Aktionstag in Siegburg Unheilbare Krankheit mit vielen Gesichtern

Rhein-Sieg-Kreis · Die Selbsthilfegruppe MS Vereinigung Bonn/Rhein-Sieg wirbt am Welttag der Multiplen Sklerose auf dem Marktplatz in Siegburg um Respekt gegenüber den Erkrankten.

 Für mehr Aufmerksamkeit wirbt die MS-Gruppe Troisdorf/Siegburg, hier auf einer Fahrt in Baden Baden.

Für mehr Aufmerksamkeit wirbt die MS-Gruppe Troisdorf/Siegburg, hier auf einer Fahrt in Baden Baden.

Foto: MS-Vereinigung

Als die Sankt Augustinerin Judith Schwikart (52) mit 20 Jahren an Sehstörungen litt, dachte sie an alles Mögliche, aber bestimmt nicht an die Diagnose Multiple Sklerose (MS). „Es wurde bei mir eine Sehnerv-Entzündung diagnostiziert“, erinnert sie sich, das sei es dann aber auch gewesen. Eine Überweisung zum Neurologen bekam sie damals nicht, denn er hätte feststellen können, dass diese Sehstörung durch eine Verzögerung des Impulses vom Auge hin zum Sehnerv entsteht und wäre dann möglicherweise auf die Diagnose MS gekommen. Bei Schwikart dauerte es fünf weitere Jahre, bevor endlich an der Bonner Uniklinik die richtige Diagnose gestellt wurde. Zwischenzeitig hatten sich bei ihr auch andere Symptome wie „Missempfindungen an Bauch und Rücken, die sich wie ein Korsett um mich legten“, eingestellt.

Die richtige Diagnose nutzte der Betroffenen zur damaligen Zeit nur wenig, denn es gab keine Medikamente außer Cortison, um die Schübe, die sich immer wieder einstellten, zu mildern. Heilbar ist die Erkrankung bis heute nicht, und die Interferone, die heute bei einer MS-Diagnose verabreicht werden, können nur hinauszögern und mildern. „Wir hoffen auf mehr Verständnis für uns als Kranke“, formulieren Judith Schwikart und Barbara Hünnighausen von der MS Vereinigung Bonn/Rhein-Sieg ihr Anliegen, welches sie am heutigen Welt-MS-Tag an einem Stand auf dem Siegburger Marktplatz kommunizieren möchten.

So habe ein Nachbar einer MS-Erkrankten die Polizei gerufen, nachdem sie torkelnd aus dem Auto ausstieg. Er vermutete, sie habe getrunken, berichtet Hünnighausen von einem besonders krassen Missverständnis. Auch ihr sei man schon kopfschüttelnd begegnet, als sie ihren Mann vom Bahnhof abholte, weil man glaubte, sie sei betrunken, ergänzt Schwikart. „Jeder sollte doch erst mal nachfragen, warum derjenige so wackelt“, sagen die beiden. Welche Symptome man bekomme und wie die Krankheit verlaufe, da sei alles möglich. „Es gibt einfach nichts, was es nicht gibt“, meinen die beiden zu der Krankheit mit den vielen Gesichtern.

Sie trifft doppelt so häufig Frauen wie Männer, und meist wird sie im Alter von Anfang 20 Jahren diagnostiziert. Die genauen Ursachen für die Autoimmun-Erkrankung, bei der durch ein fehlgeleitetes Immunsystem die Isolation der Nervenbahnen und deshalb irgendwann die Nervenbahnen selbst zerstört werden, kennt man nicht. Dass MS nicht gleich Rollstuhl bedeutet, ist den beiden Frauen besonders wichtig. Rund 250 Betroffene gibt es im Rhein-Sieg-Kreis, zuzüglich einer beträchtlichen Dunkelziffer. Denn heute wisse man, dass auch schon Kinder von MS betroffen sein können.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort