Burg Wissem Troisdorfer Bilderbuchmuseum bietet Führungen für Demenzkranke an

Troisdorf · Die Museumspädagogin Jennifer Walther-Hammel erzählt Märchen gegen das Vergessen. Zum Abschluss der Führung werden Gegenstände aus den Märchen ausgemalt und aufgeklebt. So nehmen die Besucher eine Erinnerung in ihr Heim mit.

 Aufmerksam hören die Teilnehmer der Führung der Museumspädagogin Jennifer Walther-Hammel (rechts) zu.

Aufmerksam hören die Teilnehmer der Führung der Museumspädagogin Jennifer Walther-Hammel (rechts) zu.

Foto: Holger Arndt

Mehrere Augenpaare richten sich gespannt auf Museumspädagogin Jennifer Walther-Hammel. In ihren Händen hält sie einen Korb, gefüllt mit einem roten Käppchen, Wein, Brot und einem Kuchen. „An welches Märchen erinnern sie diese Gegenstände?“, fragt Walther-Hammel in die Runde. „Rotkäppchen“ kommt es eintönig zurück. Auf diese richtige Antwort hin, holt die Museumspädagogin ein Bilderbuch des Märchens hervor. „Das Märchen kenne ich, das heißt: Der Wolf und die sieben Geißlein“, sagt daraufhin eine Besucherin.

Jennifer Walther-Hammel leitet im Bilderbuchmuseum auf der Burg Wissem in Troisdorf Führungen für Menschen mit Demenz. Das Konzept hat die Pädagogin selbst entwickelt, nachdem sie vor ungefähr einem Jahr die Anfrage nach speziellen Führungen für Menschen mit Demenz erhielt und vorerst ablehnen musste. „Die Nachfrage hat mich angespornt, aber da ich zuvor nie mit Menschen mit Demenz gearbeitet habe, nahm ich zuerst an einer Fortbildung teil und hospitierte in einem Altenheim“, erzählt Walther-Hammel.

Dort lernte sie einige grundlegende Verhaltensweisen. „Das Ziel ist bei den Menschen den Aha-Effekt, eine Erinnerung, herbeizurufen und dabei auf Augenhöhe mit ihnen zu reden“, erklärt sie. Das kann unterstützt werden durch groß dargestellte Bilder und Themen, die die meisten Menschen ein Leben lang begleiten.

Märchen und allen voran das Märchen „Rotkäppchen“, haben ältere Menschen häufig in vielen verschiedenen Lebensabschnitten begleitet: Als Kind haben sie es vorgelesen bekommen, als Eltern ihren Kindern vorgelesen und als Großeltern auch den Enkeln erzählt. Da bei Demenzkranken das Langzeitgedächtnis noch gut funktioniert, ist auch während der Führung zu beobachten, dass sich die Menschen häufig fragen, wo sie gerade sind, aber bekannte Floskeln aus Märchen wie: „Aber Großmutter, wieso hast du so große Ohren?“ einwandfrei aufsagen können.

Nachdem Walther-Hammel und die Besucher gemeinsam das klassische Rotkäppchen-Märchen anhand von Bildern rekonstruiert haben, zeigt die Pädagogin eine neue Version des Märchens, in der Rotkäppchen „keine Lust hat“. Zum Abschluss werden gemeinsam Gegenstände aus dem Märchen ausgemalt und aufgeklebt, damit die Besucher eine Erinnerung mit in das Altenheim nehmen können. „Neben dem Malen ist auch das Singen eine beliebte Beschäftigung, da beides Erinnerungen hervorrufen kann“, so Betreuer Christian Willenberg vom Haus Elisabeth in Troisdorf. So ist es nicht verwunderlich, dass am Maltisch die 93-jährige Hilde plötzlich das Lied „Heidewitzka“ anstimmt und innerhalb kürzester Zeit die ganze Gruppe einstimmt.

Die Sechsergruppe, die zu der Führung in das Bilderbuchmuseum gekommen ist, kommt aus dem Haus Elisabeth in Troisdorf und dem Haus Sankt Josef in Siegburg. Die zwei Gruppen in Begleitung von Christian Willenberg und Katrin Schlünder unternehmen häufig Ausflüge gemeinsam. „Dann haben die Bewohner auch die Möglichkeit, andere Gesichter zu sehen, und inzwischen erkennen sie sich gegenseitig wieder“, so Schlünder. Die Betreuer planen, mit weiteren Heimbewohnern in das Bilderbuchmuseum zu kommen.

Walther-Hammel möchte in Zukunft auch wechselnde Führungen anbieten. Sie kann sich vorstellen, die regionale Geschichte zu thematisieren. Die Museumspädagogin möchte das Angebot aufrechterhalten und regelmäßiger anbieten: „Die Arbeit mit Menschen mit Demenz ist leichter, als ich mir es vorgestellt habe, und man bekommt so viel von ihnen zurück, schon die kleinste Erinnerungsbrücke ist für beide Seiten ein Erfolgserlebnis.“

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