Der Frust der Mitte Siegburger Studiobühne feiert Premiere mit neuem Stück

Siegburg · Marc Beckers Stück „Aus der Mitte der Gesellschaft“ feiert in einer Inszenierung der Studiobühne Siegburg Premiere. In schnellen Szenenabfolgen werden Themen wie Wirtschaftskrise, Rente, Klimawandel oder Arbeitslosigkeit abgehandelt.

Mit vollem Einsatz gehen die kommenden Absolventen der Siegburger Schauspielschule in ihren Rollen auf.

Mit vollem Einsatz gehen die kommenden Absolventen der Siegburger Schauspielschule in ihren Rollen auf.

Foto: Paul Kieras

„Ich bin die Mitte der Gesellschaft, ich bin das Fundament“, stellt einer der sieben Akteure, die sich laut Gedanken über ihre Ziele, Träume machen und darüber nachdenken, wer sie eigentlich sind und was sie vom Leben wollen, trotzig fest. Wenn er so nachdenke, was für ein Leben er sich einmal gewünscht habe, müsse er feststellen: „Ich bin das Monster in der eigenen Geisterbahn geworden“, resümiert ein anderer. „Und dann wird man zwischendurch auch noch alt“, ergänzt ein Dritter und verweist darauf, dass damit nicht die grauen Haare gemeint seien, sondern der „Kopf“.

Es sind Szenen aus dem als „Sprachkonzert“ von Marc Becker konzipierten Stück, in dem er der sogenannten Mitte eine Stimme gibt. Inszeniert wurde es von Tobias M. Walter, Dozent an der Studiobühne, mit Absolventen der Schauspielschule Siegburg 2018. Absurd, skurril, sarkastisch, teils überaus witzig, teils mit beißendem Spott werden gesellschaftspolitische Phänomene angesprochen.

Alles dreht sich um die Angst, aus der bröckelnden, gesellschaftlichen Mitte herauszufallen. Dass man längst nicht mehr dazu gehört, will man nicht wahrhaben oder verdrängt es. Der Satz einer Stimme, „man fühlt sich so, man weiß nicht wie“, zeigt das ganze Dilemma der Mitte, der bewusst ist, dass sie etwas tun muss, aber unfähig zu Veränderungen ist. Schnell sind Erklärungen für das eigene Schicksal gefunden. Schuld sind natürlich „die Arbeitslosen, die Flüchtlinge und Behinderten“, nur man selbst nicht.

Die Schauspieler überzeugen

In schnellen Szenenabfolgen werden Themen wie Wirtschaftskrise, Rente, Klimawandel oder Arbeitslosigkeit abgehandelt. Der Vorsatz, tätig zu werden, wird im nächsten Satz schon wieder verworfen: „Es muss sich was ändern, aber warum muss ich das gute Vorbild sein?“ Walter hat Beckers „Sprachkonzert“ bewusst nicht als solches inszeniert, weil das nach seinen Worten mehr auf den Höreindruck und weniger auf das Visuelle setze. Seine Fassung tendiert mehr zum politischen Kabarett.

Er will seine Interpretation keinesfalls als Persiflage auf die Mittelschicht verstanden wissen. Auch nicht, wenn er Helene Fischer als lebensgroße Pappmaché-Figur symbolisch einsetzt und deren Songs abspielt, um zu zeigen, dass es um die eigene Perspektivlosigkeit geht, wenn die Menschen ersatzweise „falsche Götzen anbeten“, wie Walter es bezeichnet.

Wunderbar böse folgender Dialog: „Wo finde ich eine Perspektive? Die ist ausgegangen. Wie wär's mit einem Banänchen?“ Die Schauspieler schaffen es überzeugend, Trotz und Arroganz, aber auch Zerrissenheit und die eigene Ohnmacht der von ihnen verkörperten gesellschaftlichen Mitte darzustellen. Das Bühnenbild ist ebenso minimalistisch wie die Kostümwahl.

Alle sieben Protagonisten sind mit einem T-Shirt der Helene-Fischer-Stadiontour 2015 ausgestattet. Einen Rat für die Mitte hat das Ensemble zum Schluss der 80-minütigen Aufführung auch noch. „Halt die Klappe, oder mach was!“ Ein sehenswertes Stück, das über den eigenen Standort in der Gesellschaft nachdenken lässt.

Das Stück „Aus der Mitte der Gesellschaft“ist am Samstag, 23. September, ab 20 Uhr, in der Studiobühne, Humperdinckstraße 27, zu sehen. Karten können auf www.theaterseite.de bestellt werden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort