Siegburger Serie "Eine Stunde mit..." Wenn Pferde zu Therapeuten werden

Siegburg · Mechthild Hoffmann und ihre Pferde im Reitsportzentrum Siegburg helfen, Ängste abzubauen. Zu ihren Klienten zählen Menschen mit Ängsten, Burnout oder wenig Selbstbewusstsein.

 Pferde als Therapeuten: Mechthild Hoffmann leitet seit Oktober das Reitsportzentrum auf dem Stallberg.

Pferde als Therapeuten: Mechthild Hoffmann leitet seit Oktober das Reitsportzentrum auf dem Stallberg.

Foto: Holger Arndt

In den Pfützen spiegelt sich die Nachmittagssonne. Kalt ist es. Und still. Das einzige was zu hören ist, sind die entfernte Autobahn und das regelmäßige Knacken des Elektrozauns. Die Pfützen sind eigentlich keine richtigen Pfützen, sondern viel mehr kleine, aber dafür tiefe Wasseransammlungen in den kraterähnlichen Hufspuren im aufgeweichten Boden. Eine neben der anderen. Man sieht mehr Wasser als Boden.

Dann unterbricht ein leises, aber angenehmes Geräusch die Stille. „Das ist Samantha, mein Haflinger. Sie schnaubt mich jetzt an, weil sie mich kommen sieht“, sagt die Frau in der schwarzen Fleecejacke. Sie hebt ihren Arm über den Zaun, streichelt das goldbraune Tier mit der geflochtenen weißen Mähne und läuft an ihm vorbei. Mechthild Hoffmann öffnet das Gatter, holt ein dunkelbraunes Pferd vom Paddock und führt es Richtung Stall. Schon bald hört man Hufgetrappel auf Pflastersteinen und schlurfende Gummistiefel. Auf dem Weg zurück zum tieferliegenden Gebäude sieht man das gesamte Gelände – rund ein Hektar gehört zum Reitsportzentrum Siegburg am Stallberg und nun auch zu Mechthild Hoffmann.

Erst vor fünf Jahren die ersten Reitstunden

Anfang Oktober hat die Diplom-Agraringenieurin, Seelsorgerin und Heilpraktikerin (Psychotherapie) den Betrieb gekauft. Schon als Kind ist die heute 58-Jährige aus der Nordeifel geritten. „Naja, Reiten kann man das eigentlich nicht nennen. Eher war es auf dem Pferd sitzen“, sagt sie und lächelt. Im Februar 2011 haben ihr ihre Kinder einen Gutschein für Reitstunden geschenkt, nur wenige Monate später kaufte Hoffmann ihr erstes Pferd: die Warmblutstute Venta.

Heute stehen 35 Pferde in den Stallungen, 15 davon gehören ihr. „Die Schulpferde sind meine wertvollsten Mitarbeiter“, erklärt sie. Außerdem besitzt Hoffmann auch Therapiepferde. „Ich führe eine Beratungsstelle, und irgendwann habe ich angefangen, meine Klienten mit zu Venta zu nehmen. Das Pferd hat immer anders auf die unterschiedlichen Personen reagiert. Da habe ich mich gefragt, wo sind die Zusammenhänge?“, sagt sie und streichelt Pollux liebevoll über die weiße Blesse auf seinem braunen Pferdekopf.

An der Boxentür des ausgemusterten Trabers hängt sein grüner Halfter, ein bunter Führstrick und sein Fliegenschutz. Letzterer wird zu dieser Jahreszeit nicht mehr benötigt. Es ist dämmrig. Nur durch die gelben Wellblechplatten im hohen Dach schafft es die schwache Nachmittagssonne, etwas Licht ins Innere zu schicken. In der Stallgasse stehen drei Pferde und werden von jungen Reiterinnen geputzt.

Gleich ist Reitstunde.

Auch Mechthild Hoffmann ist involviert. „Moment, ich muss eben meine Schuhe wechseln“, sagt sie und läuft um die Ecke. In einer kleinen Nische unter der Treppe, stehen zwei paar Schuhe: bequeme Laufschuhe und schwarze Reitstiefel – Berufsbekleidung, wie Hoffmann sie nennt. Sie stellt ihre matschigen Gummistiefel daneben. „Den ganzen Tag nur in ungefederten Stiefeln herumlaufen, das kann ich nicht. Da tun mir abends die Füße weh, deshalb habe ich noch Sportschuhe hier“, erklärt sie. Schon geht es zurück zu den Pferden und zu den Mädchen. Die zwölfjährige Tiara braucht Hilfe beim Satteln. Hoffmann übernimmt. „Gut machst du das, Jeanne, ganz brav“, lobt sie die Stute. Die Reitstunden mit vorzubereiten ist nur ein kleiner Teil der täglichen Aufgaben auf dem Hof.

Um halb sieben morgens geht es dort los: Füttern, Pferde auf den Paddock bringen, ausmisten. Nachmittags stehen Reit- oder Therapiestunden auf dem Plan. Zu Hoffmanns Klienten zählen Menschen mit Ängsten, Burnout oder wenig Selbstbewusstsein. „An dem Verhalten von meinem Haflinger Samantha sehe ich sofort, ob eine Person versteckte Aggressionen in sich trägt. Pferde sind Spiegel für das Herz eines Menschen. Sie lassen sich nicht täuschen“, erklärt sie.

Jede freie Minute bei den Pferden

Auch für Opfer von Missbrauch sei eine tiergestützte Therapie sinnvoll. Hoffmann bietet außerdem Coaching mit Pferden an. „Für Teambildung oder zur Verbesserung von Führungsstilen ist das super. Man sieht sofort, ob eine Führungskraft Angst oder eine natürliche Autorität hat“, sagt die Pferdenärrin. Noch ist Hoffmann in der Aufbauphase: „Es ist viel geplant. Oben im Gebäude ist ein großer Raum, der als Veranstaltungsort genutzt werden soll, aber noch umgebaut werden muss. Zum Reiten kommt sie deshalb im Moment weniger. Trotzdem verbringt sie jede frei Minute bei ihren Pferden: „Es ist sehr erfüllend“, sagt sie.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort