Leben in Siebenbürgen Aus dem Rheinland nach Rumänien

TROISDORF · Christian Wilhelm Roth zieht es auf den Spuren seiner Familie nach Siebenbürgen. Der junge Troisdorfer will sein Studium in Cluj, dem früheren Klausenburg, fortsetzen.

 Christian Wilhelm Roth hat von seinem Praktikum Bilder aus Rumänien mitgebracht.

Christian Wilhelm Roth hat von seinem Praktikum Bilder aus Rumänien mitgebracht.

Foto: Martin Wein

Unbeschadet von den Nachrichten aus der Ukraine oder der Türkei blüht der Osten der Europäischen Union auf. Der Troisdorfer Christian Wilhelm Roth möchte daran teilhaben. Nach der Abgabe seiner Bachelor-Arbeit zieht der 23-Jährige nach Rumänien. „Ich habe mich verliebt in dieses wunderschöne Land“, sagt er.

Die meisten Studierenden zieht es für Praktika oder Auslandssemester nach wie vor in den englischsprachigen Raum oder nach Frankreich. Christian Roth findet es im Osten Europas gerade viel spannender. „Städte wie Cluj in Siebenbürgen – ehemals Klausenburg – sind nicht nur aufwendig wieder aufgebaut, sondern auch voller Kultur, Leben und junger Leute.“ 100 000 von insgesamt 330 000 Einwohnern seien Studierende der sechs Hochschulen.

Von der alten Tristesse während des kommunistischen Regimes unter Nicolae Ceausescu sei wenig geblieben bis auf dessen riesigen Protzpalast in Bukarest, nach dem Pentagon bis dato das größte Regierungsgebäude der Welt. Gerade hat Roth das Land und seine Arbeitsbedingungen bei einem zwei-monatigen Praktikum bei einem großen deutschen Unternehmen in Sibiu und Bukarest näher kennengelernt und in der Freizeit auch die mächtigen Kirchenburgen, die Passstraßen der Karpaten, das üppig grüne Donau-Delta und die Welterbe-Klöster an der Moldau besucht.

Das Interesse an Rumänien kommt nicht von ungefähr. Roths Eltern stammen aus Hunedoara – zu Deutsch Eisenmarkt – einer Plattenbaustadt in Siebenbürgen. Ende der 1970er-Jahre floh die Familie seines Vaters in einem Lastwagen mit doppelter Wand über die Türkei in den Westen. Seine Mutter kam nach der Wende nach Deutschland. 1992 wurde Christian in Troisdorf geboren, machte in Bonn Abitur und studierte bis zum Sommer in Siegen Wirtschaftsrecht.

Zwar lernte er in der Familie und auf einigen Reisen zu den Großeltern auch Rumänisch. Sein Wunsch, dorthin zurückzukehren, löste aber erst einmal Ratlosigkeit aus. Schließlich haben die Eltern nicht vergessen, wie Machthaber Ceausescu seine Landsleute einst auf Sparkost setzte, Wasser, Strom und Fernsehen nur stundenweise erlaubte, um trotz der unrentablen Wirtschaft seine West-Kredite bedienen zu können.

Heute hat sich aus Roths Sicht vieles verbessert. Trotzdem verlässt er das Rheinland, das er als Heimat nicht missen möchte, keineswegs blauäugig. Als Thema seiner Bachelor-Arbeit hat er sich im Frühjahr für Rumäniens Transformation nach 1989 entschieden. Nach der Wende hätten sich Parteimitglieder aus der zweiten Reihe die Mehrzahl der Betriebe und Vermögen gesichert. Ein Spinnennetz aus Nepotismus und Korruption überziehe das Land noch heute, erzählt er.

Kommunalbeamte ließen sich von Unternehmen bestechen, die Infrastruktur sei zwar besser geworden, aber Autobahnen gebe es immer noch nur wenige. Die Waisenkinder würden heute deutlich besser versorgt. Und Straßenhunde sehe man kaum noch.

Aber viele Sinti und Roma fänden weiterhin keinen Anschluss an den Rest der Gesellschaft. Nun hofft Roth, dass der neue Staatspräsident Klaus Iohannis, vorher Bürgermeister von Sibiu (Hermannstadt in Siebenbürgen), mit dem Druck der EU für Veränderung sorgen wird. Erste Erfolge gegen die Korruption seien gemacht. Auch Roth will sich für die Entwicklung des Landes engagieren.

Er hat einen Job bei einer Privatstiftung gefunden, die deutsche Sprache und deutsches Kulturgut pflegt, zum Beispiel die vielen verfallenen Häuser der Siebenbürger Sachsen. Nur für zwei Klausuren möchte er im Januar noch einmal ins Rheinland kommen und anschließend vermutlich den Master in Rumänien anstreben.

In Cluj gibt es eine Rumänisch-Deutsch-Ungarische Universität. Die ist besonders bei deutschen Medizinstudenten beliebt, die den Numerus Clausus in Deutschland nicht erreicht haben. Aus der Welt sei er damit aber nicht, meint der Troisdorfer. Von Bukarest seien es schließlich nur zwei Flugstunden ins Rheinland.

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