Ausstellung in der Troisdorfer Burg Wissem Eine neue Heimat in der Fremde

Troisdorf · Das Museum für Stadt- und Industriegeschichte widmet sich der Lebenswelt von Gastarbeitern und sucht nach Zeitzeugen. In der Ausstellung "Heimat in der Fremde" werden die Lebensgeschichten der Gastarbeiter mit Hilfe von Texten und Bildern rekonstruiert.

 Den Spuren von Gastarbeitern in Troisdorf folgen Otto Kuhl (von links), Jutta Willich, Historikerin Petra Recklis-Dahlmann, Monika Hansen, Wolfgang Schmitz, Sandra Moers und Museumsleiterin Pauline Liesen.

Den Spuren von Gastarbeitern in Troisdorf folgen Otto Kuhl (von links), Jutta Willich, Historikerin Petra Recklis-Dahlmann, Monika Hansen, Wolfgang Schmitz, Sandra Moers und Museumsleiterin Pauline Liesen.

Foto: Nadine Quadt

Andelko Kanoti ist 1970 dem Ruf der deutschen Wirtschaft gefolgt. Von Zagreb nach Troisdorf. Bei Reifenhäuser hat er als Gastarbeiter eine Anstellung gefunden. Hat für seine Landsleute gedolmetscht, in seiner Freizeit Handball gespielt, später im Ausländerbeirat der Stadt gesessen, und er hat eine Familie gegründet. Kanoti ist geblieben, hat in der Fremde eine neue Heimat gefunden. Andere zog es nach ihrem Arbeitsleben wieder zurück in ihre alte Heimat. Den Spuren der Menschen, die ab den 1960er Jahren nach Troisdorf kamen, um bei den Mannstaedt Werken, Dynamit Nobel oder Reifenhäuser zu arbeiten, möchte das Museum für Stadt- und Industriegeschichte mit der Ausstellung „Heimat in der Fremde“ nachgehen.

Die Idee ist analog zur im Bilderbuchmuseum laufenden Präsentation „Willkommen in Deutschland“ gewachsen. Darin stellen Flüchtlingskinder und in Deutschland geborene Kinder sich und ihre Heimat vor – und dokumentieren so ein Stück Lebenswelt der Zuwanderer von heute. „Diese Lebenswelt möchten wir um das Leben der Zuwanderer von gestern erweitern“, erklärt Museumsleiterin Pauline Liesen. Das deutsche „Wirtschaftswunder“ habe Arbeitskräfte gebraucht – und die ab 1955 zunehmend im Ausland gesucht. Auf das „Anwerbeabkommen“ der Bundesrepublik mit Italien folgten zahlreiche weitere.

Hilfe von Unternehmen bei der Rekonstruktion

„Wir stehen noch am Anfang“, sagt Liesen. Denn, anders als erwartet, hätten sich im Stadtarchiv kaum Zeugnisse aus jener Zeit gefunden. Historikerin Petra Recklis-Dahlmann hat daher Kontakt zu Unternehmen, die damals Gastarbeiter beschäftigt haben, gesucht – und Unterstützung gefunden.

„Es ist im Sinne unserer Kollegen, dass wir die Ausstellung unterstützen“, sagt Otto Kuhl von Reifenhäuser. Die Reaktionen seien überaus positiv gewesen, ergänzt sein Kollege Wolfgang Schmitz. Gemeinsam haben sie Gastarbeiter von einst besucht und deren Lebensgeschichte in Text und Foto dokumentiert. Andelko Kanoti ist einer von ihnen.

Ausstellung soll durch Zeitzeugengespräche noch erweitert werden

Mit 86 Jahren ist er inzwischen im Ruhestand, Reifenhäuser, wo 900 Menschen arbeiten, aber weiter eng verbunden. „Er hat hier seine Frau kennengelernt“, sagt Kuhl. Tochter und Schwiegersohn arbeiten noch immer im Unternehmen. „Interessant ist, dass Reifenhäuser vornehmlich Gastarbeiter aus dem ehemaligen Jugoslawien hatte, Dynamit Nobel und Mannstaedt hingegen aus Griechenland“, sagt Pauline Liesen. Sie deutet auf ihr Lieblingsfoto aus der noch kleinen Ausstellung. Es zeigt Josef Semertzidis und einen Kollegen vor den Mannstaedt-Werken. Beide im Anzug, jeder auf einer Vespa. „Die graue Vespa wird heute noch in Griechenland gefahren“, hat Liesen erfahren. Viel mehr noch hat der Sohn eines griechischen Gastarbeiters ihr berichtet. „Bei ihm zu Hause gab es keinen Farbfernseher, da das System in Griechenland nicht funktionierte“, so Liesen. Und die Rückkehr in die Heimat sei immer präsent gewesen.

„Die Grundprobleme waren damals wie heute die gleichen“, hält Liesen fest. Viele seien unter sich geblieben, es mangelte an Sprachkenntnissen. Die Frage der Unterbringung klärten die Firmen. „Erst als feststand, dass viele nicht wie geplant nach ein bis zwei Jahren wieder in die Heimat zurückkehren, begann die Integration“, so Liesen. Und Troisdorf profitierte von neuen Lebenswelten, die in das Stadtleben einflossen. Bis Oktober soll die Ausstellung laufen. Liesen hofft, sie noch erweitern zu können. Zeitzeugengespräche sind angedacht. Die Unterstützung von Reifenhäuser und Mannstaedt sind ihr sicher. „Wir wollen die Geschichte weitertragen“, sagt Liesen und bittet, Zeitzeugen um Fotos, Unterlagen, Briefe oder Ähnliches.

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