Geschäfte in der Kaiserstraße So hat jüdisches Leben den Siegburger Alltag geprägt

SIEGBURG · Ein Stadtrundgang mit Kreisarchivarin Claudia Arndt erinnert an ehemalige jüdische Geschäftsleute in der Kaiserstraße und deren Schicksal in der NS-Zeit.

 Siegburg 1938.

Siegburg 1938.

Foto: Holger Arndt

Am 18. Juli 1942 wurden die letzten in Siegburg verbliebenen Juden ins Lager Köln-Deutz gebracht und von dort aus in den Osten deportiert, wo man sie tötete. Bei einem Stadtrundgang im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Landjuden an der Sieg“ erinnerte Kreisarchivarin Claudia Arndt an die Lebensgeschichten und Schicksale jüdischer Geschäftsleute und ihrer Familien, die auf der Kaiserstraße ansässig waren.

Ihren Vortrag begann sie mit einem Blick auf die Geschichte der Juden in Siegburg, die sich dort nachweislich seit dem 13. Jahrhundert niedergelassen hatten. Nach ihren Recherchen verließen die Juden im 15. Jahrhundert Siegburg, Mitte des 17. Jahrhunderts, nach dem Dreißigjährigen Krieg, kehrten sie wieder nach Siegburg zurück.

„Deutsche! Wehrt Euch! Kauft nicht bei Juden!“

1816 hatte die jüdische Gemeinde in Siegburg 82 Mitglieder, 1901 dann 341 Mitglieder. Mitte des 18. Jahrhunderts besaß sie eine eigene Synagoge in Form eines Betraumes in einem Anbau des Hauses Holzgasse 10. Am 22. Oktober 1841 wurde die neue Synagoge auf dem Gebiet des heutigen „Am Brauhof“ eingeweiht.

Unter Parolen wie „Deutsche! Wehrt Euch! Kauft nicht bei Juden!“ begann am 1. April 1933 auch in Siegburg der Boykott jüdischer Geschäfte, am 10. November 1938 erfolgten die Vernichtung der Synagoge sowie Übergriffe auf Geschäfte Siegburger Juden. Arndt stellte unter anderem das Hutgeschäft der Familie Fröhlich, Hermann Hambergs „Spezialgeschäft für Hüte, Mützen, Schirme und Herrenartikel“ und die Wein- und Spirituosenhandlung von Moritz Heymann vor. Allerdings steht heute keines dieser Häuser mehr.

Die 'Reise der Verdammten' im Kino

Arndt berichtete auch vom Schicksal Max Czerninskis, der auf der Kaiserstraße 15 das Geschäft „C. M. Herrenkonfektionen“ führte. Nach den Novemberpogromen emigrierte er mit Frau Hilde und Tochter Inge. Am 13. Mai 1939 verlässt die Familie zusammen mit rund 1000 anderen Juden an Bord des Passagierschiffs „St. Louis“ die Heimat Richtung Amerika.

Kuba ließ nur 28 Passagiere an Land, die USA gestatteten niemandem die Einreise, das Schiff musste nach Europa umkehren – England, die Niederlande, Belgien und Frankreich nahmen die Juden auf. Arndt: „Die Czerninskis hatten großes Glück, denn die Buchstaben A bis F gingen zuerst von Bord – in England. Von dort gelang wenig später die Ausreise in die USA. Die Geschichte wurde verfilmt. 1976 kam die 'Reise der Verdammten' ('Voyage of the Damned') in die Kinos.“

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