GA-Serie "Eine Stunde mit" Zur Futterbeschaffung durch die Bonner City

SANKT AUGUSTIN · Die Motoren dröhnen, als Landwirt Simon Scheja seinen neun Tonnen schweren Traktor mit dem großen Anhänger in Bewegung setzt. Heute wird er allerdings nicht über seine Felder, sondern durch die Bonner Innenstadt fahren.

 Kohl steht auf dem Speiseplan der 150 Kühe von Bauer Simon Scheja.

Kohl steht auf dem Speiseplan der 150 Kühe von Bauer Simon Scheja.

Foto: Holger Arndt

Der 24-jährige Landwirt lenkt gekonnt um die scharfe Kurve aus der Ausfahrt seines Hofes. Über Generationen schon bestellt die Familie Scheja die Felder in der Hangelarer Heide. Auch fast 150 Milchkühe und Kälber gehören zum Hof. Für sie nimmt Simon Scheja an diesem Tag den Weg nach Bornheim auf sich. Ein befreundeter Landwirt baut dort Kohl an. Laut Bundes- und EU-Normen dürfen jedoch nur Kohlköpfe einer bestimmten Größe im Supermarkt verkauft werden. Damit der Rest nicht weggeworfen wird, holt Scheja im Winter oft einen Wagen voll "Kappes" für seine Kühe ab.

Zuerst geht es durch Feld und Wiese, 200 Hektar des Umlandes gehören der Familie Scheja. "Wir bauen je zu einem Fünftel Weizen, Gerste, Mais, Zuckerrüben und Feldgras an", sagt der Landwirt. Vielfältige Fruchtfolge nennt sich das Prinzip, nach dem auf jedem Feld jedes Jahr etwas anderes angebaut wird. So bleibt die Qualität des Ackerlandes erhalten.

Mit ihrer Ernte und dem aussortierten Gemüse der Bornheimer Bauern hat die Familie Scheja mehr als genug Futter für die Milchkühe. So sind sie nicht auf weit verbreitete Futtermittel wie genmanipuliertes Soja angewiesen, das oft aus entfernten Ländern wie Argentinien importiert wird. Der Kreislauf auf dem Mendener Hof schließt sich wieder, wenn die Felder mit der Gülle aus dem eigenen Kuhstall gedüngt werden.

"Die Zuckerrüben werden nach Euskirchen gebracht, und unser Weizen kommt ins Mühlwerk nach Köln", berichtet Scheja, während er von den schmalen Feldwegen auf die Hauptstraße in Meindorf abbiegt und sich in den Verkehr einfädelt. Aus dem drei Meter hohen Fahrerhaus bietet sich ein ganz anderer Blick auf die Fahrbahn. Plötzlich sieht man zu Verkehrsschildern herab anstatt hinauf. Da das Fahrzeug mit seinen rund 60 Stundenkilometern nicht auf der Autobahn über die Nordbrücke fahren kann, rollt es kurz darauf über die Bonner Kennedy-Brücke mitten durch die Innenstadt. Als der Traktor die Stadtbahnlinie 66 überholt, winken zwei kleine Jungen grinsend vom Straßenrand.

"Ich könnte mir keinen anderen Beruf vorstellen", erzählt Simon Scheja. "Einfach nur im Büro zu sitzen, das wäre nichts für mich." Vor allem schätzt er die Abwechslung. Kein Tag sei wie der andere, er sei viel draußen und immer in Aktion. In der Erntesaison kann ein Arbeitstag auch mal 16 Stunden dauern. Doch Scheja sagt einfach: "Im Grunde muss einem die Arbeit so viel Spaß machen, dass sie wie ein Hobby ist." Eine fünfjährige Ausbildung zum Landwirt hat er hinter sich. Dafür arbeitete er drei Jahre auf verschiedenen Höfen. Für seinen Meister-Abschluss zum staatlich geprüften Wirtschafter fügte er noch ein Praxisjahr und ein Jahr Ganztagsschule hinzu.

Als er aus Bonn herausfährt und die weiten Felder von Bornheim in Sicht kommen, erzählt Simon Scheja, dass es für ihn, seinen Vater und den Auszubildenden noch weiter geht, wenn die Ernte auf dem eigenen Hof vorbei ist: Als landwirtschaftliches Lohnunternehmen mähen, sähen und düngen sie mithilfe ihrer Maschinen auch die Felder anderer Bauern.

Dafür fahren sie sogar bis nach Linz, wo die Erntesaison wegen des anderen Klimas erst einige Wochen später beginnt. Für die Familie Scheja ist diese hohe Auslastung sehr wichtig: "Ein Traktor oder ein Mähdrescher ist eine große Investition, die man sich als einzelner Bauer gar nicht leisten kann", sagt er: "Deshalb müssen wir sehen, dass unsere Maschinen arbeiten, arbeiten, arbeiten. Wenn das Wetter gut ist, wird jede Minute genutzt."

Der Traktor, in dem Scheja gerade sitzt, ist erst drei Monate alt. Im Fahrerhaus gibt es mehrere Hebel, einige bunte Knöpfe und einen kleinen Bildschirm, auf dem ein Raster zu sehen ist. "Dieser Traktor kann auf dem Feld auch satellitengesteuert fahren", erklärt Scheja: "So kann man auf drei Zentimeter genau säen und geht sicher, dass keine Stelle zweimal gedüngt wird."

Das letzte Stück der Fahrt führt bergauf durch die engen Gassen von Rösberg. Auf dem Hof des Kohlbauern wartet schon ein hochbeladener Anhänger. Simon Scheja koppelt seinen leeren Wagen ab und fährt dann zentimetergenau rückwärts auf den Anhänger mit dem Kohl zu. Die Kupplung rastet beim ersten Versuch ein. Jetzt steigt der Landwirt aus und klettert auf den Anhänger. "Der Kohl muss etwas festgetreten werden, damit nichts herunterfällt", erklärt er. Danach geht es wieder zurück nach Menden. Ein zweites Mal kann er auf der Kennedy-Brücke die Aussicht auf das glitzernde Wasser und auf die Hügel des Siebengebirges genießen.

Als Simon Scheja wieder auf die heimatlichen Feldstraßen in Sankt Augustin fährt, sieht man aus dem Fenster die Fallschirmspringübungen der Bundespolizei. "Das Gras auf dem Hangelarer Flugplatz halten wir mit unseren Maschinen auch kurz", so der Landwirt, "so können die Flugzeuge auch auf der Grasbahn sicher landen." Neben dem Flugplatz grasen ein paar Schafe, die für den Naturschutz in der Hangelarer Heide wichtig sind. Auch um diese kümmert sich die Familie.

Wieder zurück auf dem Hof, geht für Simon Scheja die Arbeit gleich weiter, denn 150 Kühe warten auf den Kohl.

Serie "Eine Stunde mit..."

In der GA-Serie "Eine Stunde mit..." begleiten wir Menschen bei der Ausübung ihres Berufs. Ob Bäcker, Model oder Tierpfleger - sie gewähren uns Einblick in ihren Alltag. Für genau eine Stunde.

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