder dritten Reihe", in unmittelbarer Nähe der Cockpit-Tür.

So entstehen die womöglich einzigen Bilddokumente jenes Abends, die der General-Anzeiger exklusiv abdruckt. Drei Feuerwehrleute, die, nachdem der Airbus auf einer Außenposition zum Stehen gekommen war, ins Cockpit eilten - zwei von ihnen mit Atemmasken; die Feuerwehrfahrzeuge mit Blaulicht auf dem tief verschneiten Vorfeld des Terminals 1; das Großaufgebot an Helfern, die auf den schlimmsten Fall vorbereitet waren.

[kein Linktext vorhanden]Gegenüber den beiden Flugzeugführern der Germanwings-Maschine empfinden die beiden Aegidienberger tiefe Dankbarkeit. "Ich würde mich gerne bei den Piloten bedanken, nachdem ich heute weiß, was für eine Leistung sie an diesem Abend vollbracht haben", erklärt Michaela Schäfer, die an jenem 19. Dezember beobachtete, wie die Feuerwehrleute einem der Beiden aus dem Cockpit helfen müssen. Der Mann sei "kreidebleich" gewesen, erinnert sich die 44-Jährige. "Man kann den Piloten nur dankbar sein", ergänzt ihr Mann Ralf.

"Das Geschehen wurde in der Flugzeugkabine nicht registriert", heißt es im Untersuchungsbericht der BFU lapidar. Tatsächlich übertrugen Flugzeugführer und Kabinenbesatzung, sofern sie von der Beinahe-Ohnmacht der Piloten überhaupt etwas bemerkt hatten, nichts von der krisenhaften Situation in die Kabine. "Als Passagier hat man von alldem nichts mitbekommen", erklärt Michaela Schäfer. "Keinem der Passagiere war die Brisanz auch nur annähernd bewusst", sagt ihr Mann Ralf.

Aber im Nachhinein hätten sich Beide von der Fluggesellschaft mehr Transparenz und umfassende Informationen erwartet: "Germanwings hat überhaupt keine Informationen an die Fluggäste weitergegeben. Das ist sehr schlecht", bemängelt Vielflieger Ralf Schäfer. Die Beinahe-Katastrophe sei nur durch Zufall öffentlich bekannt geworden, fast zwei Jahre nach dem Vorfall. Jetzt stellt sich der 45-Jährige die Frage: "Ist tatsächlich alles offengelegt worden?"

Aufs Fliegen können und wollen die Schäfers wegen der Ereignisse am 19. Dezember 2010 aber nicht verzichten, alleine aus beruflichen Gründen. Michaela Schäfer startet an diesem Donnerstag wieder von Köln/Bonn nach London. Mit einer Maschine der Lufthansa-Tochter Germanwings. "Aber entspannt genießen werde ich den Flug mit Sicherheit nicht", sagt sie.

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