Siegburger Schiedsmann Karl-Heinz Reimer Wenn Lappalien zum Streitfall werden
SIEGBURG · Der Siegburger Schiedsmann Karl-Heinz Reimer fällt kein Urteil, sondern stiftet Frieden. Häufig sind es Lappalien, an denen sich die Gemüter erhitzen.
Gestritten wird täglich und überall. Unter Freunden, in der Familie, mit Handwerkern, im Verein oder unter Nachbarn. Schnell sind die Fronten verhärtet, es entstehen Feindschaften und scheinbar unüberbrückbare Gräben. Man nimmt sich einen Rechtsanwalt und zieht vor Gericht. Dabei sind es oft Lappalien, an denen sich die Gemüter erhitzen, jeder pocht auf sein Recht und will es mit allen Mitteln durchsetzen.
Dabei könnten viele Dinge ganz einfach geregelt und Streitigkeiten aus der Welt geschaffen werden, wenn man das Gespräch suchen würde, sagt Karl-Heinz Reimer. Der 62-Jährige ist seit eineinhalb Jahren eine von zwei ehrenamtlich tätigen Schiedspersonen in Siegburg mit festgelegtem Bezirk.
Reimers Aufgabe ist es, außergerichtliche Lösungen mit den zerstrittenen Parteien zu erarbeiten. In der Praxis handelt es sich dabei meist um typische Nachbarschaftsstreitigkeiten, Streitigkeiten wegen Beleidigung, Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung, leichter oder fahrlässiger Körperverletzung.
Den Antrag auf eine Schlichtungsverhandlung kann jeder stellen, die Gegenpartei kann allerdings nur zum Erscheinen verpflichtet werden, wenn das Schiedsverfahren vom Gericht als Voraussetzung für die Zulässigkeit einer zivil- oder strafrechtlichen Klage vorgeschrieben wurde.
Ansonsten beruht die Teilnahme auf Freiwilligkeit. Reimer empfiehlt immer die gütliche Einigung. „Denn der Weg zum Gericht ist mit erheblichen Kosten verbunden. Rechtsanwälte wollen ihr Geld, Gerichte müssen bezahlt werden, und der Zeitaufwand steht meist in keinem Verhältnis zum Wert und zur Bedeutung der Streitursache“, so der Schiedsmann.
Aus eigener Erfahrung weiß er von Fällen zu berichten, bei denen beide Seiten schon nicht mehr wussten, was eigentlich ursprünglich zu ihrer Auseinandersetzung geführt hatte. In diesem Zusammenhang erinnert er sich an eine ältere Dame, die wieder den Kontakt zu ihren Kindern suchte, der schon vor Jahren abgebrochen war. Warum, konnte zu Beginn des Gesprächs niemand mehr sagen.
Früher hätten die Menschen den Schiedsmann viel öfter als unabhängigen Mediator aufgesucht, sagt Reimer. Da habe aber zwischen den Menschen – vor allem im dörflichen Bereich – auch noch mehr Nähe bestanden als heute in den Städten, wo alles anonymer sei. Wie erfolgreich das Gespräch sein kann, verdeutlicht er beispielsweise an Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern, die auf die Vermittlung durch einen neutralen Schlichter setzten. Im Kleinen ginge das auch.
Das grundsätzliche Problem der Streithähne beschreibt Reimer als „Einkaufswagensyndrom“, das jeder kenne: Wenn man mit dem Auto auf den Parkplatz eines Einkaufscenters fahre, ärgere man sich über die Mitmenschen mit ihren Einkaufswagen. Sobald man selbst seine Einkäufe zum Fahrzeug schiebe, rege man sich über die „rücksichtslosen“ Autofahrer auf. Es gehe darum, dass beide Seiten Verständnis für einander entwickelten und sich in die Lage des anderen versetzten. Die größte Hürde bestehe darin, Emotionen auszuschalten und wieder sachlich zu argumentieren.
Die Alternative, zum Schiedsmann statt zum Gericht zu gehen, sieht Reimer als die eindeutig bessere. „Ein erstrittenes Urteil hat nicht immer den erwünschten Erfolg, und es fördert nicht unbedingt den Rechtsfrieden.“
Aber gerade darauf komme es ihm als Schiedsmann an, weil die streitenden Parteien ja oft als Nachbarn oder sonst im täglichen Leben miteinander auskommen müssten. Reimer sieht sich selbst als Mediator, Psychologe, Pfarrer und Familienberater in einer Person. Und er freut sich immer, wenn er wieder einmal „Frieden stiften“ konnte.
