Flüchtlinge in der Region Von der Halle zur Notunterkunft in 48 Stunden

Rhein-Sieg-Kreis · Im Sommer 2015 müssen die Städte und Gemeinden im Rhein-Sieg-Kreis kurzfristig Platz für Flüchtlinge schaffen. Inzwischen sind viele Sportstätten wieder leer.

 Die Turnhalle des Carl-Reuther-Berufskollegs in Hennef wurde wieder zurückgebaut. In den Ferien stehen noch Malerarbeiten an.

Die Turnhalle des Carl-Reuther-Berufskollegs in Hennef wurde wieder zurückgebaut. In den Ferien stehen noch Malerarbeiten an.

Foto: Hannah Schmitt

Geblieben sind nur etwas Schotter auf den Wegen und ein paar Striemen an den Wänden. Fast nichts erinnert mehr an die Flüchtlingsunterkunft in der Halle des Carl-Reuther-Berufskollegs des Kreises in Hennef. Keine Spur von den Feldbetten, die aneinander drängten. Keine Spur mehr von den Zelten und den bis zu 250 Menschen, die dort seit September 2015 lebten. Bis vor wenigen Wochen war das anders: Denn die Halle diente wie viele im Kreis als Notunterkunft des Landes – weil 2015 Tausende Menschen nach Deutschland flüchten und die Erstaufnahmestellen überfüllt sind.

Die erste entsteht vor genau zwölf Monaten in der Dreifachturnhalle in Troisdorf-Sieglar – in nur 48 Stunden. Die Tage sind Sozialamtsleiterin Ulrike Hanke noch gut in Erinnerung. Es ist der 22. Juli, ein Mittwoch, an dem die Bezirksregierung anruft und mitteilt: Die Stadt muss bis Freitag Platz für Flüchtlinge schaffen. „Da alles so schnell gehen musste, konnten wir uns gar nicht mit der Frage beschäftigen, ob wir überrumpelt worden sind“, sagt Hanke. „Wir haben aber gedanklich schon damit gerechnet, dass wir irgendwann dran sein werden.“

Zwei Tage hat die Stadt Zeit, um Halle, Caterer, Sicherheitsdienst und Betten zu organisieren. „Zum Glück hatten wir bereits Anfang 2015 begonnen, ein Netzwerk Integration mit vielen Freiwilligen aufzubauen.“ Die Hilfsbereitschaft ist groß: Das Deutsche Rote Kreuz und die Johanniter kümmern sich um Essen und ärztliche Untersuchungen, die Flüchtlingshilfe Lohmar versorgt die Menschen in den ersten Tagen mit Kleidern. Über das Netzwerk kommen danach kistenweise Spenden zusammen. „Ich fand toll, wie alle Rädchen ineinander gegriffen haben“, sagt Hanke. Zunächst heißt es, die Flüchtlinge bleiben drei Wochen. Doch bald ist klar: Das reicht nicht.

Stattdessen wird in den folgenden Monaten weiterer Platz gebraucht. In Hennef entstehen zwei Notunterkünfte, in Siegburg eine, in Niederkassel wird eine Halle als Notunterkunft sowie zwei weitere für zugewiesene Flüchtlinge genutzt. In Troisdorf sind fünf Hallen belegt, zwei davon als Notunterkunft, in Sankt Augustin drei Hallen und ein ehemaliges Hotel. In den ersten Wochen herrscht eine ständige Ungewissheit. Niemand weiß, wann, wie viele Flüchtlinge kommen. Teilweise warten die Städte stundenlang, dann wiederum fahren nachts plötzlich Busse vor.

Im September aktiviert der Kreis den Krisenstab, um den Zuweisungen nachzukommen. „Das war das erste Mal, dass er tatsächlich auch tagen musste“, sagt Rainer Dahm, Leiter des Kreisamts für Bevölkerungsschutz. „Auch wenn die Zuwanderung keine Katastrophe war. Es brauchte einfach eine Koordinierungsstelle.“ Der Kreis muss etwa das Rettungssystem anpassen. „Wir haben Reservekrankenwagen rekrutiert, wir hatten monatlich rund 400 Fahrten nur für die Flüchtlinge“, sagt er. Erst nach und nach geht die Nothilfe in einen Regelbetrieb über. Rückblickend beschreibt Dahm die Zeit als interessant und spannend, „aber auch sehr anstrengend für alle Beteiligten“. Dabei seien auch Fehler passiert. „Wir sind schon überrannt worden. Aber wir haben alle aus diesen Geschehnissen gelernt.“

Ab Anfang 2016 beruhigt sich die Lage, immer weniger Flüchtlinge kommen in den Kreis. Nach und nach räumen die Kommunen die Hallen leer. Troisdorf wird die Notunterkunft in der Dreifachturnhalle Ende August schließen, 18 Menschen leben dort noch. In Siegburg und Niederkassel sind bereits keine Hallen mehr belegt, in Sankt Augustin und Troisdorf soll das bis zum Jahresende der Fall sein.

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