Vom "Faulen Ei", Heinzelmännchen und der Bombardierung der Alliierten So prägen die Wolsberge Siegburg bis heute

Siegburg · Für die GA-Serie "Was steckt eigentlich hinter...?" werfen wir einen Blick auf die Wolsberge in Siegburg. Der heute 74-jährigen Barbara Clarenz retteten sie sogar das Leben.

 Die Wolsberge und Wolsdorf, vom Michaelsberg aus gesehen. Im Vordergrund steht das Siegwerk.

Die Wolsberge und Wolsdorf, vom Michaelsberg aus gesehen. Im Vordergrund steht das Siegwerk.

Foto: Ingo Eisner

Jeder Siegburger kennt sie. Sie stehen im Schatten des Michaelsberges, aber prägen doch das Stadtbild – die Wolsberge. Heute eher weniger sichtbar und vollständig mit Wald bedeckt, waren sie in der Vergangenheit wichtige Orte, für manche gar lebenswichtig.

Etwa eine Viertelstunde vom Michaelsberg entfernt sind die Wolsberge gegen Osten gelegen. Sie gelten als Wolsdorfer Wahrzeichen und wurden erstmals 1847 von Geologen erwähnt und beschrieben. Die Berge bestehen aus ursprünglich lockerem, jetzt verfestigtem Basaltstoff. Ein erheblicher Teil des südlicheren Berges ging verloren, als die Wahnbachtalsperre gebaut wurde.

Während man umgangssprachlich nur von den „Wolsbergen“ spricht, zeigt ein Blick in historische Dokumente, dass die Namensgebung der Berge sehr umstritten ist. In einer Katasterkarte aus dem Jahr 1824 heißt es, dass die Gaststätte „Sieglinde“ am Riemberg liegt, während Hotel und Gasthof „Siegblick“ am Wolsberg zu finden sind. Andere Quellen wiederum sagen genau das Gegenteil. Die Uneinheitlichkeit führte wohl auch dazu, dass der Volksmund schlicht von „den Wolsbergen“ spricht.

Erst wichtiger Steinbruch, dann "Faules Ei"

Der am Siegblick gelegene Berg hatte einst eine wichtige Funktion als Steinbruch: Er lieferte das Material etwa für das Abteigebäude, die Stadtmauer und die Servatius-Kirche. Ab 1906 war kein Steinbruch mehr erlaubt, weswegen es zu Problemen kam, historische Gebäude in der Stadt zu renovieren. Immer wieder gab es auch Felsstürze an den Wolsbergen, weswegen die Stadt 1989 entschied, das sogenannte „Faule Ei“ zu sprengen. Viele Sagen ranken sich auch um die beiden Berge.

Man sagt etwa, dass diese zwei Erhebungen einst den Göttervater Wodan einluden, dort eine Kultstätte zu errichten, an der gebetet, gesungen und Opfer dargebracht wurden. Angeblich soll sich aus diesen „Wodansbergen“ das Wort „Wolsberge“ abgeleitet haben. Auch sollen sich in den Wolsbergen die Heinzelmännchen niedergelassen haben und, wenn man lange genug sucht, findet man vielleicht noch ihre Höhle.

Als die Alliierten Siegburg bombardierten

Während diese Geschichten einen märchenhaften Charakter haben, hat Barbara Clarenz eine reale, ganz persönliche Geschichte und Beziehung zu den Wolsbergen. Die 74-Jährige lebt mit ihrem Mann am Fuße des südlicheren Berges – dem Riemberg, wie er für sie heißt. Als am 9. und 10. März 1945 die Alliierten Siegburg bombardierten, war die geborene Barbara Vollrath nicht mal ein Jahr alt.

Dass sie diese wohl dunkelsten Tage in der Siegburger Stadtgeschichte überlebte, hat sie auch diesem Berg zu verdanken. „Die Bombe schlug knapp neben uns ein, wir hatten großes Glück.“ Die Geschichte kennt sie nur aus den Erzählungen ihrer Mutter und älteren Geschwister. Am zweiten Tag der Bombardierung hatten sich einige Wolsdorfer gemeinsam in dem Bierkeller der damaligen Brauerei Gumpert versteckt, der sich unter dem Berg befand.

Insgesamt drei Bomben schlugen ein. 59 Menschen starben, während die Familie Vollrath zu den wenigen glücklichen Überlebenden gehörte. „Wir waren acht Stunden eingeschlossen und es war eigentlich nicht zu erwarten, dass uns jemand finden würde.“ Zu ihrem Glück war aber ein Nachbar aus Angst nicht unter die Erde gegangen und suchte nach dem Ende des Angriffs nach Überlebenden. „Da wäre sonst keiner drauf gekommen, dass da noch jemand unter der Erde sein könnte.“

Mit diesem tragischen Erlebnis wurden die Wolsberge ein wichtiger Teil der Familiengeschichte. Wie das Schicksal es wollte, kamen die Vollraths nach ihrer Rettung im „Siegblick“ unter. Später heiratete Barbara Vollrath in die Betreiber-Familie Clarenz ein und führte das Hotel-Restaurant bis 2000 gemeinsam mit ihrem Mann Reiner.

Gelebte Erinnerungskultur

Auf der Suche nach einem Wohnhaus kaufte das Ehepaar Clarenz 1974 das ehemalige Gumpert-Haus samt altem „Sieglinde“-Tanzsaal. Zum Grundstück gehört der ehemalige Bierkeller im Riemberg, der 1945 beim Luftangriff getroffen wurde. Mittlerweile ist er zugeschüttet und von außen nicht mehr erkennbar. „Am Anfang war ich nicht sicher, ob ich hier leben will, weil natürlich so viele schlimme Erinnerungen mit diesem Ort verknüpft sind“, erzählt Barbara Clarenz.

Am Ende aber entschied sie sich dafür: „Wenn ich hier heute sitze, dann denke ich an die schönen Erinnerungen: Wir sind ja rausgekommen und haben überlebt.“ Wenn sie in ihrem Garten sitzt, fühlt sie sich angekommen. Als Kind hat sie auf den Bergen gespielt, Schulausflüge gemacht und heute tollen ihre eigenen Enkelkinder gerne hier herum. So schließt sich der Kreis.

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