Bergheimer Siegauenschule „Im Physikraum hat's geknallt und gestunken“

TROISDORF · Vor 56 Jahren wurde die Bergheimer Volksschule neugebaut - doch bis es so weit war, gab es einigen Wirbel. Und auch als das Gebäude dann stand, blieb es stets spannend: Die Schule hat eine wechselvolle Geschichte erlebt.

 Altrektor Heinrich Brodeßer, heute 87 Jahre alt, vor seiner ehemaligen Wirkungsstätte.

Altrektor Heinrich Brodeßer, heute 87 Jahre alt, vor seiner ehemaligen Wirkungsstätte.

Foto: Hanjo (FM) Wimmeroth

„Wir waren pädagogische Zehnkämpfer“, schmunzelt Heinrich Brodeßer, langjähriger Leiter der Bergheimer Volksschule. Im Frühjahr 1953 hatte Lehrer Brodeßer dort seine erste Stelle angetreten, von 1958 bis Juli 1992 leitete er die Schule.

Es war ein langer, mühevoller Weg bis zur heutigen Siegauenschule, einer Gemeinschaftsgrundschule. Das alte Schulhaus am Paul-Schürmann-Platz war nicht nur zu klein, es war auch völlig marode. In Band IX der Bergheimer Geschichte und Geschichten schreibt Brodeßer, der sich auch als Heimatforscher, Buchautor und Zeichner einen Namen gemacht hat: „Seit den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden die Schulverhältnisse in der alten Bergheimer Schule unerträglich.“

Eng war es. Für fünf Klassen gab es nur vier Räume, dazu kam ein Klassenzimmer für die evangelische Volksschule. Hierzu addierten sich die baulichen Mängel.

Grundstück zwischenRhabarber und Sprossenkohl

Gleichwohl dauerte es, bis sich die damalige Gemeinde Sieglar, zu der Bergheim gehörte, entschloss, ein Grundstück für einen Neubau zu kaufen. Das lag damals, so Brodeßer, zwischen Rhabarber und Sprossenkohl jenseits der Bahnlinie des sogenannten Rhabarberschlittens. Und es wurde geplant.

Der Architekt des Gemeindebauamtes, Herr Jung, hatte einen Neubau entworfen mit allem Komfort. Sechs Klassenräume, ein Werkraum, ein Handarbeitsraum, ein Physikraum, eine Lehrküche und eine Brauseanlage sowie ein Verwaltungshaus mit einer Hausmeisterwohnung waren geplant.

Selbst Erweiterungsmöglichkeiten waren bedacht. Aber nicht ohne das Zutun anderer Behörden. Mal sollte der Klassentrakt nach Süden weisen, dann nach Osten, nach Norden und schließlich wieder nach Süden.

Und dann kam im August 1958 die große Enttäuschung. Der General-Anzeiger vermeldete, dass die Bezirksregierung in Köln die Finanzierung der neuen Schule in Frage gestellt hatte, weil sie zu großzügig, zu aufwändig und zu kostspielig gehalten wurde – was Heinrich Brodeßer auf die Barrikaden trieb. Dem Gemeinderat schrieb er, dass am alten Schulhaus am Paul-Schürmann-Platz Trägerbalken verfault seien, wiederholt Deckenteile herabstürzten und so weiter.

Man sprach im Übrigen damals von Baukosten von 700 000 Mark. Dann kam letztendlich ein Unglück zu Hilfe: Im Januar 1959 stürzte die Schulmauer ein und bewies somit augenfällig die Baufälligkeit der Schule. Nach Streitigkeiten im Gemeinderat blieb eine Entscheidung über den Neubau am 20. März aus, vier Tage später gab es eine neue Sitzung, und der Schulneubau wurde genehmigt. Am nächsten Tag – so schnell war man damals aber doch – fand der erste Spatenstich durch Bürgermeister Bernhard Dresbach statt und schon am 26. Juni kam es zur Grundsteinlegung. Im Oktober des Jahres wehte dann schon der Richtkranz über dem Gebäude.

Die Hoffnung, in den Sommerferien 1960 in das neue Gebäude umziehen zu können, ging indes nicht in Erfüllung. Was den Schülern eine Woche zusätzlicher Ferien einbrachte. Denn das alte Schulhaus durfte wegen eines TBC-Falles nicht mehr benutzt werden. So fand der Unterricht in drei Schichten im Jugendheim statt. Da kam Regierungsrat Lindlar, um einen neuen Lehrer der einklassigen evangelischen Schule zu besuchen. Lindlar fand den Unterricht im Jugendheim unmöglich und ordnete den Unterricht in der noch unfertigen neuen Schule an. Die Gemeindeverwaltung gab aber das Gebäude nicht frei wegen eines Unfallrisikos. Lindlar ordnete daraufhin eine Woche Ferien an.

Der Schulbetrieb wurde danach wieder aufgenommen mit Lehrwanderungen, Ausflügen und Religionsunterricht in der Kirche. Am 20. September schließlich konnte die neue Schule feierlich eingeweiht werden. Und der Physikraum hatte es den Schülern besonders angetan, erinnert sich Brodeßer: „Da hat es geknallt und gestunken, wenn wir etwa Knallgas herstellten.“ Ab 1966 nahte dann das Ende der klassischen Volksschule. Das neunte Schuljahr wurde eingeführt, zwei Kurzschuljahre ermöglichten es, den Schuljahresbeginn auf den Sommer zu verschieben, und 1968 kam es zur Trennung von Grund- und Hauptschule.

Für Bergheim hieß das, mit dem Schuljahr 1972/73 die Kinder der beiden fünften Klassen zur Hauptschule nach Sieglar abzugeben. 1975 sollten auf Verfügung der Bezirksregierung sogar alle Kinder des achten und neunten Schuljahres mitten im Schuljahr nach Sieglar umgeschult werden. Proteste von Eltern und der Stadtverwaltung halfen. Die Schüler konnten ihre Schulzeit in Bergheim im Juni 1976 beenden.

Die Schule lebt seitdem als Grundschule weiter. Das Gebäude wurde noch erweitert, eine geräumige Mehrzweckhalle angebaut. Seit dem 1. August 2001 heißt sie nun Siegauenschule und ist eine Gemeinschaftsgrundschule.

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