Nach Wegzug der Benediktiner So sieht der Siegburger Michaelsberg heute aus

Siegburg · Der Michaelsberg ohne Benediktiner? Lange undenkbar, inzwischen aber Realität in Siegburg. Wirklich weg sind die Mönche aber auch heute nicht. Das offenbart ein Rundgang über die Baustelle: Die Benediktiner sind noch immer präsent. Ein ganz persönlicher Blick auf die Abtei.

Es ist nur ein Schritt, doch er lässt Zukunft und Vergangenheit verschmelzen. Eben noch ist da die ungetrübte Sicht hinab auf Siegburg, schon lösen Erinnerungen an vergangene Tage sie ab. Vom Dach des KSI-Neubaus geht es über eine Brücke hinein in den Altbau. Die Abtei ist saniert, hat sich aber ihren alten Charme bewahrt.

Die schier endlosen Flure, der Kreuzgang, die früheren Zellen der Mönche – die Benediktiner scheinen gar nicht weg, sind irgendwie präsent und bleiben mit ihrer Abtei verbunden. Für immer. Auch wenn mit dem Einzug des KSI eindeutig eine neue Zeit anbricht. Der Gedanke ist tröstlich, lässt Bedauern, Unverständnis und Ungewissheit vergessen, die jenem 8. November 2010 folgten, als die Benediktiner das Ende ihres Konvents verkündeten.

Die Erinnerung an das Kloster und seine Mönche lebt – und ist das, was bleibt. Erinnerungen ganz unterschiedlicher, mal mehr, mal weniger persönlicher Art. Wie an eine Silvesternacht zwischen dem Trubel der Feiernden am Johannistürmchen und der andächtigen Stille in der Abteikirche. Ein besonderes Geschenk, Entschleunigung, Ruhe und innere Einkehr, eine bereichernde Erfahrung, die bleibt.

Der Umbau der Abtei

Wie auch der Besuch bei Frater Lukas, dem Glöckner der Abtei. Per Knopfdruck setzt er Michael, Joseph, Benedikt, Anno, Mauritius und die Siegburger Äbte in Bewegung. Es ist das Jahr 2005, das die sechs Abteiglocken einläuten. Die siebte, die große Marienglocke schweigt. Frater Lukas zeigt, warum, gewährt Einblick in den Glockenturm, 150 Stufen geht es hinauf, eine Holztür öffnet sich und der Blick auf einen Riss ist frei.

Eine prägende Erinnerung

An die Glocken knüpft sich eine andere, prägende Erinnerung. Eine Reise nach Gescher, zusammen mit den Freunden und Förderern des Michaelsberges und einigen Mönchen. An einem bitterkalten Märztag verschmelzen im heißen Ofenherz der Glockengießerei Zinnbarren mit flüssigem Kupfer zu Bronze, aus dem die Marienglocke und ihr kleiner Bruder, die Michaelsglocke, neu erwachen. Momente wie diese wird es so nicht mehr geben. Aber sie leben jeden Tag auf, jedes Mal, wenn die Abteiglocken über den Dächern Siegburgs schwingen und klingen.

Klösterliches Leben auf dem Michaelsberg

Wenn nun einer der Karmeliten, die seit drei Jahren das Klosterleben auf dem Michaelsberg gestalten, die Bergstraße zur Innenstadt hinabschreitet, tauchen unweigerlich andere Gesichter wieder auf. Frater Stephan, der streng an der Klosterpforte wacht. Frater Fridolin, der das Geheimnis des Abteilikörs wahrt. Pater Mauritius, für die Siegburger nur Pater Mau, der stets zu einem Scherz aufgelegt ist. Pater Christian, der für die Zukunft der Abtei stand.

Und natürlich der Anfang des Jahres verstorbene Altabt Placidus Mittler. Der die Frage der noch unerfahrenen, aber gewissenhaften Journalistin nach seinem Namen empört zurückweist mit den Worten: „Ich bin doch hier der Abt“. Dafür verrät er bei anderer Gelegenheit – eben hat er die Faust-Inszenierung im Hof der Abtei gesehen –, als Schüler selbst im Faust gespielt zu haben, keinen Geringeren als den Mephisto.

Ein schwarzer Tag für viele Siegburger

Erinnerungen wie diese teilen viele Siegburger. Im Guten wie im Schlechten. Der Tag, an dem das Ende des Siegburger Benediktinerkonvents beginnt, ist für viele ein schwarzer Tag: Wie soll es weitergehen? Der Abschied fällt schwer. Als die Glocken im Juni 2011 zum Pontifikalamt rufen, ist in der Abteikirche kaum ein Platz zu finden. Geladene Gäste, aber noch viel mehr, die aus Verbundenheit zum Kloster und seinen Mönchen gekommen sind, nehmen Abschied.

Erzbischof Joachim Kardinal Meisner schenkt ihnen Hoffnung, was die Zukunft der Abtei betrifft. Gleichwohl haben alle bis auf einen der zuletzt zwölf Mönche das Kloster schon verlassen, als im Januar 2012 alle Spekulationen ein Ende finden und feststeht, dass mit dem KSI das geistliche Leben auf dem Michaelsberg weitergeht.

Während das Erzbistum Pläne für die Zukunft schmiedet und mit dem Anbau für Diskussionen sorgt, wickelt Frater Linus, allein in der 21.000 Quadratmeter großen Klosteranlage, die Abtei ab. „Es sind die gleichen Gänge, aber sie strahlen nur noch Leere aus, menschliche wie geistliche“, sagt er damals.

Er gewährt Zutritt in Jahrhunderte verborgene Räume, in die den Mönchen vorbehaltene Klausur. In karge Zellen, in die Hauskapelle, in das Kalefaktorium, das Wohnzimmer, in dem das Ende des Konvents beschlossen wurde. Die Leere ist greifbar, das allgegenwärtige Gefühl der Vergänglichkeit unvergesslich.

Siegburger Abtei-Ansichten

Wandern die Gedanken zurück, blitzen tumultartige, eines Klosters unwürdige Szenen auf: Menschen, die letzte Erinnerungsstücke an sich reißen. Aber auch an die Schritte hin zum neuen Leben der Abtei. Der Spatenstich für den Anbau, die Grundsteinlegung, Auf- und Abbau des Baukrans.

Neue Erinnerungen, die mit alten verschmelzen. Entsprechend groß ist beim Rundgang über die Baustelle die Erleichterung, dass es dem Erzbistum gelungen ist, das Verlorengeglaubte zu bewahren. Wer durch das neu erwachte alte Kloster schreitet, weiß die Benediktiner an seiner Seite.

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