GA-Serie "Siegburger Köpfe" Zwillingsschwestern kümmern sich in Siegburg um Flüchtlinge

SIEGBURG · Für die Schwestern Dina Hürter und Waso Lehmann ist Flüchtlingsarbeit eine Herzensangelegenheit. Mittlerweile sind die Zwillinge in Siegburg so bekannt wie das "doppelte Lottchen".

 Dina Hürter und Waso Lehmann (v.l.) möchten, dass sich auch die von ihnen betreuten Flüchtlinge in "ihrem" Siegburg wohlfühlen.

Dina Hürter und Waso Lehmann (v.l.) möchten, dass sich auch die von ihnen betreuten Flüchtlinge in "ihrem" Siegburg wohlfühlen.

Foto: Paul Kieras

Wenn sie von etwas überzeugt sind, dann fackeln sie nicht lange und geben alles. Als Bürgermeister Franz Huhn 2015 im Urlaub über seinen Co-Dezernenten Bernd Lehmann nachfragte, ob dessen Frau Waso und deren Zwillingsschwester Dina Hürter sich vorstellen könnten, in der Erstaufnahme am Neuenhof zu arbeiten, sagten sie sofort zu.

Drei Wochen später wechselten sie von ihrem Arbeitsplatz beim Bürgerservice im Rathaus in die Turnhalle des Schulzentrums und waren dort maßgeblich am Aufbau der Notunterkunft beteiligt. „Uns war das eine Herzensangelegenheit“, beteuern die Schwestern. „Wir können nichts an der Politik ändern, aber vor Ort helfen“, lautet ihre Begründung für die damalige Entscheidung.

Ihr Wunsch sei es gewesen, dass Menschen, die nach Siegburg kommen, sich dort wie sie selbst zu Hause fühlten. „Wir wissen, wie es ist, fremd zu sein, denn wir sind Gastarbeiterkinder“, so die Schwestern mit griechischen Wurzeln, die 1975 in Waldbröl geboren wurden und mit der Familie 1994 in die Kreisstadt zogen.

Die Arbeit mit den Flüchtlingen war für sie „die intensivste Erfahrung, die wir je gemacht haben“, so Dina und Waso, die nach eigenen Worten in Siegburg bekannt sind wie „das doppelte Lottchen“. So sprechen sie immer wieder Menschen, vor allem Flüchtlinge, die mittlerweile ein dauerhaftes Bleiberecht in der Kreisstadt haben, auf der Straße an, schütteln ihnen die Hand, reden mit ihnen.

In einer Bäckerei bekamen sie mit, wie eine ältere Dame ihren Ehemann anstupste und ihm mit einer kurzen Kopfbewegung in ihre Richtung zuflüsterte: „Das sind die.“ Die Unterstützung der Neubürger und ihre Integration sind für die 42-Jährigen zur „Lebensaufgabe“ geworden. Neben einem normalen Vollzeitjob bei der Stadtverwaltung investieren sie im Schnitt zusätzlich jeweils rund 30 Stunden pro Woche – selbstverständlich ehrenamtlich – in die Betreuung von rund 250 Menschen. Dazu gehören Arztbesuche, Behördengänge oder das Ausfüllen von Formularen. Bei allen Schulen der Stadt sind sie Ansprechpartner als Interessenvertretung für rund 70 Kinder mit Migrationshintergrund. „Wir sind zu einer großen Familie geworden und haben sogar schon drei Frauen bei der Geburt begleitet“, berichten sie stolz. Damit noch nicht genug, engagieren sie sich alle zwei Wochen mittwochs im „Café International“, Treffpunkt für Migranten und hier Geborene im Marienheim sowie im von ihnen mit gegründeten Verein „Die Welt ist bunt“, der die Hilfe zur Integration zum Ziel hat.

Zeit haben sie auch noch für Stadtführungen, einmal im Monat für private Partys und regelmäßige Frauenabende mit den Neu-Siegburgern. „Da sind locker schon einmal 60 Frauen bei mir zu Hause“, erzählt Waso. Jede bringe etwas mit und sie kochen zusammen. Sie und Dina freuen sich besonders darüber, dass die Siegburger Flüchtlingen gegenüber immer offen gewesen seien.

„Schon bei den Informationsveranstaltungen der Stadt zur Aufnahme von Flüchtlingen haben die Leute nie gefragt, warum die Menschen kommen, sondern wie sie untergebracht werden“, erinnern sich beide. Die Integration „klappt prima“, sagen sie und unter den verschiedenen Nationalitäten herrsche mittlerweile Freundschaft, im Neuenhof habe es vereinzelt „Reibereien“ gegeben.

Alle hätten aber jetzt verstanden, „dass jeder von ihnen Krieg hinter sich hat und Frieden will“. Ein Heimatgefühl zu vermitteln, fällt den beiden „bekennenden Siegburgerinnen“ nicht schwer. Zu allen Veranstaltungen nehmen sie ihre Schützlinge mit. Natürlich auch zum Siegburger Karneval, den sie lieben. Sie seien durch und durch rheinische Frohnaturen. „Wir sind kölsche Mädche, am 11.11. geboren“, verkünden sie strahlend und mit rheinischem Tonfall. Party gemacht haben sie schon immer gerne, „wir feiern das Leben“, lautet ihr Motto. Als Waso und Dina mit 19 Jahren in der Kreisstadt landeten, arbeiteten beide als Servicekräfte im damaligen Szenelokal „poco loco“, Waso sogar als Betriebsleiterin. „Von der Zeit könnten wir ein Buch schreiben, da ging es rund“, erzählen sie.

Woanders als in Siegburg zu wohnen, können die zwei Energiebündel sich kaum vorstellen: „Wenn wir weg waren und auf dem Rückweg schon von Weitem den Michaelsberg sehen, dann ist das wie nach Hause kommen.“ Die Stadt empfinden sie trotz ihrer über 40 000 Einwohner als Dorf, denn: „Jeder kennt jeden und man trifft immer irgendwen“, so ihr Eindruck. Und was schätzen sie besonders an ihrer Stadt? „Die fast südländische Atmosphäre, wenn man auf dem Markt sitzt,“ kommt wie aus der Pistole geschossen als Antwort. Allerdings – und da schimmert ein wenig die griechische Abstammung durch – vermissen sie eine „Kleinigkeit“: „Was fehlt, ist das Meer.“

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